Stimmt es, dass die deutsche Regierung einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone für verkraftbar hält?

Es gibt keinen Kurswechsel der deutschen Regierung. Wir stehen solidarisch zu Grie­chenland. Es gibt Verabredungen und Verträge mit Griechenland, denen wir uns ver­pflichtet fühlen. Das gleiche gilt natürlich auch für die griechische Seite, die unabhän­gig von Wahlen und Folgen für die Zusammensetzung von Regierungen an die Abma­chungen gebunden ist.

Tsipras will keine Abkommen mit der Troika mehr, er will über die Schulden neu verhandeln. Glauben Sie, man kann darüber diskutieren, falls er Premierminister wird?

Wir werden uns nicht in den griechischen Wahlkampf einmischen. Erst einmal sollten wir anerkennen, was Griechenland bereits alles geleistet hat. Jetzt sollte im Vorder­grund stehen, wie wir Griechenland ermutigen und seiner Bevölkerung etwaige Ängste vor Reformen nehmen. Die griechische Wirtschaft muss wieder flott gemacht, der Staat weiter modernisiert, Strukturreformen konsequent durchgeführt und dabei die soziale Balance gewahrt werden. Die Menschen in Griechenland brauchen jetzt Jobs und Perspektiven!  Ich habe auch den Eindruck, dass alle entschlossen sind, vor allem den Kampf gegen die viel zu hohe Jugendarbeitslosigkeit aufzunehmen. Hierzu stehen die EU und auch Deutschland weiterhin als Partner bereit.

Aber viele deutsche Politiker, auch Vizekanzler Gabriel, sagen, "die EU ist nicht mehr erpressbar" und unterstellen damit, dass man heute Griechenland ausschließen könne. Teilen Sie diese Meinung?

Es geht um Verlässlichkeit. Wir sollten deutlich machen, dass die Fortsetzung der Reformpolitik in Griechenland den Weg ebnet zu wirtschaftlicher und sozialer Stabilität.  Vor dem, was in Griechenland bereits erreicht wurde, kann ich nur den Hut ziehen.  Ich wünsche mir, dass alle Euro-Partner den schwierigen Weg aus der Krise auch weiter­hin gemeinsam gehen. Mit den europäischen und internationalen Partnern wird Grie­chenland am besten aus der Krise kommen. Es liegt in unserem gemeinsamen  Inte­resse, das fortzuführen.

Alexis Tsipras wird sehr oft als Populist bezeichnet. Aber glauben sie nicht, dass er der letzte ist, mit dem man noch reden kann? Danach gibt es nur noch Marine Le Pen und Be­wegungen, die klare Absagen an Euro und Europa ausdrücken. Wäre es nicht klug, einen Dialog zu versuchen, auch um die Austerität vielleicht infrage zu stel­len?

Niemand schließt  Alexis Tsipras von Gesprächen aus, ich selbst habe mit ihm gere­det und Gesprächen beigewohnt zwischen unserem Bundespräsidenten und Herrn Tsipras. Nicht wir entscheiden darüber, wer griechischer Ministerpräsident wird. Es entscheiden alleine die Griechen.  Im Übrigen legt die europäische Agenda den Schwerpunkt mittlerweile auf den Dreiklang aus Haushaltskonsolidierung, Strukturre­formen sowie Wachstum und Investitionen für mehr Beschäftigung. Schauen Sie sich doch die Politik der vergangenen Monate an: Wir treiben konkrete Initiativen für Wachstum und sozialen Zusammenhalt voran, in Griechenland und anderswo in Eu­ropa. Der Vorwurf einer reinen Austeritätspolitik ist schlicht falsch. Wir freuen uns, dass diese Agenda, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Übrigen immer wieder eingefordert haben, auf europäischer Ebene aufgegriffen wurde. Nun muss sie couragiert und entschlossen umgesetzt werden. Hier ist unser aller tatkräftige Unter­stützung gefragt.

Sie sind der Auffassung, dass man sich nicht in den griechischen Wahlkampf einmischen sollte. Ein Rat, der in Ihrem Land von wenigen befolgt wird.

Wir stehen solidarisch an der Seite der Griechinnen und Griechen. Wir erkennen die erheblichen Reformanstrengungen an und haben großen Respekt: Uns ist bewusst, dass dies für viele Bürgerinnen und Bürger in Grie­chenland schmerzhaft war und Einschnitte bedeutete. Die Reformen und damit die Anstrengungen der Menschen ermöglichen aber den Weg zu  wirtschaftlichem Wachstum, Beschäftigung und einem Mindestmaß an sozialer Absicherung. Im Übri­gen hat die EU  klar gemacht, dass die Verträge einen Austritt aus dem Euro nicht vor­sehen. Diese Debatte ist beendet. Einen Kurswechsel hat es nicht gegeben und man sollte ihn auch nicht herbeireden.

Was halten sie von dem von Mario Draghi angekündigten „Quantitative Easing“?

Ich habe Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der EZB, und dass sie die richtigen Ent­scheidungen fällen wird. Das hat sie auch in den vergangenen Jahren getan.

 

Tonia Mastrobuoni