Das von der EU-Kommission vorgelegte Weißbuch „Agenda für angemessene, sichere und tragfähige Renten“ ist eine Enttäuschung, da die in dem Konsultationsprozess zu dem Grünbuch ein­gebrachten Vorschläge nur unzureichend aufgegriffen worden sind. Die Forderung, der demografischen Entwicklung durch eine an die Stei­gerung der Lebenserwartung gekoppelte Erhöhung des Rentenalters Rechnung zu tragen, bwerten wir negativ, erklären Anette Kramme und Anton Schaaf.

 

Das von der EU-Kommission vorgelegte Weißbuch ist eine Enttäuschung, da die in dem Konsultationsprozess zu dem Grünbuch eingebrachten Vorschläge nur unzureichend aufgegriffen worden sind. Weiterhin richtet die Kommission ihr Hauptaugenmerk auf die Reduzierung der öffentlichen Ausgaben für die Alterssicherung, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und den Abbau staatlicher kollektiver Sicherungssysteme zugunsten privater individueller Altersvorsorge.

 

Die Forderung, der demografischen Entwicklung durch eine an die Steigerung der Lebenserwartung gekoppelte Erhöhung des Rentenalters Rechnung zu tragen, ist dabei aus zwei Gründen negativ zu bewerten:

 

  • Einerseits unterschätzt eine rein biologisch-demografische Sicht die Bedeutung von steigender Erwerbsbeteiligung, Kapitalakkumulation und Produktivitätssteigerung. So konnte in der Bundesrepublik der 1950/60 Jahre trotz eines ungleich stärkeren demografischen Wandels, als er für die Zukunft zu erwarten ist, eine Anhebung des Leistungsniveaus der Rentenversicherung erfolgen.
  • Andererseits ist es unter demokratischen Gesichtspunkten abzulehnen, dass Parlamente ihren Entscheidungsmöglichkeiten entbunden werden, indem eine technokratische "Sachzwang-Logik" implementiert wird.

 

Zu kritisieren ist insbesondere, dass das Weißbuch sich nahezu ausschließlich auf den Aspekt der Kostenreduktion beschränkt. So hat die Kommission weder eine Strategie zur Bekämpfung von Altersarmut parat, noch stellt sie sich die Frage, was ein "angemessenes" Leistungsniveau für langjährig Beschäftigte darstellen soll.

 

Auch werden von der Kommission die Ergebnisse der Bemühungen in den Mitgliedsstaaten nicht ausreichend reflektiert. So wird Deutschland von der EU-Kommission zwar bescheinigt, durch die durchgeführten Reformen, die stabile Beitragssätze und ein lebensstandardsicherndes Gesamtversorgungsniveau über ein Drei-Säulen-Modell gewährleisten sollen, einen Großteil der Anforderungen für ein stabiles Alterssicherungssystem mittlerweile zu erfüllen. Trotzdem befürchtet die Kommission generell eine finanzielle Überforderung der Mitgliedsstaaten, wenn die öffentlichen Ausgaben für die Alterssicherung weiter wachsen sollten.