Gipfeltreffen am 24./25. März

Nachhaltige Bewältigung der Finanzkrise im EURO-Raum

Auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 24./25. März werden Richtungsentscheidungen für die weitere Krisenbewältigung der EU getroffen. Auch der Bundestag führt eine Debatte dazu. Die SPD-Fraktion fordert ein weiter reichendes Maßnahmenpaket, als jenes, dass der Rat der Europäischen Union verabschieden will. Neben der Einführung einer Finanztransaktionssteuer muss auch der private Finanzsektor stärker beteiligt werden.

Europaflagge
(Foto: BilderBox.com)

Auf der Tagesordnung des Europäischen Rats stehen eine Änderung des Stabilitäts- und Währungspakts, ein neues Verfahrung zur Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte, die Ausweitung des Europäischen Stabilitätsfonds (ESF) und die Vertragsänderung zur Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Zudem soll ein so genannter „Pakt für den Euro“ beschlossen werden.

Das Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Euro-Zone

Mit dem Maßnahmenpaket des Europäischen Rates werden drei Ziele verfolgt: EURO-Länder wirtschaftlich stärken und konkurrenzfähig machen, Krisen erkennen und frühzeitig entgegensteuern und Staaten aus finanzieller Notlage retten.

Zu den Maßnahmen des Paktes für den Euro gehören eine engere Abstimmung in den Bereichen Lohn- und Produktivitätsentwicklung, Rente, Gesundheit und Sozialdienstleistungen und Steuern. Fortschritte in diesen Bereichen sollen jährlich kontrolliert, aber nicht sanktioniert werden. Die Instrumente sollen die Überprüfung der Lohnbildungsregeln und flexiblerer Arbeit, die Anhebung des Renteneintrittsalters, die Begrenzung der Vorruhestandsregelung, die Überprüfung sozialstaatlicher Leistungen und die verstärkte private Vorsorge in der Gesundheit sein.

Unsere Kritikpunkte daran sind der zu befürchtende Dumping-Prozess im sozialen Bereich. Sozialabbau als Koordinierungs- und Wettbewerbsstrategie ist keine Lösung. Solidarität und sozialer Frieden unterliegen bei Schwarz-Gelb der Wettbewerbslogik. Wir brauchen einen Stabilitätspakt mit Mindeststandards bei sozialen Leistungen. Die Finanztransaktionssteuer leistet hierzu ihren Beitrag.

Die Maßnahmen zur Reform des Stabilitätspaktes umfassen Sanktionen für Euro-Staaten, deren Gesamtverschuldung über 60 Prozent des BIP liegt, strengere Konsolidierungsauflagen bei Staatsschulden, Korrektur von makroökonomischen Ungleichgewichten und der Überwachung der nationalen Haushalte. Falls gegen ein Land ein Defizitverfahren verhängt wird, muss es 0,2 Prozent des BIP als Pfand hinterlegen. Wer Verschuldungsobergrenzen wiederholt nicht einhält muss mit einer Strafe von 0,5 Prozent des BIP rechnen. Um Strafen aufzuhalten soll eine 2/3 Mehrheit im Europäischen Rat not-wendig sein.

Wir sehen bei der Reform eine zu einseitige Fixierung auf Sanktionen und einen harten Spar-kurs. Das hemmt die Binnennachfrage und das Wachstum. Wir brauchen Investitionsanreize und Bildungsförderung als gezielte Wachstumsprogramme, die die Wettbewerbsfähigkeit strukturschwacher Staaten verbessern.

Der Rettungsfonds (ESM), der ab 1.7.2013 als permanenter Rettungsmechanismus eingesetzt werden soll, hat einen Umfang von 700 Milliarden Euro (davon: 620 Milliarden Euro Garantien, 80 Milliarden Euro Direkteinzahlungen damit Ausleihvolumen von 500 Milliarden Euro möglich wird). Der deutsche Inhalt wird 22 Milliarden direkt und 168 Milliarden Euro an Bürgschaften betragen. Möchte ein Mitgliedstaat auf den Rettungsfonds zugreifen, muss es um ein Darlehen ersuchen und es muss ein Restrukturierungsplan vorliegen. Außerdem sollen private Gläubiger beteiligt werden.

Die Etablierung des ESM ist ein notwendiger Schritt, der jedoch nicht weit genug geht. Die vorgesehene Beteiligung privater Gläubiger ist vage und unzureichend. Außerdem muss die Etablierung des ESM parlamentarischer Kontrolle durch den Bundestag und Bundesrat unterliegen.

Bundesregierung riskiert sozialen Frieden in Europa

Die mehrheitlich konservativen europäischen Staats- und Regierungschefs haben bisher nicht vermocht, die Abhängigkeit der Staatsanleihen der Euro-Staaten von Schwankungen und Nervositäten der Kapitalmärkte zu durchbrechen. Auch eine Beteiligung der privaten Gläubiger an den Kosten der Krise bleibt bislang vage Gerede. Die bislang ergriffenen Maßnahmen gehen teils an den Ursachen der Krise vorbei oder greifen zu kurz.

