Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Karakasoglu,
liebe Dagmar, liebe Doris,
lieber Ernst Dieter,
vor allem aber: liebe Gäste!

Auch von mir ein herzliches Willkommen an Sie alle – wieder einmal, möchte ich fast sagen. Denn die meisten von Ihnen habe ich nicht nur außerhalb des Reichstags in verschiedenen Zusammenhängen schon häufiger getroffen. Sondern viele von Ihnen waren auch schon bei Konferenzen wie der heutigen hier in unserem Fraktionssaal zu Gast. Es freut mich erstens, dass Sie wiedergekommen sind! Das heißt, so schlimm kann es bisher nicht gewesen sein.

Und nehmen Sie es zweitens bitte als Zeichen, dass es uns ernst ist mit Ihnen. Sie täten uns unrecht, würden Sie die heutige Veranstaltung als Ausdruck von Torschlusspanik interpretieren. Es geht uns nicht darum, kurz vor dem Wahltermin schnell ein bisschen Symbolpolitik zu betreiben. Wir sind die ganzen letzten vier Jahre an Zukunftsfragen dran gewesen. Wir haben Ideen ausprobiert, weiterentwickelt, Projektgruppen angeschoben, Konzeptpapiere und Gesetzentwürfe geschrieben. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Bildung und For-schung für die Kontinuität und Hartnäckigkeit in dem Bereich, über den wir heute reden wollen: Die vielfältigen Aufgaben, die in der Bildungspolitik auf uns warten.

Und ich danke Ihnen, auf deren gesammelten Sachverstand und Erfahrung wir in den letzten Jahren zählen durften. Schön, dass Sie bei uns sind!

Es ist natürlich kein Zufall, dass wir uns in den letzten Jahren ausgerechnet mit dem Thema Bildung so ausführlich beschäftigt haben. Wir haben hier in der Fraktion einen Arbeitsprozess auf die Schiene gebracht, den wir „Projekt Zukunft“ genannt haben. Wir haben konkrete Ideen und Vorschläge entwickelt, für die Gesellschaft von morgen, für ein Land auf der Höhe der Zeit. Und da war, es wird Sie nicht verwundern, Bildung ein ganz entscheidender Teil unserer Diskussionen. Neulich im Bundestag habe ich in einer Debatte bei anderer Gelegenheit gesagt: Wenn wir über die Zukunft unseres Landes  reden, dann gibt es aus meiner Sicht nur drei wichtige Themen in diesem Land: Nämlich erstens Bildung, zweitens Bildung und drittens Bildung – weil wir wissen und wissen sollten: Bildung ist der Schlüssel für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, für die Zukunft unserer Kinder und auch für unsere wirtschaftliche Stärke. In wenigen Ländern hängt der wirtschaftliche Erfolg, der gesellschaftliche Wohlstand so sehr von der Bildung ab wie in Deutschland. Unsere wichtigste Ressource sind nun einmal Talente und Begabungen.

Das gilt heute noch mehr als früher schon. Der viel beschworene Fachkräftemangel beginnt in einigen Branchen bereits auf Innovation und Wachstum zu drücken. Wir können es uns überhaupt nicht leisten, auch nur ein einziges Kind zurückzulassen. Tatsächlich aber verlassen jedes Jahr 60 000 Jugendliche die Schule ohne jeglichen Abschluss.

Keiner bleibt zurück, jeder kriegt eine Chance: Das ist mehr als nur das Schließen von Lücken bei den Facharbeitskräften. Wir müssen am Ende die Antwort auf die Frage geben, ob unsere Gesellschaft lebenswert bleibt. Nicht der Geldbeutel, das Stadtviertel oder die Herkunft dürfen darüber entscheiden, welchen Schulabschluss ein Kind macht, sondern es muss wieder das gelten, womit wir, meine Generation, groß geworden ist: Aufstieg durch Bildung. Viele von uns, auch ich persönlich, haben von diesem großen Versprechen unserer Elterngeneration profitiert: „Dir wird es einmal besser gehen.“ Heute müssen wir uns doch die Frage stellen: Was ist von diesem großen Versprechen an die Gesellschaft Aufstieg durch Bildung übrig geblieben?

Ich wünschte mir, dass wir das Gerede von den „bildungsfernen Schichten“ weniger shciksalsergeben hinnehmen, sondern vielmehr mit Politik dagegen halten! Ob man heute nach oben kommt, hängt doch wieder sehr stark davon ab, wo man herkommt. Das sehen wir gerade bei Kindern aus Zuwandererfamilien. Es ist noch immer viel zu wichtig, was die Eltern für einen Hintergrund haben, wie sehr sie ihre Kinder fördern können. Kleiner Geldbeutel, kleine Chancen: Diese Rechnung darf nicht gelten. Und dafür, dass sie nicht gilt, gibt es die Politik.

