Während die Gewerkschaften bundesweit Protestaktionen gegen prekäre Beschäftigung durchführten, debattierte der Deutsche Bundestag am Donnerstagnachmittag über den Missbrauch der Leiharbeit. Auf der Tagesordnung stand die erste Lesung eines Gesetzentwurfs der Koalition, mit dem notwendige EU-Vorgaben umgesetzt werden sollen, sowie ein Antrag der SPD.
Die Debatte wurde zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition über das Thema „gleicher Lohn“. In den Verhandlungen zur Neuregelung der Grundsicherung konnte die SPD einen Mindestlohn für die Branche durchsetzen. Bei der Frage, ob Leiharbeitskräfte und Stammbelegschaften künftig gleich behandelt werden sollen, blieben Union und FDP dagegen bei ihrer Totalblockade.
Der Mindestlohn ist überfällig
„Wir dürfen es nicht zulassen, dass Zeit- und Leiharbeit das größte Scheunentor für Lohndumping wird“, forderte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil in der Debatte. Deshalb ist der Mindestlohn gerade in der Leiharbeitsbranche schon lange überfällig, um den schlimmsten Missbräuchen zu begegnen. Die Zeit drängt: Denn ab Mai 2011 gilt in Europa die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ohne Mindestlohn wird das Lohnniveau in Deutschland von Billiganbietern unterlaufen.
Im Rahmen der Verhandlungen zur Reform der Grundsicherung ist es der SPD gelungen, gegen den hartnäckigen Widerstand von Union und FDP einen echten Mindestlohn für die Leiharbeitsbranche durchzusetzen. Die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Anette Kramme erinnerte in der Debatte daran, dass sich die Koalition gerade mal auf einen „Referenzlohn“ einlassen wollte, der in der Wirklichkeit sogar hätte unterschritten werden können.
Am Ende war die SPD erfolgreich: Künftig bildet der jeweilige tarifliche Mindestlohn die absolute Lohnuntergrenze (ab 1. Mai 2011: 7,79 €/West, 6,89 €/Ost) und gilt nicht nur für die Zeit des Einsatzes beim entleihenden Unternehmen, sondern vor allem auch für die verleihfreie Zeit. Dadurch wird extremes Lohndumping in Zukunft verhindert.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Die Rednerinnen und Redner der SPD-Fraktion machten in der Bundestagsdebatte aber auch deutlich, dass es mindestens genauso wichtig ist, dass künftig alle Leiharbeitskräfte und die Stammbelegschaften gleich behandelt werden. Dazu gehört vor allem, dass das Prinzip „Gleiche Arbeit, gleiches Geld“ nach einer kurzen Einarbeitungszeit ohne Ausnahme gelten muss. Nur so kann erreicht werden, dass Beschäftigungsverhältnisse zweiter Klasse in der Leiharbeit endgültig der Vergangenheit angehören.
80 % der Menschen unterstützen diese Forderung. Umso absurder ist es, dass vor allem die FDP eine entsprechende gesetzliche Neuregelung zur Durchsetzung der Gleichbehandlung von Stamm-und Leihbelegschaften im Vermittlungsverfahren zur Reform der Grundsicherung vehement abgeblockt hat. Die FDP hat bis zuletzt darauf beharrt, gleichen Lohn erst nach 9 Monaten des Einsatzes einzuführen.
Diese Haltung ist zynisch: Gleicher Lohn erst nach 9 Monaten würde den allermeisten Leiharbeitnehmern überhaupt nicht helfen, weil sie meist viel kürzer eingesetzt werden. „Ihr Verhalten war schamlos und von Ignoranz gekennzeichnet,“ sagte Anette Kramme an die Adresse von Union und FDP gerichtet.
Die SPD hat sich in den Verhandlungen an dieser Stelle auf keinen faulen Kompromiss mit der FDP zu Lasten der Leiharbeitskräfte eingelassen. „Die deutsche Sozialdemokratie wird nicht eher ruhen, bis wir den Grundsatz ‚gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ durchgesetzt haben – für Männer und Frauen genauso wie in der Zeit und Leiharbeit,“ sagte Hubertus Heil.
Leiharbeitnehmer stärken
Anette Kramme bekräftigte außerdem weitere Forderungen, die die SPD-Fraktion in ihrem Antrag in den Bundestag eingebracht hatte. Dazu gehört vor allem, dass Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer mehr Mitbestimmungsrechte erhalten, grundsätzlich unbefristet beim Verleiher angestellt werden müssen und nicht länger als ein Jahr als Leiharbeitskräfte in einem Entleihbetrieb tätig sein sollen. Sofern der Arbeitskraftbedarf im Entleihbetrieb über ein Jahr andauert, müssten Leiharbeitnehmer einen Anspruch erhalten, dort eine Festanstellung zu bekommen, so Kramme.
Schwarz-Gelb: Interessenvertretung der Leiharbeitslobby statt der Leiharbeitnehmer
Der von Schwarz-Gelb vorgelegte Gesetzentwurf behebt (auch auf Druck der EU) einige der krassesten Missstände, sieht aber keine durchgreifenden Lösungen gegen den Missbrauch in der Branche vor.
Im jüngsten Vermittlungsverfahren zur Grundsicherung haben CDU/CSU und insbesondere die FDP mit ihrer Blockadehaltung bei der Lohngleichheit endgültig unter Beweis gestellt, dass ihnen die Interessen der Leiharbeitslobby wichtiger sind als die Interessen der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer.
Die SPD-Fraktion wird sehr genau darauf achten, dass der von der SPD erkämpfte, echte Mindestlohn für die Leiharbeit – ebenso wie die neu vereinbarten Mindestlöhne in der Weiterbildung und in der Sicherheitsdienstleistungsbranche – eins zu eins Gesetz werden.