Der SPD-Entwurf zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drs. 17/13873), um unmittelbare Bürgerbeteiligung auf Bundesebene zu ermöglichen, ist an diesem Freitag im Plenum debattiert worden. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Die Zeit ist Reif für eine Erweiterung der Demokratie". Zu einem modernen Staat gehöre Teilhabe und Transparenz. „Viele Menschen fühlen sich von der Politik ausgeschlossen. Wir dürfen diese Menschen nicht verloren geben“, fügte Oppermann hinzu. Der Schweizer Volksentscheid, Managergehälter zu begrenzen, zeige die positive Wirkung von direkter Demokratie. „Da können wir von den Schweizern lernen“, so Oppermann. Auch in Deutschland seien viele Bürger daran interessiert, zwischen den Wahlen einzelne Sachentscheidungen der Bundesregierung mitzugestalten oder zu korrigieren. Denn die Form des Engagements habe sich gewandelt, nun sei Engagement eher punktuell und themenbezogen. Die Möglichkeit eines Volksentscheides werde auch die politische Kultur verändern. „Man muss den Willen des Volkes stärker im Auge behalten und früher den Dialog suchen", bekäftigte der Innenexperte. Die Regierung müsse stärker Überzeugungsarbeit leisten und sei gezwungen ihre Politik besser zu erklären. Der SPD-Abgeordnete konstatierte auch einen weiteren Effekt von direkter Demokratie: „Es geht nicht nur darum die Mitbestimmung des Volkes zu stärken, sondern auch die Mitverantwortung.“ Schließlich forderte er die Union auf, ihre Blockade aufzugeben. „Überwinden Sie endlich ihre Angst.“ Auch Dieter Wiefelspütz, Mitglied für die SPD im Innenausschuss des Bundestages, machte deutlich, dass die repräsentative Demokratie mit dem Antrag nicht in Frage gestellt werde. Aber: „Wir sollten gemeinsam dem Volk etwas zutrauen“. Der SPD-Abgeordnete erklärte: „Unsere Demokratie kann mit direkter Demokratie noch ein bisschen besser gemacht werden“.
Volksinitiative möglich machen
Die vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes orientiert sich mit einem dreistufigen Verfahren aus Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid an der Mehrheit der jüngeren, direktdemokratischen Regelungen einiger Bundesländer. Im Detail sieht der Entwurf folgende Regelungen vor: 100.000 Abstimmungsberechtigte können den Bundestag auffordern, sich mit einer Gesetzesvorlage oder einem anderen bestimmten Gegenstand der politischen Willensbildung zu befassen (Volksinitiative). Kommt innerhalb von einem halben Jahr kein Bundesgesetz oder Beschluss zustande, so kann ein Volksbegehren beantragt werden, das innerhalb von weiteren sechs Monaten mindestens eine Million Wahlberechtigte unterzeichnen müssen. Entspricht der Bundestag dem Volksbegehren innerhalb von sechs Monaten nicht, so findet ein Volksentscheid statt. Dabei entscheidet dann die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens müssen sich allerdings 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten beteiligen. Ergänzend werden die Anregungen aus der Wissenschaft aufgegriffen, und außer diesen Instrumenten der aktiven Gestaltung, quasi dem „Gaspedal“, soll auch das volksbegehrte Referendum eingeführt werden. Diese „Bremse“ ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern, den Parlamentsgesetzgeber zu korrigieren. Eine Million Abstimmungsberechtigte haben somit das Recht, ein vom Bundestag bereits beschlossenes Gesetz, dem Volksentscheid zu unterwerfen. Auch der Bundestag kann mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen, die Bevölkerung über ein Bundesgesetz abstimmen zu lassen (Parlamentsreferendum).
Umsetzung der direkten Demokratie in einfaches Recht
Parallel dazu hat die SPD-Fraktion eine weitere Vorlage (Drs. 17/13874) ins Parlament eingebracht. Der Entwurf eines Gesetzes über Abstimmungen des Bundesvolkes (Bundesabstimmungsgesetz) setzt die Grundgesetzänderung zur Einführung von direktdemokratischen Elementen auf Bundesebene in einfaches Recht um. Es regelt beispielsweise die Eintragungsverfahren und Fristen, die Gestaltung der Stimmzettel und die Abstimmungsprozesse, die Anhörungsrechte in Bundestag und Bundesrat, die Wahrung der Rechte und Interessen der Länder, den Rechtsschutz beim Bundesverfassungsgericht und den Datenschutz. Dabei richtet sich der Entwurf nach dem Vorbild der derzeit modernsten landesrechtlichen Regelung in der Freien und Hansestadt Hamburg, bezieht aber auch Erfahrungen der übrigen Bundesländer sowie ausländischer Rechtsordnungen ein.
Am Montag, 17. Juni (11.30-14.00 Uhr), findet das öffentliche Fachgespräch der SPD-Bundestagsfraktion „Mehr Mitsprache, bitte“ in Berlin statt. Es diskutieren u. a. Thomas Oppermann und Christine Lambrecht. Hier geht es zum Live-Stream.
Lina Beling