Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten, Kolleginnen und Kollegen!

Heute hat der Deutsche Bundestag Maßnahmen zur Sicherung des Euro und der Finanzwelt beschlossen. Es wird behauptet, dass die Finanzkrise alle Staaten des Euro-Raums verursacht haben, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben. Für Staaten mag dies zutreffen, aber für alle Bürger auf keinen Fall.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise war möglich, weil Spekulanten im internationalen Finanzkasino Geld verjubelten, das von Arbeitnehmern unter größten Anstrengungen erwirtschaftet worden war.

(Anton Schaaf [SPD]: So ist das!)

Immer mehr Menschen arbeiten in Deutschland für Hungerlöhne, während ihr Arbeitsleben immer stärker gekennzeichnet ist durch Leistungsverdichtung, Stress und Lohnzurückhaltung. Andere Menschen wiederum haben ihren Arbeitsplatz verloren, weil Heuschrecken ihr Unternehmen aufkauften und große Rendite machten, indem sie Massenentlassungen vornahmen. Wir stehen nicht nur in der Verantwortung, dass wir künftig luftige Finanzspekulationen unterbinden, sondern auch, dass wir den Menschen Sicherheit geben, die für den Wohlstand hier in Deutschland hart arbeiten oder die trotz größter Anstrengungen und Weiterbildungen für mehrere Jahre keinen Job finden.

(Beifall der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])

Das bedeutet einerseits, dass wir für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt sorgen müssen. Um prekären Löhnen einen Riegel vorzuschieben, brauchen wir so schnell wie möglich einen flächendeckenden Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das bedeutet andererseits, dass wir die Menschen, die von prekärer Beschäftigung und Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, vor unwürdiger Altersarmut bewahren müssen. Die Erwerbsbiografien sind heute anders als vor 20 Jahren: Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Arbeitnehmer von der Lehre bis zur Rente im selben Betrieb arbeiten. Es wird für die Arbeitnehmer zu einer allgemeinen Erfahrung, dass man im Erwerbsleben auch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Zeiten prekärer Beschäftigung hat. Deswegen muss der Staat eingreifen.

Wir Sozialdemokraten fordern in unserem Antrag, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, um die Altersarmut von morgen zu vermeiden. Das bedeutet, dass wir rückwirkend Änderungen bei der Rentenberechnung brauchen.

Erstens müssen Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit besser bewertet werden, und zwar unabhängig davon, ob Leistungen nach dem SGB II bezogen wurden. Wer aufgrund des Einkommens des Partners keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhält, darf bei der Rente nicht bestraft werden. Konkret fordern wir, dass Zeiten nach dem 1. Januar 2000, in denen Arbeitslosenhilfe oder Grundsicherung bezogen wurde, in der gesetzlichen Rentenversicherung als beitragsgeminderte Zeiten gewertet werden.

Zweitens wollen wir, dass die Rentenansprüche von Arbeitnehmern, deren Einkommen unter 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes liegt, angehoben werden, wie es für Beitragszeiten von vor 1992 gilt. Konkret soll dafür die Regelung über die Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt bis zum Ende dieses Jahres verlängert werden. Diese Änderungen werden nicht für umsonst zu haben sein.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das würde mich interessieren: Was kostet das, und wie soll das finanziert werden? – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Geld ist genug da, Herr Kolb!)

Es geht dabei jedoch nicht nur um den Schutz von Einzelschicksalen, sondern auch um die Bewahrung des sozialen Friedens. Ist es den Menschen in unserem Land zu vermitteln, dass Bankenmanager trotz Finanzkrise wieder Millionengehälter einstreichen, während der rechtschaffene Arbeitnehmer immer mehr leisten muss und dennoch den Gürtel immer enger schnallen soll? Ist es gerecht, dass immer mehr Menschen zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden oder unverschuldet arbeitslos sind und einer Armutsrente entgegensehen? Nein, werte Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen gegensteuern: Wir müssen die Arbeitswelt humanisieren. Dazu gehören gute Löhne und eine gute Altersabsicherung. Dazu gehören auch bessere und gesündere Arbeitsbedingungen.

Meine Kollegen am Fließband können unter den heutigen Umständen nicht bis 67 arbeiten, häufig auch nicht bis 65 und oft auch nicht bis 60.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat doch die Rente mit 67 beschlossen! – Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Da hat er recht, der Herr Kolb!)

Deshalb werden wir Sozialdemokraten dieses Jahr ganz genau hinschauen, wenn die Bundesregierung aufgrund der Überprüfungsklausel über die Rente ab 67 berichtet. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn aus der Anhebung des Renteneintrittsalters eine indirekte Rentenkürzung wird. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft, die jedem Menschen ein würdiges Leben – während der Beschäftigung wie während der Rente – gewährleistet. Werte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, bekennen Sie Farbe! Unterstützen Sie unseren Antrag, um nicht nur ein leistungsstarkes, sondern auch ein sozial gerechtes Deutschland zu ermöglichen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)