Uruguay ist eines der erfolgreichsten Länder in Lateinamerika. In Uruguay wurden eine gute Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mit einer guten Wirtschaftspoltik verknüpft. Die Menschen profitierten dort vom wirtschaftlichen Erfolg. Arbeitnehmerrechte und Wirtschaftswachstum lassen sich unter einen Hut bringen, das zeigt Uruguay. Mit diesem Land vertiefen wir die Zusammenarbeit: Mit einem Sozailabkommen werden für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ins jeweils andere Land zum Arbeiten entsandt werden, Doppelversicherungen vermieden und Lücken im Rentenverlauf geschlossen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
Am 5. Juli 1930 lief die „Conte Verde“ in Montevideo ein. An Bord waren die europäischen Teilnehmer der ersten Fußballweltmeisterschaft. Uruguay hatte sich bereit erklärt, die Weltmeisterschaft auszutragen.
Als das Schiff am Kai festlag
– so ist vom belgischen Schiedsrichter Jan Langenus zu lesen –,
empfing uns eine vieltausendköpfige Menschenmenge, deren herzliches Willkommen nur übertroffen wurde von der Geschäftigkeit der Photographen …
Deutsche Fußballspieler waren nicht an Bord. Deutschland trat 1930 nicht an.
Bis zum Jahr 2014 hat sich sehr viel geändert. Mindestens 10 000 Deutsche und 40 000 Menschen mit deutschen Wurzeln leben in Uruguay. Ich finde, das ist eine ungewöhnlich hohe Zahl, wenn man sich einmal vorstellt, dass die Bevölkerung Uruguays circa 3,4 Millionen Menschen umfasst. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland sind sehr eng. Wir sind in Europa der größte Abnehmer von Produkten aus Uruguay; weltweit sind wir der sechstgrößte Abnehmer.
Heute, meine Damen und Herren, beraten wir in erster Lesung einen Gesetzentwurf über ein Sozialabkommen zwischen Deutschland und der Republik Östlich des Uruguay. Mit diesem Abkommen vertiefen wir die ohnehin schon sehr gute Zusammenarbeit. Wir schaffen in gegenseitigem Einvernehmen soziale Sicherheit. Dabei geht es um soziale Errungenschaften für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Arbeiten in das jeweils andere Land entsandt werden. Außerdem werden die Rentensysteme koordiniert. Das heißt, Doppelversicherungen sollen vermieden werden, und Lücken im Rentenverlauf werden geschlossen. Das macht es dann natürlich einfacher: für die entsendenden Unternehmen, weil sie mit weniger Bürokratie zu tun haben, und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weil sie oftmals von doppelter Beitragsbelastung betroffen sind. Das alles wird besser.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Uruguay hat nach einer sehr schweren Wirtschaftskrise wieder Anschluss an die Weltwirtschaft gefunden. Die Wirtschaft wuchs. 2010 – man wundert sich – gab es ein Wachstum von 4 Prozent. Armut und Arbeitslosigkeit nahmen in dieser Zeit sehr stark ab. In Berichten über Uruguay ist immer von dem Musterknaben in Lateinamerika die Rede. So hat die Wirtschaftswoche 2012 mit Blick auf das krisengeschüttelte Europa zum Beispiel die Frage gestellt, was Griechenland von Uruguay lernen könnte.
Dieses Land in Südamerika hat seinen wirtschaftlichen Aufschwung geschafft, indem es notwendige Reformen beherzt angepackt hat. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Staat dabei ein ganz aktiver Motor war und gehandelt hat. Man hat nämlich gesagt: Wir wollen Uruguay zur Logistikdrehscheibe Lateinamerikas machen. – Gleichzeitig hat man das Steuersystem, den Arbeitsmarkt und das Gesundheitssystem reformiert. Im Jahr 2002, als mit der Frente Amplio ein Mitte-Links-Bündnis gewählt wurde, war völlig klar, in welche Richtung man geht. Man wollte die Lebenssituation der breiten Bevölkerungsschicht verbessern. Die Menschen haben erwartet, im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs an dieser Verbesserung teilzuhaben.
2004 waren in Uruguay noch 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung im informellen Wirtschaftssektor tätig; das heißt, diese Menschen haben ohne Arbeitsvertrag, ohne Sozialversicherung, ohne irgendwelche Rechte gearbeitet. Deshalb war es dann auch ausgemachtes Ziel der Regierung, genau hier anzusetzen und die Arbeitsmarktreformen so anzulegen, dass reguläre Arbeitsplätze entstehen. Man kann das kaum glauben: Es ist gelungen. Wenn Sie mich danach fragen, wie, kann ich ganz einfach die Antwort geben: Der Staat und die Gewerkschaften haben hier an einem Strang gezogen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Die kollektiven Tarifverhandlungen wurden gestärkt. Die Löhne stiegen zwischen 2005 und 2009 um 24 Prozent. Heute arbeiten nur noch 23 Prozent im informellen Sektor. Alle anderen Beschäftigten arbeiten sozialversicherungspflichtig. Ich glaube, das ist ein echter Erfolg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie werden sich jetzt fragen: Warum erzählt Frau Wolff das in epischer Breite? Das kann ich Ihnen sagen: In Deutschland wird immer wieder behauptet, eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte führe dazu, dass Arbeit abwandert. Uruguay erzählt uns eine andere Geschichte.
(Beifall bei der SPD)
Ich glaube, dieses Land hat gezeigt, dass sich Wirtschaftswachstum und Arbeitnehmerrechte unter einen Hut bringen lassen.
Meine Damen und Herren, wir haben gesehen: Eine gute Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik trägt dazu bei, dass die Menschen am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben. Ich glaube, wir in Deutschland können auch einmal einen Blick über den Tellerrand werfen; deshalb freue ich mich, dass wir die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Protokoll geben. Wenn wir uns fragen: „Wie macht Uruguay das?“, erweitert das vielleicht auch unseren Blick für andere Lösungsmöglichkeiten.
Vielen herzlichen Dank.