Bundesverband der Musikindustrie zu SPD-Urheberrechtsthesen

Wenn keiner im Internet zahlt, gibt es auch nichts zu verteilen

In der Öffentlichkeit herrscht eine engagierte Debatte um das Urheberrecht. Neben Forderungen nach einer Kulturflatrate gibt es auch die Erwartung, alles im Netz kostenfrei zu machen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in Form von zwölf Thesen Stellung bezogen zu den offenen Streitpunkten und sucht nun mit Nutzern Urhebern und Verwertern im Dialog nach fairen Lösungen. In einer Reihe kommen auf spdfraktion.de Protagonisten aus allen beteiligten Bereichen zu Wort, für die das Urheberrecht eine wichtige Rolle in ihrem Schaffen spielt und die sich kritisch mit den SPD-Thesen auseinandergesetzt haben. Diesmal hat sich der Bundesverband der Musikindustrie (BVMI) mit den Vorschlägen auseinandergesetzt. Präzise und kritisch beantwortet Geschäftsführer Florian Drücke die Interviewfragen.

Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Musikindustrie
(Foto: Markus Nass)

Sollte im Internet alles kostenfrei für jedermann verfügbar sein, wie es einige vorschlagen?

Nein. Vor dem Hintergrund eines mittlerweile fest etablierten legalen Musikangebots im Internet ist das ein Aspekt in der Debatte, den ich für überkommen hielt. Alles umsonst im Internet, also ein Schlaraffenland, in dem Musik, Filme, Games, eBooks, aber gerne auch gedruckte Bücher, Vinyl-Schallplatten, Toaster oder Kaffeemaschinen, die man ja auch dort bestellen kann, gratis bereitstehen, klingt für mich eher nach einem Märchen, denn nach einem ernsthaften Vorschlag. Wie das wirtschaftlich funktionieren soll, müsste man mir genau erklären. Schließlich stehen hinter den Produkten und Services, die dort angeboten werden, reale Menschen, die Werte schaffen und Arbeitsleistungen erbringen, von der sie ja auch leben können müssen. Natürlich gibt es auch Gratisangebote im Internet, die funktionieren können, gerade die aktuelle Entwicklung im Zeitungsmarkt, der nach und nach von Free- auf Paid-Content umstellt, zeigt allerdings, dass Qualität ihren Preis hat und sich diese nur schwer allein über Werbung finanzieren lässt, zumal in der Ära der Ad-Blocker. Als Musikbranche setzen wir uns für eine digitale Ökonomie ein, in der nachhaltiges Wirtschaften möglich ist. Dafür braucht es natürlich die entsprechenden Rahmenbedingungen.

Dass dabei die Interessen der Rechteinhaber und Verbraucher sorgfältig ausbalanciert werden müssen, ist für uns selbstverständlich. Kritisch wird es aber dann, wenn z. B. Themen wie der „Wiederverkauf gebrauchter digitaler Dateien“ einseitig aus Verbraucherperspektive betrachtet werden. Gerade dieses Thema zeigt, dass sich die Lösungen aus der Offlinewelt nur bedingt auf die Onlinewelt übertragen lassen: Wer den Wiederverkauf von Musikdateien auf Basis technischer Vorrichtungen, mit denen das Entfernen der Originaldateien (angeblich) sichergestellt wird, fordert, ignoriert nicht nur die Diskussion der letzten Jahre um Softwarelösungen, mit denen sich ebensolche Vorrichtungen umgehen lassen, sondern fordert eigentlich harte DRM-Systeme, für die die Branche jahrelang kritisiert wurde - und die schlussendlich doch zu Gunsten der Verbrau-cher wieder vom Markt genommen wurden. Für mich sind solche Forderungen beispielhaft für eine Verbraucherzentrierung, die die berechtigten Interessen der Urheber und all derer, die neue Geschäftsmodelle am Markt schaffen, ignoriert.

Die SPD-Fraktion will den Urheber im Verhältnis zum Verwerter stärken und das Einkommen des Urhebers fair und angemessen gestalten. Wie kann das am besten geschehen, und wie könnte ein angemessenes Einkommen des Urhebers aussehen?

