In einem Artikelgesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben und zur Änderung steuerlicher Vorschriften, setzt sich die schwarz-gelbe Koalition erneut über gravierende Bedenken der Sachverständigen hinweg. Außerdem beschert sie Bund, Ländern und Gemeinden zusätzliche Steuerausfälle in Höhe von 1,7 Milliarden Euro, kritisiert Sabine Bätzing.

 

Der unspektakuläre Titel verdeckt die Tragweite des Artikelgesetzes, mit dem sich CDU/CSU und FDP - wie schon bei der Umsatzsteuerermäßigung für Beherbergungsleistungen - über gravierende Bedenken der Sachverständigen ebenso hinwegsetzen wie über zahlreiche Änderungsvorschläge der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat.

 

Die Einschränkung der Umsatzsteuerfreiheit von Post-Universaldienstleistungen wird einschneidende negative Konsequenzen für den deutschen Postmarkt haben. Die steuerliche Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, die durch Entgeltumwandlung finanziert werden, schwächt den dringend notwendigen Aufbau der betrieblichen Altersversorgung. Und die Rücknahme weiterer Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Unternehmenssteuerreform 2008 beschert Bund, Ländern und Gemeinden zusätzliche Steuerausfälle in Höhe von 1,7 Milliarden Euro/Jahr.

 

Nach der Liberalisierung des deutschen Postmarktes besteht unstreitig gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Bereich des Post- wie des Steuerrechts. Die Ausdehnung der geltenden Umsatzsteuerbefreiung auf alle Unternehmer, die sich verpflichten, die Gesamtheit oder Teile des Post-Universaldienstes in Deutschland flächendeckend anzubieten, ist europarechtlich zwingend und deshalb uneingeschränkt zu begrüßen. Allerdings wurde spätestens in der Anhörung des Finanzausschusses erkennbar, dass die im Wettbewerb mit der Deutsche Post AG stehenden Anbieter weder an einer Erbringung des Universaldienstes noch an der dafür gewährten Steuerfreiheit interessiert sind. Ihr offen formuliertes Ziel ist, die Umsatzsteuerfreiheit in einem ersten nationalen Schritt auf die Privatkundenpost zu beschränken. Anschließend soll die schwarz-gelbe Bundesregierung in Brüssel auf eine Änderung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie dringen, um künftig sämtliche Postdienstleistungen umsatzsteuerpflichtig zu machen.

 

Nicht verwundern kann es daher, dass CDU/CSU und FDP den Umfang der Steuerfreiheit in zweifacher Hinsicht einschränken, was die Sachverständigen fast einhellig als gemeinschaftsrechtswidrig ablehnten. Für Universaldienstleistungen, die der deutsche Gesetzgeber über das nach EU-Postrecht zwingende Mindestangebot hinaus festlegt, soll die Steuerbefreiung entfallen. Dies betrifft beispielsweise den Versand von Paketen zwischen zehn und zwanzig Kilogramm. Andererseits soll die Steuerfreiheit auf Universaldienstleistungen begrenzt werden, die "für den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushalts bestimmt sind", wodurch insbesondere Massensendungen steuerpflichtig werden. Die Koalition ignoriert damit die Notwendigkeit einer leistungsfähigen flächendeckenden Postinfrastruktur für die postalische Grundversorgung aller Nutzer, also auch der Unternehmen, Behörden und gemeinnützigen Körperschaften. Gerade letztgenannte Absender, die regelmäßig auf eine bundesweite Zustellung angewiesen sind, werden zum Juli 2010 mit drastischen Preissteigerungen konfrontiert werden.

 

Wie die Bundesregierung unter diesen steuerlichen Rahmenbedingungen künftig den Post-Universaldienst in Deutschland im Sinne auch des Artikel 87f des Grundgesetzes gewährleistet kann, bleibt das Geheimnis von CDU/CSU und FDP. Die SPD-Bundestagsfraktion wird jedenfalls genau beobachten, ob den Einschränkungen der steuerlichen Förderung als nächster - quasi folgerichtiger - Schritt ein Versuch der schwarz-gelben Koalition folgen wird, die Qualitätsanforderungen der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) auf das Privatkundensegment zu begrenzen.

 

Im Übrigen setzt die Union ihre Taktik fort, missliebige Teile der in der Großen Koalition gemeinsam mit der SPD beschlossenen Unternehmenssteuerreform 2008 wieder rückgängig zu machen. Dies betrifft erwartungsgemäß die Maßnahmen zur Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und damit die Gegenfinanzierung der damaligen Senkung des Körperschaftsteuersatzes. Mit dem vorliegenden Gesetz werden die Unternehmen im Umfang von jährlich 1,7 Milliarden Euro entlastet, wovon mehr als 650 Millionen Euro/Jahr Mindereinahmen auf die kommunalen Haushalte entfallen. Allerdings bestreitet die schwarz-gelbe Koalition vehement die Aufkommenswirkung ihrer Neuregelungen der Besteuerung der Funktionsverlagerung und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei Leasing und Factoring und erklärt die kommunalen Spitzenverbände damit insoweit für unglaubwürdig.

 

Die Vertreter der Regierungsfraktionen hatten keine Bedenken, diese Rechtsänderungen erst zur Anhörung des Finanzausschusses in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Im Gegensatz dazu verwies man die SPD-Bundestagsfaktion hinsichtlich ihrer - vom Bundesrat unterstützten - Forderung nach einer Rechtsänderung zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung im Schrott- und Altmetallhandel sowie im Gebäudereinigungshandwerk auf ein späteres Gesetzgebungsvorhaben.

 

Nur erwähnt sei abschließend noch, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH die Abziehbarkeit von Spenden an gemeinnützige Einrichtungen in anderen EU-Mitgliedstaaten regelt. Allerdings nur materiell, wie sie auf nachdrückliche Kritik des Bundesrates an der fehlenden "Praxistauglichkeit" zugab und auf kommende Erörterungen mit den Landesfinanzbehörden über Verfahrensregelungen verwies.

 

Seriöse Gesetzgebung sieht anders aus.