Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Um was, um wen geht es eigentlich heute? Es geht um Menschen, die bis 1990 aus der DDR geflohen sind oder einen Ausreiseantrag gestellt haben und übergesiedelt sind. Für die BRD stellte sich die Frage: Wie gehen wir mit diesen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern rentenrechtlich um? Sie wurden nach Fremdrentenrecht behandelt. Das heißt, es gab und gibt Tabellen, in denen die Berufe stehen, übrigens nach Männern und Frauen getrennt. Dann wurde unterstellt: Du hast deine Erwerbsbiografie in Westdeutschland gemacht und Beiträge gezahlt. – Das war eine pragmatische und auch ziemlich großzügige Regelung für die Betroffenen. Dann kam zum Glück die Wiedervereinigung – damit hatte niemand gerechnet, auch nicht der Gesetzgeber –, und es stellte sich die Frage: Wie weiter? Der Beschluss im RÜG und im Rentenüberleitungsergänzungsgesetz war, dass man die Betroffenen zukünftig nach SGB VI, nach allgemeinem Rentenrecht, behandeln sollte. Um den Vertrauensschutz herzustellen, sollten diejenigen, die schon sehr lange leben und lange in der DDR versichert waren, nämlich diejenigen, die vor 1937 geboren wurden, weiter nach Fremdrentenrecht behandelt werden. Das heißt, es gibt Menschen, für die diese Entscheidung große finanzielle Auswirkungen hat. Es geht insbesondere um diejenigen, die jünger als 83 sind, und um diejenigen, die lange in der DDR gearbeitet haben. Das heißt, das sind Menschen, die Ende 60 und großteilig in den 70ern sind. Ich finde, dass die Lektüre der Großen Anfrage der Linken wirklich sehr instruktiv ist, weil Die Linke die Haltung der betroffenen Gruppen glasklar darstellt. Sie stellt dar, dass sie sich diskriminiert fühlen, weil sie in eine Lage zurückversetzt werden, aus der sie ja eigentlich geflohen sind, zum Teil unter großem Risiko, und dass sie sich auch bestraft fühlen, weil sie sozusagen einen Beitrag zur Wiedervereinigung geleistet haben, und dann kam die Wiedervereinigung, und sie haben weniger.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)
Außerdem sei das alles gar nicht so beschlossen worden; diese Gesetzesänderung sei nicht so gemeint gewesen. Die Bundesregierung – wir reden ja auch über die Antwort der Bundesregierung – macht sehr deutlich, dass die Behauptung, das sei nie so beschlossen worden oder das sei nicht rechtlich, offenkundig nicht zutrifft und auch ein Rechtsbruch nicht zu erkennen ist. Ich zitiere aus der Antwort der Bundesregierung, mit Erlaubnis der Präsidentin: Hätte der Gesetzgeber des 12. Deutschen Bundestages gewollt, dass in der DDR zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten von DDR-Übersiedlerinnen und DDR-Übersiedlern, die ab dem 1. Januar 1937 geboren wurden, nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu bewerten sind, hätte er eine entsprechende Regelung getroffen. Dies hat er nicht getan. Er hat die bisherigen Regelungen – das kann man wirklich nachlesen – des FRG für DDR-Zeiten ohne Ausnahme gestrichen und lediglich für vor 1937 Geborene mit der Regelung des § 259a SGB VI bestimmt, dass statt der in der DDR versicherten Verdienste die Tabellenwerte des FRG Anwendung finden sollen. Aus meiner Sicht haben wir es also mit einer legitimen Gesetzesänderung vom Anfang der 1990er-Jahre zu tun. Das ist eine Gesetzesänderung, die die Betroffenen schreiend ungerecht finden. Ich fände es gut, wenn man das mal als Grundlage der gesamten Debatte anerkennen würde.
(Beifall bei der SPD)
Eine legitime Gesetzesänderung? Betroffene finden das richtig doof. Man könnte jetzt also einfach sagen: Wir geben den Betroffenen recht; wir machen das alles rückgängig. – Oder man könnte sagen: So ist die Gesetzeslage; Pech gehabt. – Meine Partei, die SPD, macht es sich selten leicht. Bei dem Thema haben wir es uns auch nicht leicht gemacht. Vor allem unser ehemaliger, mittlerweile verstorbener Fraktionskollege Ottmar Schreiner und auch unser – was mich wirklich sehr, sehr traurig macht – vor wenigen Tagen ebenfalls verstorbener und ehemaliger langjähriger rentenpolitischer Sprecher Toni Schaaf haben wirklich intensiv um eine Lösung gerungen. Der Sachverhalt ist wirklich komplex. Warum? Zum einen ist das Fremdrentenrecht seitdem geändert worden; Es wurde verschlechtert. Das heißt, wenn wir das jetzt ändern würden, dann wären die Betroffenen auch nicht zufrieden. Eine Auslegung nach den alten Vergleichstabellen würde wiederum andere Personengruppen, nämlich die Spätaussiedler, ziemlich auf die Palme bringen. Das wäre dann eine Debatte um Deutsche erster und zweiter Klasse. Die brauche ich nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Außerdem gibt es Menschen, die mit den Regelungen im SGB VI besser fahren als mit denen im Fremdrentenrecht. Ich hatte die Männer- und Frauentabellen erwähnt: Frauen haben in der DDR besser verdient. In der Landwirtschaft wurde im Osten viel besser verdient. – Das heißt, es gibt Gruppen, für die ein Zurück – egal welche Fremdrenten – eine Schlechterstellung wäre. Deswegen haben wir lange eine Günstigerprüfung diskutiert. Ich habe darauf aber auch krasse emotionale Reaktionen bekommen – von Leuten, die bewusst nicht geflohen sind, die gesagt haben: Ich habe richtig Dresche gekriegt in diesem System. Ich habe Nachteile gehabt. Ich habe Berufsverbot bekommen. Wir haben skandiert: „Wir bleiben hier.“ Und diejenigen, die gegangen sind, sollen eine Günstigerprüfung bekommen? – Das waren emotionale Reaktionen, die ich dazu bekommen habe. Eine einfache Lösung, ein einfaches Zurück oder eine Günstigerprüfung sehe ich nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sehe überhaupt keine realistische Lösung auf dem Tisch, sondern ich sehe ein gültiges Rentenrecht.