Das vielbeschworene Credo "Nie wieder Ruanda! - Nie wieder Völkermord!" droht ausgerechnet im Jahr der Erinnerung zu einer Farce zu werden. Den Verbrechen, die in der Zentralafrikanischen Republik begangen werden, muss deshalb Einhalt geboten werden. Es ist Auftrag und Pflicht der internationalen Gemeinschaft, wenn schon die bisherige Gewalt nicht verhindert werden konnte, eine weitere Eskalation zu verhindern.

Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister von der Leyen! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Ist es nicht bittere Ironie der Geschichte, wenn Ban Ki-moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, auf dem Weg zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Genozids in Ruanda in der Zentralafrikanischen Republik haltmachen muss, um die dortigen Konfliktparteien eindringlich zu ermahnen? Er sagte:

     Wiederholen Sie nicht die Fehler der Vergangenheit, ziehen Sie die Lehren daraus.

Ihnen, Kollegin Buchholz, will ich sagen: Wiederholen Sie nicht die Fehler der Vergangenheit, ziehen Sie die Lehren daraus. – Sie haben noch bis zum Ende dieser Debatte, bis zur namentlichen Abstimmung, Zeit, den richtigen Weg zu finden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE] und Stefan Liebich [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, das vor wenigen Tagen auch im Hohen Hause beschworene Credo „Nie wieder Ruanda! – Nie wieder Völkermord!“ droht ausgerechnet im Jahr der Erinnerung, dem Jahr der Mahnung, zu einer Farce zu werden. Ethnisch-religiöse Säuberungen, Massenmorde ohne Sinn und Verstand sind in der Zentralafrikanischen Republik traurige Realität. Bewaffnete Truppen, nein, Horden von Christen und Muslimen stehen sich mit nur dem einen Ziel gegenüber, die jeweils anderen zu vernichten. Unaussprechliche Gräueltaten, bei denen ohne Grund in Menschenmengen geschossen wird, wodurch jene getroffen werden, die sich nicht wehren, die nicht um ihr Leben laufen können, die schutzlos sind: Kinder, Alte, Behinderte, Frauen, Schwangere.

Kolleginnen und Kollegen, ein Land, eine Gesellschaft, läuft dort Amok; es droht in kompletter Anarchie zu versinken, es befindet sich im freien Fall. Nicht nur, weil die Milizen dort schlecht organisiert sind, sondern auch, weil ihnen die Koordination fehlt, ist ein Völkermord im Augenblick noch unwahrscheinlich.

Ja, meine Kolleginnen und Kollegen, ich kann mich täuschen, ich möchte mich auch gern täuschen, wenn ich Parallelen zu Ruanda, zu Srebrenica, zu Bosnien-Herzegowina herstelle.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Nein, das sind sehr verschiedene Sachen!)

Doch als jemand, der in seinem Leben selbst erleben musste, was aus Hass gegenüber anderen Religionen und Ethnien und aus Rassenwahn geschieht, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass wir Einhalt gebieten müssen, dass wir nicht neutral sein können, sondern Farbe bekennen müssen. Ich bin überzeugt, dass es Auftrag und Pflicht der internationalen Gemeinschaft ist, wenn schon die bisherige Gewalt nicht verhindert werden konnte, eine weitere Eskalation zu verhindern.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wenn wir wirklich eine Wertegemeinschaft sein wollen, dann müssen wir dazu stehen, und dies nicht nur bei Sonntagsreden, dann dürfen wir nicht wie 1994, als die Blauhelme aus Ruanda abgezogen und Hunderttausende ihrem Schicksal überlassen wurden, nicht wie 1995 in Srebrenica, als die Blauhelme zusahen, wie 8 000 Bosniaken niedergemetzelt wurden, die Augen verschließen. Wenn wir unsere Werte ernst nehmen, dann braucht es unseren Einsatz, und zwar jetzt eines kleinen, den die Menschen dort benötigen, 

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

einen Einsatz für die Afrikanische Union, die dringend unsere Hilfe braucht, einen Einsatz, um die französischen Soldaten, die bereits dort sind, dabei zu unterstützen, Gewalt zu beenden, einen Einsatz, um zu helfen, demokratische Strukturen zu schaffen und die Wahlen im Jahr 2015 vorzubereiten. Die Verantwortung, die Zivilisten zu schützen, ist Leitgedanke unseres Handelns und damit der militärischen Überbrückungsmission, deren Fokus auf medizinischer Versorgung und Lufttransport liegt.

Anders als 1995 in Rest-Jugoslawien, anders als beim Bürgerkrieg in Syrien sind sich dieses Mal die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen, die etwa vor einer Stunde im Sicherheitsrat der Peacekeeping Mission zugestimmt haben, und die Europäische Union einig, dass Hilfe unmittelbar, jetzt und umfassend notwendig ist, um das Morden zu stoppen und das Land wieder zu stabilisieren. Nutzen wir diese Einigkeit als wichtiges Zeichen, als Zeichen einer Wertegemeinschaft, die dem sinnlosen Morden die Stirn zeigt.

Unser Versprechen im Rahmen des EU-Afrika-Gipfels vergangene Woche, an einem Afrika der Chancen mitzuwirken, ist nur glaubhaft, wenn wir jetzt unseren Willen und unsere Entschlossenheit zeigen, der afrikanischen Bevölkerung in einer ihrer dunkelsten Stunden mit allen Mitteln beizustehen. Afrika braucht afrikanische Lösungen. Afrika braucht auch afrikanische Chancen. Auch Zentralafrika! Gerade deshalb dürfen wir Zentralafrika nicht seinem Schicksal überlassen. Das sind wir den Menschen schuldig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das sind wir aber auch uns schuldig, wenn wir Worte wie „Nie wieder Auschwitz!“, „Nie wieder Ruanda!“, „Nie wieder Srebrenica!“ nicht zu leeren Worthülsen werden lassen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, dem Ersuchen der Bundesregierung auf Entsendung im Rahmen eines Übergangsmandats zuzustimmen. Ich glaube, die Menschen in Afrika haben es verdient, unseren Beistand zu erhalten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)