Nicht umsonst haben wir, als wir an der Regierung waren, bei allen Reformen und schmerzhaften Einschnitten der Agenda 2010 gerade die Investitionen in Bildung und Forschung gestärkt. Umsteuern hin zu Zukunftsinvestitionen, Fördern durch Bildung und Ausbildung, kreative Potentiale ausschöpfen – das war es, was wir anstoßen wollten, mit dem Ganztagsschulprogramm, mit der Exzellenzinitiative und dem Pakt für Forschung und Innovation.

Ähnliche Anstrengungen kann ich zurzeit nicht erkennen. Eher im Gegenteil werden sogar falsche Weichen gestellt. Das Betreuungsgeld, das Festklammern am Kooperationsverbot – das ist keine Zukunftspolitik. Und es reicht auch nicht, die „Bildungsrepublik Deutschland“ auszurufen. Denn Bildungsrepublik wird man nicht durch bloßes Beschwören. Der Begriff klingt schön, klingt anspruchsvoll; aber es braucht Taten und Entscheidungen, die den Weg dahin ebnen.

Und genau dafür sind wir heute hier: Um mit Ihnen über die notwendigen Taten und Entscheidungen zu reden. Mir ist schon bewusst: Das könnte ein tages- und abendfüllendes Programm sein. Kaum ein Politikfeld ist so facetten- und umfangreich wie die Bildungspolitik. Frühkindliche Bildung, Schulpolitik, berufliche Bildung, Hochschulen – all das gehört dazu, und muss im Idealfall auch noch gut ineinander greifen.

Was all die verschiedenen Bereiche der Bil-dungspolitik aber gemeinsam haben: Was wir brauchen, ist gute, ist individuelle Förderung, ist Ermutigung, sind Chancen für alle – darum geht es!

Das alles werden Sie gleich noch im Detail diskutieren. Aber um eine Wahrheit will ich mich gleich am Anfang nicht herumdrücken. Die Vorschläge, die wir mit Ihnen diskutieren wollen – mehr und bessere Ganztagsschulen, Stärkung der dualen Ausbildung, bessere Ausstattung der Unis –, die sind alle nicht umsonst zu haben. Wir kommen nicht drum herum: Bildung kann nicht funktionieren in Kindergärten und Schulen, in denen die Stunden ausfallen und der Putz von der Decke fällt! In Hochschulen, in denen die Nachwuchswissenschaftler im Hamsterrad vom Schreiben eines Antrags zum nächsten gefangen sind. 
Es gibt nur eine Sache – hat John F. Kennedy gesagt –, die ist noch teurer als Bildung. Und das ist: keine Bildung.

Und wenn wir das wissen, dann müssen wir doch so ehrlich sein und sagen: Das geht nur über eine gemeinsame Anstrengung. Das funktioniert nicht mit einem Kooperationsverbot. Das muss weg, und zwar nicht als Minimalreform, sondern komplett, für den Schul- und Hochschulbereich! Wir sind bereit, die Verfassung entsprechend zu ändern, und den Fehler, den – ich sage das offen – auch wir begangen haben, zu korrigieren.

Und Investitionen in Bildung, die funktionieren leider auch nicht mit Steuersenkungen. Denn wenn wir eins aus der Finanzkrise gelernt haben, dann doch, das wir von der Verschuldung runter müssen, um uns aus der Abhängigkeit der Finanzmärkte zu befreien. Deshalb haben wir die klare Ankündigung gemacht: Ja, wer über ein sehr hohes Einkommen oder große Vermögen verfügt, den werden wir etwas stärker belasten. Aber dieses Geld fließt in die Förderung unserer Kinder. Und wird sich deshalb, wenn nicht heute, dann doch morgen, doppelt und dreifach zurückzahlen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir stehen heute besser da als viele unserer Nachbarländer. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Dann verspielen wir die Zukunft unserer Kinder und die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Es geht um den Zusammenhalt und um Chancen für alle. Es geht um eine Gesellschaft, in der jeder, egal in welchem Alter, egal woher er kommt, Recht auf Bildung und weiterbildung hat.

Damit das gelingt, müssen wir jetzt anfangen, den Grundstein für den Erfolg von morgen zu legen. Wir präsentieren Ihnen heute ein paar solcher Grundsteine – oder das, was wir dafür halten. Verschonen Sie uns nicht mit Kritik (auch Lob ist natürlich gern gehört). Aber vor allem: Lassen Sie uns gemeinsam, jeder an seinem Platz, für ein gutes und zukunftsfähiges Bildungssystem, für ein modernes und erfolgreiches Land arbeiten.

Herzlichen Dank.