Um kurz noch bei der obigen Frage zu bleiben: Wenn keiner im Internet zahlt, gibt es ja auch nichts zu verteilen. Musikfirmen und Verwerter spielen als Partner der Kreativen zunächst einmal eine wichtige Rolle dabei, dass überhaupt Einkünfte generiert werden, wobei sich die Kreativen heute mehr denn je freiwillig ihre Partner am Markt suchen und jeweils individuelle Verträge mit ihnen abschließen. Dabei kommt schon lange nicht mehr „alles aus einer Hand“ – ganz im Gegenteil: Es steht jedem Kreativen offen, alles selbst in die Hand zu nehmen, die neuen digitalen Möglichkeiten lassen das zweifelsohne zu. Dass Verträge zwischen Künstlern und Firmen fair gestaltet sein sollten, ist selbstverständlich.

Die SPD-Fraktion lehnt eine Kulturflatrate als allgemeine Pauschale für jedermann ab, kann sich aber pauschale Vergütungsmodelle in Teilbereichen wie bspw. Musik und Film vorstellen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Der Vorstoß verwundert mich und scheint mir unausgegoren. Ist das wirklich die Mehrheitsmeinung der SPD? Es gibt mit rund 15 „Musikflatrates“ im Netz derzeit einen boomenden Wettbewerb von Anbietern, die zwischen 0 und 10 Euro im Monat den Zugriff auf mehr als 30 Millionen Songs ermöglichen. Ab gesehen davon, dass hier genau den Diensten, die wie so oft gefordert in den legalen Markt investiert und neue digitale Geschäftsmodelle geschaffen haben, die ökonomische Basis entzogen würde: Welchen Mehrwert sollte hier ein staatlich verordnetes pauschales Vergütungsmodell haben? Klingt, als hätten einige den Glauben an den legalen Markt im Internet verloren und suchten jetzt nach einem Ausweg, um komplizierte Fragen zu umschiffen.

Darüber hinaus gelten doch wieder die gleichen Einwände wie bei der Kulturflatrate: Wir sprechen hier über eine Zwangsabgabe, die pauschal für alle gelten würde, egal, ob und wie stark man Musik oder Filme überhaupt in Anspruch nimmt. Das wäre vom Prinzip her unfair, weil Verbraucher für etwas bezahlen, was sie gar nicht nutzen. Wenn im Internet Musik oder Filme bei Zahlung einer Pauschalabgabe frei verfügbar sind, gibt es für Konsumenten keinen Grund mehr, die bestehenden legalen, kostenpflichtigen Angebote zu nutzen. Die ohnehin schon risikoreichen Investitionen bleiben aus, weil man mit „kostenlos“ bzw. dann ja „pauschal abgegolten“ nicht konkurrieren kann. Kein Mensch kauft sich das U-Bahnticket, wenn er die Monatskarte schon hat.

Schlussendlich stellt sich die grundsätzliche Frage der Machbarkeit, an der ein derartiges Modell brechen würde: Weder die Frage nach der Höhe der individuellen Abgaben, noch nach der konkreten Verteilung der Einnahmen an die Kreativen und Firmen wurde bislang von den Befürwortern solcher Modelle zufriedenstellend beantwortet.

Eine Sperrung eines Internetanschlusses bei einer – bewusst oder unbewusst – begangenen Urheberrechtsverletzung betrachtet die SPD-Fraktion als nicht verhältnismäßig. Wie könnten Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums im Netz aussehen, ohne jedoch Kontrollmechanismen und -strukturen zu etablieren?

Wir haben bereits vor Jahren ein Warnhinweismodell vorgeschlagen, bei dem der Nutzer vor der ersten Abmahnung eine Warnung erhalten würde – erst bei wiederholtem Regelverstoß würde eine Abmahnung folgen. Da für ein solches Modell die gleichen Voraussetzungen gelten wie für die aktuellen Ermittlungsarbeiten bei der Abmahnung, wären keine weiteren Kontrollmechanismen notwendig. Wir glauben nach wie vor, dass die Einführung eines solchen Warnhinweismodells eine gute Form der individuellen Ansprache und Aufklärung wäre, mit der die Medienkompetenz der einzelnen Nutzer verbessert werden könnte, was ja auch ein erklärtes Ziel der Regierung ist. Mit der Initiative PLAYFAIR sind wir übrigens bereits in Vorleistung gegangen und haben unter www.playfair.org ein Gütesiegel ins Leben gerufen, mit dem sich die Verbraucher in der Fülle der neuen Angebote besser orientieren können. Ein Modell der Aufklärung, das sich auch für ein Engagement der Regierung anbieten würde.