Die SPD-Bundestagsfraktion kritisiert auch das Fehlen eines klaren Kurses der Bundesregierung. Regelmäßig wird in der deutschen Diskussion eine Haltung vertreten, die Tage oder Wochen später auf europäischer Ebene sang- und klanglos geräumt wird. Auch die Einbindung des Deutschen Bundestages in Form und Inhalt war und ist bislang völlig unzureichend. Insbesondere vor Landtagswahlen hat sich die Bundeskanzlerin ihrer Verantwortung nicht gestellt, sie hat taktiert und die Probleme ausgesessen. Ernsthaften Debatten über die Ziele und die Ausgestaltung von mehr wirtschaftspolitischer Koordinierung hat sich die Bundesregierung immer wieder verweigert.

Rede von Peer Steinbrück in der Debatte um die Regierungserklärung am 24.03.2011

Umfassenderes Maßnahmenpaket beschließen

Eine nachhaltige Bewältigung der Krise kann nur gelingen, wenn allen Risikofaktoren mit einem umfassenden Paket von Maßnahmen begegnet wird. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in diesem Zusammenhang ein Maßnahmenpaket beschlossen, das unter anderem folgende Punkte enthält:

  • Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Es ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, den Finanzsektor an den von ihm wesentlich verursachten Kosten der Krisenbewältigung zu beteiligen. Eine solche Steuer, auch vom Europäischen Parlament gefordert, dämmt Spekulationen ein, erzielt Einnahmen für den Abbau der Staatsverschuldung und generiert Mittel für Zukunftsinvestitionen.
  • Prüfung, wie der Finanzsektor insgesamt und die Gläubiger an den Kosten der Refinanzierung der Schuldnerstaaten zu beteiligen sind. So könnten notleidende Mitgliedstaaten wie Griechenland oder Irland ihre Staatsanleihen von Investoren mit einem Abschlag zurückkaufen, beispielsweise mit 60 bis 80 Prozent ihres Nennwertes. Dies sollte mit Mitteln des EFSF (der aktuelle Rettungsfonds) finanziert werden können.
  • Nationale Steuerpolitiken sind EU-weit zu koordinieren, um die schädlichen Konsequenzen des Steuerwettbewerbs zu vermeiden. Dazu gehört insbesondere die Harmonisierung der Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, die zwingend von der Vereinbarung von Mindeststeuersätzen flankiert werden muss. Steuerumgehung und Steuerbetrug müssen durch die Schließung gesetzlicher Regelungslücken und die Verbesserung grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen den Fiskalverwaltungen bekämpft werden. Auch Steuerflucht in außereuropäische Länder muss wirkungsvoll unterbunden werden.
  • Mitgliedsländern mit Leistungsbilanzdefiziten ist Unterstützung anzubieten, um zu einem Ausgleich der Leistungsbilanzen in der Eurozone beizutragen. Ein europäisches Wachstumsprogramm und eine europäische Förderpolitik kann die Wirtschaftsentwicklung gerade in den Ländern verbessern, die aus unterschiedlichen Gründen Refinanzierungsprobleme haben. Die bisherigen Ansätze der Regional- und Strukturfonds sind für eine solche Strategie nicht ausreichend. Erforderlich sind ergänzende Mechanismen, die auf einen sinnvollen und nachhaltigen Ausgleich der Ungleichgewichte gerichtet sind. Bei Defiziten in der wirtschaftlichen Entwicklung sollte ein Staat kurzfristig und zielgerichtet solche Fördermittel erhalten.
  • Eine abgestimmte Wirtschaftspolitik in der EU, die tendenziell ausgeglichene Leistungsbilanzen zwischen allen EU-Staaten zum Ziel hat. Überschussländer sollen dazu ihre Binnennachfrage stärken und Defizitländer grundsätzlich neben den europäischen Wachstumsprogrammen auch selbst die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verbessern. Im Sinne der Gemeinschaft muss es einen symmetrischen Ansatz beim Abbau makroökonomischer Ungleichgewichte für eine stabile Wirtschafts- und Währungsunion geben.
  • Der soziale Zusammenhalt in der EU ist trotz einer anhaltenden Finanzkrise zu stärken. Erforderlich sind eine soziale Fortschrittsklausel im Vertrag von Lissabon und ein sozialer Stabilitätspakt. Darin soll das Prinzip eines flächendeckenden Mindestlohns in den einzelnen Mitgliedsländern festgeschrieben werden, der sich am jeweiligen nationalen Durchschnittseinkommen orientieren kann. Darüber hinaus sollen Korridore für den Anteil der Sozial-, Bildungs- und Forschungsausgaben an den nationalen Bruttoinlandsprodukten verankert werden.
  • Der gesamte Prozess der verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung und damit auch die Etablierung und die Arbeit des geplanten Rettungsschirms ESM ist unter parlamentarische Kontrolle zu stellen und der jetzige rein intergouvernementale Ansatz schnellstmöglich durch die Gemeinschaftsmethode zu ersetzen.

Zusammen mit den Gästen der Fraktionssitzung, Dimitris Droutsat, griechischer Außenminister und Jean Asselborn, luxemburgischer Außenminster gab der Stellvertretende Fraktonsvorsitzende Axel Schäfer ein Pressestatement zum bevorstehenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 24./25. März 2011.

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