Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann betonte zu Beginn der Konferenz, dass es um Teilhabe gehe, denn noch immer gebe es keine echte Chancengleichheit für Menschen mit Migrationshintergrund. Muslime in Deutschland hätten ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft. Besorgniserregend sei aber, dass der Islam von 57 Prozent der Deutschen als Bedrohung gesehen werde (Bertelsmann-Studie). Die übergroße Mehrheit der Muslime lebe aber friedlich in Deutschland und distanziere sich von Terror und Gewalt. Gerade deshalb sei es notwendig, mehr miteinander zu reden und gemeinsam zu entwickeln, wie der Islam in Deutschland besser integriert werden kann. Wenn nach einem Terroranschlag pauschal gegen Muslime gehetzt werde, dann seien auch die vielen friedlich in Deutschland lebenden Muslime Leidtragende.
Daher gehe es darum, gemeinsam gegen Radikalisierung und Diskriminierung von Muslimen einzutreten. Oppermnann forderte eine „neues Miteinander“ auf der Basis der Werte des Grundgesetzes. Dazu gehöre auch bessere politische Partizipation. Sein Appell, einen in Deutschland geprägten Islam zu entwickeln und zu leben, wird noch weiter diskutiert werden. Oppermann zitierte Bundespräsident Joachim Gauck, der von „Einheit in Verschiedenheit“ gesprochen hatte und forderte, den interkulturellen Dialog zu stärken.
Die aktuelle Kritik an der Arbeit des Moschee-Dachverbandes DİTİB zeigt, wie wichtig es ist, auf Augenhöhe über die alltägliche Situation von Muslimen in Deutschland zu sprechen: mit ihnen und nicht über sie. Konkrete Probleme müssen angepackt werden. Kontroversen müssen ausgetragen werden, seien sie innerhalb der Muslime oder auch über ihre Rolle und ihr Verhältnis zur Türkei und anderen Herkunftsstaaten. Die Diskussion machte deutlich, dass die SPD-Bundestagsfraktion eine Weiterentwicklung des Verbandes DİTİB, der der türkischen Religionsbehörde unterstellt ist, unterstützt - mit dem Ziel, dass sich Muslime in Deutschland unabhängiger und selbständig organisieren können.
Auch Imaminnen sollen praktizieren
Auf dem Podium diskutierte Kerstin Griese, Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion, mit Aydan Özoğuz, Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, die die erste muslimische Bundesministerin und damit sowohl Vorbild als auch Angriffsziel für viele geworden ist. Sie berichtete von ihren Erfahrungen. Bekir Alboğa, Generalsekretär von DİTİB, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion und Vertreter von ca. 900 Moscheegemeinden in Deutschland, musste sich kritischen Fragen nach der Unabhängigkeit seiner Organisation stellen. Die 900 bei DİTİB beschäftigten Imame müssten mehr und mehr in Deutschland ausgebildet werden. Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und zur Zeit wegen rechtsextremer Bedrohungen beurlaubte Lehrerin aus NRW, ist Vorstandsmitglied im Liberal-Islamischen Bund. Sie forderte, dass auch Imaminnen in Deutschland praktizieren dürften und mahnte mehr Öffnung an. Genau wie Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, antwortete sie auf Thomas Oppermanns Forderungen nach einem Islam, der in Deutschland ankommt: „Wir sind längst da!“. Vieles sei schon geschafft worden, wie der islamische Religionsunterricht, die Ausbildung von Theologen und Theologinnen etc., aber das müsse mehr kommuniziert werden. „Muslime müssen raus aus der Schmuddelecke, und Politik muss Anreize schaffen, damit dem Religionsverfassungsrecht Geltung verschafft werde“, forderte Mazyek. Klar wurde, dass sich Muslime nicht als Migranten ansprechen lassen wollen, sondern dass ihre religionspolitischen Fragen gleichberechtigt behandelt werden müssen. Atila Ülger vom Arbeitskreis muslimischer Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen konnte auf die praktische Arbeit seines AK verweisen, denn die SPD ist die einzige Partei, die eine solche Beteiligungsmöglichkeit bietet.
In fünf sich anschließenden Foren wurde über verschiedene Themen des Zusammenlebens diskutiert. Dieser Erfahrungsaustausch wurde von allen Teilnehmenden als sehr wichtig erachtet und sollte fortgesetzt werden. Im Forum zur Arbeitswelt (Katja Mast und Ender Cetin) wurde berichtet, dass immer noch häufig Diskriminierungen erlebt werden. Auch der Umgang mit muslimischen Feiertagen war Thema.
Ein besserer intrareligiöser Dialog
Sowohl Muslime als auch Kirchenvertreternnen uind -vertreter berichteten im zweiten Forum (Kerstin Griese und Tuba Isik) von ihren Erfahrungen beim Dialog der Religionen. Dieser und religiöse Bildung tragen entscheidend zu Toleranz und friedlichem Miteinander bei. Interessant war, dass mehr intrareligiöser Dialog über die verschiedenen Richtungen des Islam für nötig erachtet wurde.
Um die politische Partizipation von Muslimen ging es im Forum 3 (Eva Högl und Derya Çağlar). Klar ist, dass die SPD-Fraktion an der Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht für hier lebende und verwurzelte Ausländerinnen und Ausländer festhält. „Gute Nachbarschaft im Stadtteil“ (Michael Groß und Shiva Saber Fattahy) und „Zusammenleben im Alltag“ (Josip Juratovic und Abdallah Hajjir) waren die weiteren Foren. Gerade im Stadtteil gehe es um soziale Integration. Und das Zusammenleben im Alltag funktioniere nur, wenn es von gegenseitigem Respekt getragen sei.
„Wir ziehen aus dieser Veranstaltung das Fazit, dass wir regelmäßig zu einem solchen Dialog einladen werden“, so Eva Högl, Kerstin Griese und Uli Grötsch, die gemeinsam mit Thomas Oppermann dazu eingeladen hatten: „Der große Gesprächsbedarf auf dieser Konferenz hat uns gezeigt: Wir brauchen ein neues Miteinander, und die SPD-Bundestagsfraktion will an den konkreten Fragen der Integration und Teilhabe weiterarbeiten. Vielfalt, auch religiöse Vielfalt, ist eine Chance.“
Hier sind Fotos der Veranstaltung zu finden:
https://www.flickr.com/photos/spdbundestagsfraktion/albums/72157675964490683