Zu der Konferenz haben der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier und der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel den Entwurf eines Positionspapiers der Sozialdemokraten als Diskussionsgrundlage vorgelegt.
SPD stimmt ISAF-Mandatsverlängerung nicht automatisch zu
Die Mandatsverlängerung der Bundeswehr sei für die SPD kein Automatismus, stellte Sigmar Gabriel zu Beginn der Konferenz fest. Die Sozialdemokraten würden immer wieder „die Situation vor Ort, Fortschritte und Rückschritte in der Entwicklung“ beurteilen und müssten dies zum Maßstab der Rechtfertigung und Sinnhaftigkeit der deutschen Beteiligung an diesem internationalen Einsatz machen.
Kaum eine Entscheidung eines Abgeordneten im Deutschen Bundestag sei so sehr eine Gewissensentscheidung wie die Abstimmung über den Einsatz militärischer Gewalt. Es sei eine Entscheidung über Leben und Tod deutscher Soldaten, ziviler Helfer und ihrer Verbündeten sowie auch vieler Menschen in der afghanischen Bevölkerung.
Strategie-Wechsel der Bundesregierung von Anfang 2010 trägt Handschrift der SPD
Gabriel erinnerte in seiner Rede daran, dass das, was die SPD Anfang 2010 in der Debatte eingefordert hatte, mittlerweile die reale Beschlusslage in vielen Staaten geworden sei, die am Einsatz in Afghanistan beteiligt sind. Obwohl die Forderungen der Sozialdemokraten zunächst umstritten waren und von Teilen der Bundesregierung als abwegig kommentiert wurden. Dazu gehören:
- Die Konzentration auf die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte (Armee und Polizei) und die schrittweise Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Verantwortlichen in und aus Afghanistan.
- Die Erhöhung der Mittel für den zivilen Ausbau.
- Der Beginn der Truppenreduzierung ab 2011.
- der Abzug der internationalen Streitkräfte im Zeitkorridor von 2013 bis 2015.
Die Bundesregierung hätte schließlich nicht anders gekonnt, als sich diesem Fahrplan anzuschließen. Mittlerweile hat die NATO auf ihrem Gipfel im November das Jahr 2014 für den Abzug der Kampftruppen festgelegt.
Bundesregierung soll bei Beginn Truppenabzugs in 2011 bleiben
Die Bundesregierung würde aktuell wieder Unklarheiten darüber zulassen, wann Deutschland mit einem verantwortungsvollen Rückzug deutscher Soldaten und Soldatinnen beginnen wolle, sagte Gabriel. Die SPD fordere, dass die Bundesregierung bei ihrer Aussage von Anfang 2010 bleibe, den Abbau des Bundeswehr-Kontingents 2011 zu beginnen und 2014 die Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung zu übergeben. Auch der am 13. Dezember vorgelegte Fortschrittsbericht Afghanistan der Bundesregierung bleibe in diesen Fragen als Schlussfolgerung aus der dort gezogenen Bilanz vage.
Entwurf des SPD-Positionspapiers stellt sich Verantwortung
Im Positionspapierentwurf von Steinmeier und Gabriel bekennt sich die SPD zu ihrer Verantwortung für Afghanistan und seine Bevölkerung. Von der Bundesregierung wird erwartet, dass sie sich an ihre Zusagen hält und ihren Einfluss international geltend macht, um das internationale Afghanistan-Engagement zum Erfolg und den militärischen Einsatz im international vereinbarten Zeitrahmen zum Ende zu führen. Die Bundesreigerung wird im Positionspapierentwurf u.a. aufgefordert:
- Die Mittel für den zivilen Aufbau auf dem erreichten Niveau fortzuschreiben.
- Die afghanische Regierung beim Aufbau der nationalen und regionalen Verwaltung und bei der Korruptionsbekämpfung stärker zu unterstützen.
- Keine Änderungen am ISAF-Mandat und der Struktur des deutschen Kontingents vorzunehmen, die die Neuausrichtung des militärischen Engagements auf Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte in Frage stellt. Eine Erhöhung des Kontingents wird abgelehnt.
- Die Reduzierung der deutschen Truppen 2011 zu beginnen und den Bundeswehreinsatz im Rahmen von ISAF im Zeitrahmen 2014 zu beenden
SPD diskutiert offen mit Expertinnen und Experten sowie Interessierten
Fraktion und Parteivorstand hatten zu ihrer Konferenz zahlreiche Expertinen und Experten sowie Interessierte geladen. Die afghanische Parlamentsabgeordnete Dr. Gulali Noor Safi, Mitglied im von der afghanischen Regierung berufenen Hohen Friedensrat, berichtete über die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan. An der Podiumsdisussion unter Leitung des stellv. Fraktionsvorsitzdenden Gernot Erler nahmen der Sonderbeauftragte der Bundesregierung Botschafter Michael Steiner, der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr Generalleutnant Rainer Glatz, Ulrich Post vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) und Dr. Citha Maaß, Afghanistan-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) teil.
Situation in Afghanistan offen und kontrovers diskutiert
Die offene und teilweise kontroverse Diskussion machte deutlich, dass in Afghanistan noch viel zu tun bleibt, um den großen Herausforderungen wie der grassierenden Korruption, der Sicherheitsbedrohung durch Taliban und andere Aufständische sowie der Opiumwirtschaft zu begegnen. Dabei wurden auch Fehler im Afghanistan-Engagement in der Vergangenheit auf Grund falscher Einschätzungen offen angesprochen.
Steinmeier: Afghanistan-Einsatz verlangte Lernprozesse - Kritik an Bundesregierung
Frank-Walter Steinmeier bewertete die mehr als vierstündige intensive Debatte positiv. Sie sei keine schlichte Pro-Contra-Diskussion gewesen, sondern sehr differenziert geführt worden. Er wies darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft beim Afghanistan-Einsatz Neuland betreten habe und deshalb keine „Blaupause“ für den Einsatz in Afghanistan gehabt habe. In den zurück liegenden Jahren habe man sich Lernprozessen unterziehen müssen, immer wieder seien Neujustierungen des Einsatzes notwendig gewesen. Steinmeier betonte, dass die SPD mit der Forderung nach einem Beginn des Abzuges der Bundeswehr in 2011 und einer Beendigung der Beteiligung an Kampfeinsätzen im Korridor zwischen 2013 und 2015 zu Beginn des Jahres offenbar eine realistische Einschätzung der Lage gehabt habe. Inzwischen sei dieser Zeitrahmen internationaler Konsens. Er kritisierte das mangelnde Engagement der Bundesregierung in der Frage, wie das Regime für Afghanistan für die Zeit nach 2014 aussehen müsse. Deutschland müsse mit seinen Partnern dafür sorgen, dass die Region ein gemeinsames Interesse an einem Frieden in Afghanistan habe.
SPD steht zur Verantwortung für Afghanistan - Zustimmung zur Mandatsverlängerung hängt von Regierung ab
Die SPD habe sich Außenpolitik nie einfach gemacht und als richtig erkannte Entscheidungen auch gegen Widerstände vertreten. „Wir stehen zu unserer Verantwortung, den Einsatz in Afghanistan zu einem geordneten Ende zu führen. Ob die Zustimmung zum neuen ISAF-Mandat der Bundesregierung möglich ist, das hat die Regierung in der Hand – wir werden den Text genau lesen,“ schloss Steinmeier.
Auzeichnung der Afghanistan-Konferenz, Teil 1
Auzeichnung der Afghanistan-Konferenz, Teil 2