Warum ist Obama bei den Deutschen so beliebt?

Steinmeier: Die Deutschen lieben ihn, weil er Amerika nach den Bush-Jahren wieder zur Weltgemeinschaft hin geöffnet hat. Er steht für ein selbstbewusstes und friedliebendes Amerika, dass seine Verantwortung für und seine Rolle in der Welt kennt und wahrnimmt. Für Amerika ist er der richtige Präsident, weil er alles dafür tut, die soziale und gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.

Der US-Präsident ist noch nicht zum Staatsbesuch in Deutschland gewesen. Rechnen Sie damit, dass er noch vor der Bundestagswahl kommt?

Steinmeier: Frau Merkel tut sich schwer mit unseren wichtigsten internationalen Verbündeten. Das gilt für Obama genauso wie für Hollande. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein amerikanischer Präsident in einer ganzen Legislatur nicht die deutsche Hauptstadt besucht hat. Die Beziehungen zwischen Washington und Berlin dürfen sich nicht dauerhaft abkühlen. Wir werden uns nach einer Regierungsübernahme deshalb aktiv um eine Verbesserung der Beziehungen bemühen.

Die Koalition hat sich zusammengerauft. Hat die SPD jetzt Angst vor einer wiedererstarkten schwarz-gelben Koalition?

Steinmeier: Ich habe die Zahl der Neustarts dieser Chaostruppe nicht mitgezählt. Fest steht nur: Auch dieser ist nicht geglückt. Der Unterschied zu den vorherigen ist nur: Es war der letzte, der möglich war. Das war ein schwarzer Sonntag für die Koalition. Es gab nur Minimalkompromisse bei den Ladenhütern. Und selbst die haben schon nach wenigen Stunden wieder Streit verursacht.

Die Bundesregierung will schon 2014 einen ausgeglichen Haushalt schaffen. Das ist doch gut.

Steinmeier: Brauchen Sie mich noch als Interviewpartner, wenn Sie Ihre Fragen selbst beantworten?

Ihre Meinung interessiert uns schon.

Steinmeier: (lacht) Okay. Diese Koalition hat sich acht Monate Zeit genommen, bevor sich der Koalitionsausschuss zusammengesetzt hat. Aber auch diese Zeit hat nicht gereicht, dass über Wahlgeschenke zumindest in Anwesenheit des Finanzministers beraten wird. Nach drei Jahren mit Rekordsteuereinnahmen ist die Verschiebung des Ziels, einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen, ein jämmerliches Zeugnis.

Bei Ihren Rentenplänen hätte auch eine SPD-Regierung Schwierigkeiten, den Haushalt zu konsolidieren.

Steinmeier: Einen ausgeglichenen Haushalt schafft man nicht ohne Haushaltsdisziplin, aber auch nicht allein durch fantasieloses Kürzen. Mutige Reformen zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung Anfang des letzten Jahrzehnts waren der entscheidende Beitrag der Sozialdemokratie dafür, dass Deutschland sich vom Schlusslicht der europäischen Wachstumstabelle wieder nach vorne gearbeitet und die Grundlage für die hohen Steuereinnahmen von heute geschaffen hat. Dass wir über einen ausgeglichenen Haushalt überhaupt realistisch reden, ist Folge von SPD-Politik. Kanzlerin Merkel hat sich einfach an den gedeckten Tisch gesetzt und verfrühstückt jetzt die Vorräte, ohne Neue anzulegen.

Freuen Sie sich über die Abschaffung der Praxisgebühr?

Steinmeier: Genau dies hatten wir in der letzten Sitzungswoche des Bundestags beantragt. Damals wurde es von den Koalitionsfraktionen abgelehnt. Dass sich Union und FDP zehn Tage später doch dafür entscheiden, ist erstaunlich aber richtig.

Wird die SPD also die Abschaffung der Praxisgebühr im Bundestag und im Bundesrat mittragen?

Steinmeier: Die Abschaffung der Praxisgebühr ist bei uns unumstritten. Deshalb werden wir ihr auch zustimmen.

Hat die SPD eine Strategie, wie sie Merkel schlagen kann?

Steinmeier: Über Strategie redet man nicht, man hat sie. Und auf letzteres können sie sich verlassen. Die Entscheidung für den Kandidaten Peer Steinbrück verändert die Auseinandersetzung. Die Union ist spürbar nervös. Die persönlichen Angriffe gegen Steinbrück sind ein Beleg dafür. Ich bin sicher, diese Regierung Merkel wird ihren Dauerstreit und ihre alltägliche Lethargie nicht die nächsten zehn Monate hinter dem Vorhang der europäischen Krise verstecken können.

Angela Merkel ist als Krisenmanagerin populär. Will die SPD die Kanzlerin trotzdem direkt angreifen?

Steinmeier: Es muss klar werden, dass Frau Merkel nicht Präsidentin dieser Republik, die mit dem Rest der Regierung nichts zu tun hat. Sie trägt als Chefin dieses Kabinetts die Verantwortung für das tägliche Geschacher und den Kuhhandel in der Koalition. Das werden wir in gebotener Schärfe und Tonart formulieren. nach meiner Erfahrung geht das, ohne den täglichen Rückgriff in die Schlachthof-Rhetorik.

Schadet die Debatte über Steinbrücks Nebentätigkeiten der SPD?

Steinmeier: Was da gerade passiert, ist heuchlerisch und infam. Peer Steinbrück hat aus eigener Initiative alle Nebeneinkünfte aus seiner Vortragstätigkeit offen gelegt und geht damit weit über das hinaus, was Union und FDP sich zutrauen. Und dass sich seine Bücher gut verkaufen, kann nun wirklich kein Vorwurf sein. Im Gegenteil: Es zeigt doch, dass die Leute wissen wollen, was er zu sagen hat. Und das ist gut so.

 Sin d Sie eigentlich befreu ndet mit Peer Steinbrück?  

Steinmeier: Ja.