Dies war eine der zentralen Aussagen von Frau Prof. Allmendinger. Sie schlug diese durchschnittliche Lebensarbeitszeit als Vollzeitmodell bei gleichem Arbeitsgesamtvolumen vor. Das würde bedeuten, dass Männer weniger arbeiten und Frauen (wie überwiegend gewünscht) länger pro Woche arbeiten könnten. Dadurch würden erhebliche Freiräume für Familienpausen, Fortbildungen oder kreative Auszeiten möglich.

Zunächst beschrieb sie in ihrem Vortrag die derzeitige Lage. Diese werde durch drei Mega-Trends gekennzeichnet:

  1. Bevölkerungsentwicklung. Hier stellte sie vor allem die Überalterung der Gesellschaft in den Vordergrund.
  2. Der Wandel auf dem Arbeitsmarkt. Jobgewinne werden in Zukunft überwiegend bei wissensorientierten Dienstleistungen generiert. Da hier allerdings mehrheitlich Frauen beschäftigt sind, müssen in Zukunft Männer in diesen Bereichen verstärkt qualifiziert werden.
  3. Eine wesentliche Verbesserung des Bildungssystems ist notwendig. Heute kommen pro Jahr 1,5 Mio. Jugendliche ohne Bildungsabschluss auf den Arbeitsmarkt. Diese erst hier abzufangen ist wesentlich teurer, als frühzeitig in Bildung zu investieren. Dies könne man sich in Zukunft nicht mehr leisten, weder finanziell noch sozial. Ein weiterer Punkt ist die Tatsache, dass Frauen besser ausgebildet sind als Männer, dies spiegelt sich jedoch nicht in der Arbeitsrealität wieder. Hier werde ein Potenzial verschenkt, das bei dem zu erwartenden Rückgang der Arbeitsbevölkerung, nicht hinzunehmen ist. Um künftig bessere Aussagen über die Fähigkeit von Jugendlichen machen zu können, müsse neben den Zertifikaten und kognitiven Kompetenzen unbedingt auch die sozialen Kompetenzen in die Untersuchungen mit ein bezogen werden. Gerade die sozialen Kompetenzen werden in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Weiterhin stellte Frau Prof. Allmendinger fest, dass der Frauenanteil in Führungsetagen seit Jahren konstant verläuft. Eine Besserung sei hier nicht in Sicht. Auch bei der Bezahlung sei in den letzten Jahren kein Fortschritt zu verzeichnen. Das Gender-Wage-Gap hat Bestand. Je länger Männer arbeiten, umso mehr Geld verdienen sie. Frauen hingegen stagnieren, trotz einer vergleichbar langen Arbeitsphase recht früh beim Einkommenszuwachs. Dabei ist die Erwerbsorientierung bei Frauen enorm hoch: Frauen wollen arbeiten (laut SOEP). Als lohnendes Beispiel bietet sich Finnland an. Dort arbeiten 61 Prozent der Paare mit Kindern Vollzeit, in Deutschland sind es gerade mal 19 Prozent. Als einen der Hauptgründe für die geringe Berufstätigkeit von Müttern sieht sie die unzureichenden Betreuungsmöglichkeiten von Kindern unter drei Jahren an. Es gäbe zu wenig Plätze und wenn es Plätze gibt, sind diese oft nicht den Arbeitszeiten einer Vollzeitstelle angepasst. Das gleiche Problem setzt sich bei der nicht ausreichenden Anzahl an Ganztagsschulen fort. Es besteht daher ein ungenutztes Potenzial für den Arbeitsmarkt von 5,6 Mio. Frauen, die nicht erwerbstätig sind. Darunter sind vor allem Mütter mit Kindern unter drei Jahren. Sie stellte bei der Beschreibung der Lage abschließend fest, dass es ihr darum gehe, das bestehende Arbeitsvolumen gerecht zu verteilen. Ihr Ziel sei es nicht, Frauen zusätzlich in den Arbeitsmarkt zu bringen, sondern dass Frauen und Männer gleiche Arbeitsvolumen inne haben. Sie sieht dabei eben keine Wachstumsförderung durch eine Erhöhung der Beschäftigung von Frauen.

Gerade zum letzten Punkt hatte die Union in einem sehr zynischen Ton als Frage an Frau Allmendinger formuliert: Ob denn Bündnis90/Die Grünen einer höheren Erwerbsquote von Frauen zustimmen könnten, da diese ja gerade sehr kritisch zum Wachstum stünden. Auch die Obfrau der FDP fragte, ob Frauen überhaupt in Führungspositionen gehen wollten, oder sich dies nur nicht zutrauen würden. Frau Prof. Allmendinger räumte dieses Märchen mit der, durch wissenschaftliche Befragungen fundierten Argumentation ab, dass Frauen sich den gegeben Rahmenbedingungen – mangelnde Kinderbetreuung, Familienarbeit, vorherrschendes traditionelles Rollenverständnis etc. - anpassen müssen und daher kaum Chancen haben, in Führungsjobs zu gelangen. Insgesamt fiel bei den Einlassungen der Koalition, insbesondere der Union, auf, dass es nur wenig Interesse daran gab, am traditionellen Rollenverständnis der 50er und 60er Jahre zu rütteln. Dass das Thema auf der konservativen Seite kein großes Interesse erzeugt, sah man auch daran, dass der Obmann der Union gar nicht erst zur Sitzung erschien.

Letztendlich nimmt die SPD aus der äußerst informativen Anhörung von Frau Allmendinger die folgenden Handlungsfelder aus dieser Sitzung mit:

  1. Wir müssen frühzeitiger in die Bildung der Kinder investieren. Diese Ansicht von Frau Allmendinger muss in dem Kapitel „Nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik“ des Endberichts wieder auftauchen und mit Maßnahmen unterlegt werden. Dazu gehört der unter Rot-Grün begonnene quantitative und qualitative Ausbau der Kinderbetreuung sowie die Ausweitung der Ganztagsschulangebote. Dabei ist ein kooperativer Föderalismus in Bezug auf den Bildungssektor zu überlegen.
  2. Wir müssen die Arbeitszeit gerechter verteilen. Eine Empfehlung einer durchschnittlichen Lebensarbeitszeit beider Geschlechter als Vollzeit von 30 Std pro Woche bei gleichem Arbeitsgesamtvolumen wird sicher an dem Votum der Union und FDP scheitern, aber dennoch muss intensiver diskutiert und näher beleuchtet werden. Zudem müssen wir Vorschläge zu einer neuen Kultur von Arbeitsplätzen kommen. Anwesenheit = Produktivität, diese Formel ist nicht mehr angepasst an die gegebenen Umstände.
  3. In unserem derzeitigen Steuerrecht lohnt sich die Arbeit von den meist geringer verdienenden Ehefrauen nur sehr selten. Das dafür verantwortliche Ehegattensplitting gehört daher auf den Prüfstand. Auch die beitragsfreie Mitversicherung der Ehefrau erhöht finanziell gesehen die Barriere der Erwerbstätigkeit von Frauen.

Die Präsentation von Frau Prof. Allmendinger finden Sie hier.