Die Erfahrungen mit den Sharehostern kino.to und megaupload.com zeigen, dass Plattformbetreiber, deren Geschäftsmodelle auf die massenhafte Verletzung geistigen Eigentums ausgerichtet sind, schon heute wirksam bekämpft werden können. Wie sollten dennoch die Regelungen zur Verantwortlichkeit von Hostprovidern neu justiert werden? Sollten die inkriminierten Inhalte entfernt werden?

Beide Fälle zeigen doch gerade, wie schwierig es ist, die Hintermänner solcher Portale zu identifizieren, um dann überhaupt Strafanzeige erstellen zu können. In beiden Fällen sind Jahre vergangen, bis die Plattformen endlich geschlossen werden konnten, Jahre, in denen den Rechteinhabern Millionenschäden entstanden sind. Im Fall kino.to war das überhaupt nur möglich, weil die Betreiber aus Deutschland heraus agierten, was bei den wenigsten Plattformen der Fall ist. Einen Tag später ging übrigens gleich der Nachfolger von Kino.to live, der bis heute online ist. Im Fall Megaupload wage ich darüber hinaus zu bezweifeln, dass die deutsche Justiz einen ähnlichen Vorstoß gegen Kim Dotcom lanciert hätte wie die US-Justiz es in Neuseeland getan hat.

Warum es notwendig ist, die Haftungsfragen von Hostprovidern neu zu justieren? Weil hier Dienste auf Basis des geistigen Eigentums anderer Geschäfte machen, ohne diese an den Einnahmen zu beteiligen. Hierzu hat im Übrigen auch der BGH bereits im letzten Jahr – nach vielen Jahren der Unklarheit – klare Worte gefunden. So wurde im Fall Atari gegen Rapidshare verkündet, dass Host-Provider wie der Sharehoster Rapidshare die Verantwortung für ihr Geschäftsmodell übernehmen müssen, indem sie für eine substanzielle Eindämmung der zahlreichen Urheberrechtsverletzungen zu sorgen haben, die mittels ihrer Plattformen geschehen. Ein Urteil, das für uns in die richtige Richtung weist: Was wir brauchen ist eine klare Definition der Prüf- und Suchpflichten von Hostprovidern, die nachhaltig dazu beitragen müssen, dass auf deren Plattformen in Zukunft Urheberrechtsverletzungen verhindert werden. Je klarer das ist, desto besser können sich alle verhalten.

Wie machtlos Polizei und Staatsanwaltschaft der organisierten Kriminalität im Netz gegenüberstehen, zeigt übrigens aktuell das Beispiel BoerseBZ, das nach eigenen Angaben 2,6 Millionen Kunden hat und bezahlte Services von 5 bis 100 Euro (als Jahresabo) anbietet - selbstverständlich ohne die Berichtigten an den Einnahmen zu beteiligen. Dadurch, dass die Seite in Belize angemeldet ist und dieser Staat wie so viele andere den Domainbetreiber nicht herausgibt, laufen jegliche Anstrengungen, gegen den Dienst vorzugehen, ins Leere. Ein Fall der zeigt, dass nicht nur die internationale Zusammenarbeit verbessert werden muss, sondern die Frage der Verantwortung aller im Netz handelnden Parteien, inklusive der Registrare solcher Domains, grundsätzlich neu beleuchtet werden muss.

Abschließend sollte es nicht nur aus urheberrechtlichen Gründen ein Ziel der Politik sein, illegale Quellen im Internet trocknen zu legen, sondern auch aus Gründen des Jugend- oder Persönlichkeitsschutzes, die bei den entsprechenden Angeboten komplett ausgehebelt sind. 

Wie ist Ihre Meinung zu dem Papier „Zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ der SPD-Fraktion insgesamt? Haben Sie darüber hinaus Anregungen?

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die SPD hier eine offene Debatte mit allen Beteiligten geführt hat und tragen gerne dazu bei. Während einige Punkte durchaus zu begrüßen sind, bereitet uns vor allem die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im Netz Sorge, die auch nach dem 2013 verabschiedeten „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ weiter möglich bleiben muss. Letztlich muss es insgesamt darum gehen, auf rechtliche Fragen rechtliche Antworten zu geben, und nicht nur politische.

Mehr zum Verband der Musikindustrie: www.musikindustrie.de.

Das Interview führte Alexander Linden

Kreativität ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts! Künstlerinnen und Künstler aus allen Bereichen machen sich stark für eine bessere soziale Absicherung, ein modernes Urheberrecht und kulturelle und wirtschaftliche Förderung. Gemeinsam unterstützen sie den Kreativpakt der SPD-Bundestagsfraktion.

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