Schnell noch einen Schluck Kaffee aus dem Pappbecher, dachte sich Carsten Hahn wohl, sieht ja keiner. Schließlich sitzt er ja im fernen Kalifornien, im Silicon Valley. Aber es war eben doch zu sehen. Denn mit Hahn zog zugleich ein digitales Novum in die SPD-Fraktion ein: Konferenzteilnahme via Skype.

So war das Konterfei des Wissenschaftlers Hahn per Beamer hoch über den Köpfen der Mitdiskutanten zu sehen, die im Fraktionssaal der SPD das Thema Digitale Innovationen erörterten.

Knapp 200 Gäste aus der Wirtschaft und von Verbänden waren der Einladung der Projektgruppe #NeueErfolge der SPD-Fraktion gefolgt und nahmen an der Dialogveranstaltung zur Zukunft der Innovationspolitik teil. Es ging um die Frage, wie der Innovationsstandort Deutschland gestärkt werden kann, besonders mit Blick auf die Startup-Szene und den Mittelstand.

Hahn, Forschungsdirektor bei der SAP diskutierte mit Sören Bartol, Fraktionsvize und Digitalexperte der SPD-Fraktion, sowie Martin Rabanus, Mitglied der Projektgruppe, und Sabine Poschmann, Leiterin der Projektgruppe. Grundlage des Gesprächs war das dritte Dialogpapier der Projekt-AG. Es befasst sich vor allem mit der hiesigen Gründungsbereitschaft, digitalen Innovationen und Chancen und Risiken der Sharing Economy.

Sören Bartol forderte, Gründer stärker zu fördern und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen für Wachstumskapital. Die Veranstaltung diene auch dem Zweck, von den Unternehmern „zu lernen, was wir besser machen können“.

Die Unis sind die Zusammenführer

Carsten Hahn führte aus, dass Industrien künftig stärkeren Transformationsprozessen unterlägen. Als Beispiel nannte er die Taxi- und die Hotelbranche, die durch Phänomene wie Uber und Airbnb unter Druck geraten. Es müsse also für die Firmen darum gehen, „neue digitale Geschäftsmodelle“ zu entwickeln. Hahn: „Sie müssen von der Produktinnovation zur Geschäftsmodellinnovation kommen“. Er nennt das „design research“. In der anschließenden Publikumsrunde fragten zahlreiche Gäste konkret nach, etwa wie der Standort Deutschland im Bereich Innovationen gestärkt werden kann. Hahns Antwort: Deutschland als Startup-Standort etablieren. Seiner Meinung nach müsse das Bewusstsein für Entrepreneurship bereits an den Universitäten ins Bewusstsein gehoben werden – im Klartext: mehr auf die Möglichkeit der Selbständigkeit hinweisen. Hahn: „Die Unis sind die Zusammenführer“.

Im zweiten Gesprächspanel, moderiert vom SPD-Wirtschaftspolitiker Matthias Ilgen, war der externe Gast Matthias Knecht, Gründer und Geschäftsführer von Funding Circle. Mitdiskutant waren Dirk Wiese von der Projektgruppe und Christian Flisek, Beauftragter der SPD-Fraktion für Existenzgründungen. Flisek konzedierte, es gebe in Deutschland eine gute Ausstattung bei der Grundfinanzierung, dann aber werde es ab einer bestimmten Größe schwierig. Deshalb gingen viele Gründer dorthin, wie sie mehr Geld bekommen, etwa in Kalifornien. Eine Lösung laut Flisek: ein Wagniskapitalgesetz – für das sich die SPD-Fraktion schon lange stark macht.

Matthias Knecht empfahl, Startup-Cluster zu bilden in den Metropolregionen. Zugleich skizzierte er eine Zukunftsvision, die nicht allen Anwesenden behagte: Deutsche Großkonzerne werden im Zuge der Digitalisierung und Innovation irgendwann zu reinen Zulieferern, die nur noch Teile herstellen, während Unternehmen wie Google dann das ganze Produkt verantworten. Knecht: „Stuttgart könnet so eines Tages zum deutschen Detroit werden“.

Ein Weckruf für alle, den Standort Deutschland bei digitalen Innovationen weiter zu stärken.

Alexander Linden