Angesichts öffentlich-rechtlicher Sparzwänge nimmt der Anteil von freien Mitarbeiter bei ARD und ZDF weiter zu. Für die soziale Absicherung der Betroffenen gilt das jedoch nur bedingt. Beim RBB arbeiten rund 1500 arbeitnehmerähnliche Freie, die den rund 1900 Festangestellten gegenüberstehen. Der Verdienst der Freien liegt im Schnitt um 20 Prozent unter den Tarifgehältern von Festangestellten. Schlechter gestellt sind sie in der Regel auch bei den sozialen Leistungen. Ganz zu schweigen von der Arbeitsplatzsicherheit. Zwar komme man bei ARD und ZDF „normalerweise“ ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Aber die Festen Freien würden als Reservoir von Beschäftigten gelten, deren Arbeitsvolumen bei Bedarf ausgedünnt werden könne. 

medienpolitik.net: Herr Rabanus, warum befasst sich die SPD mit den Arbeitsbedingungen für „Feste Freie‘ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Rabanus: Die Arbeitsbedingungen für sogenannte feste freie Journalistinnen und Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind je nach Sender bzw. Bundesland unterschiedlich. Das Problem ist: Feste Freie sind zwar in den Betrieb eingebunden, haben aber meistens weniger Rechte in der Personalvertretung.  Mehr als 18.000 arbeitnehmerähnliche Beschäftigte arbeiten regelmäßig bei ARD, ZDF und Deutschlandradio laut ARD-Freienvertretung. Beim MDR, NDR, RBB, BR, der Deutschen Welle und beim Deutschlandradio fehlen nach Angaben beispielsweise auch des Freienrates immer noch gesetzliche und verlässliche Vertretungsrechte für Freie. Sie leisten einen Großteil der programmgestaltenden Arbeit und sind für die Berichterstattung der Sender essentiell. Da ist es nur gerecht, angemessene und sozial gerechte Bedingungen zu schaffen.  Die SPD-Bundestagsfraktion will die Rahmenbedingungen für Medienschaffende verbessern, um eine freie und unabhängige journalistische Berichterstattung zu bewahren. Dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten, und somit auch der sogenannten festen Freien.  Anlass für die Veranstaltung waren Debatten auf dem Freienkongress im April in Leipzig, in denen schnell klar wurde, das hier ein strukturelles Defizit besteht, das auch in der Bundespolitik diskutiert werden muss. Der Medienpolitische Dialog ist dafür ein geeigneter öffentlicher Debattenraum, deshalb hatten wir am 24. Oktober zu dem Thema in den Deutschen Bundestag eingeladen. Informationen zu der Veranstaltung finden Sie hier:

www.spdfraktion.de/themen/mehr-rechtssicherheit-medienschaffende

medienpolitik.net: Der Druck auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten zu sparen ist groß. Ist es da nicht auch aus arbeitsrechtlichen Gründen naheliegend, zuerst auf Mitarbeiter zu „verzichten“, die nicht fest angestellt sind?

Rabanus: Die Anforderungen an Medienschaffende wachsen im Spannungsfeld der digitalisierten Medienlandschaft u. a. durch zunehmenden Populismus, so genannte Fake News und die damit verbundene Notwendigkeit zu stringenter Detailtreue und gleichzeitigen Erwartungshaltungen der Medienkonsumierenden, Inhalte zeitnah und schnell konsumierbar darzustellen. Um eine freie und unabhängige journalistische Berichterstattung zu bewahren, braucht es gute Rahmenbedingungen. Hier geht es nicht um die Frage, eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer anderen vorzuziehen, sondern es geht um die gerechte Behandlung der so genannten „festen Freien“, die womöglich die gleichen Aufgaben übernehmen wie Festangestellte, jedoch vom Beschäftigtenbegriff ausgenommen sind. Das hat natürlich arbeits- und sozialrechtliche Konsequenzen.  Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte der „festen Freien“ gestärkt werden. Dies kann beispielsweise mit der nun anstehenden Reform des Bundespersonalvertretungsgesetzes gelingen.

„Um eine freie und unabhängige journalistische Berichterstattung zu bewahren, braucht es gute Rahmenbedingungen.“

medienpolitik.net: Auch SPD-regierte Bundesländer sprechen sich für einen relativ stabilen Rundfunkbeitrag aus, obwohl die Kosten in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Muss dann nicht auch an den Personalkosten gespart werden?

Rabanus: Wie wir auch in dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Medien- und Kommunikationsbericht 2018 formuliert haben, ist es aus unserer Sicht, insbesondere in Zeiten von „Fake-News“, Desinformation und Populismus, von zentraler Bedeutung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem funktionierenden, demokratischen Gemeinwesen beiträgt. Dafür bedarf es klarer Strukturen und eines klar definierten Auftrags wie die Sicherstellung von Meinungsfreiheit und -vielfalt und ein Programmangebot für alle. Qualität und Ausgewogenheit müssen Vorrang vor Einschaltquoten oder Klickzahlen haben. Gleichzeitig kann der öffentliche-rechtliche Rundfunk auch beispielgebend für eine zeitgemäße und gleichzeitig faire Beschäftigung und Einbindung seiner Beschäftigten – als Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen in privat finanzierten Rundfunkeinrichtungen – sein. Hier kann dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Vorreiterrolle zukommen.

medienpolitik.net: Inwieweit setzt sich die SPD für eine bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein?

Rabanus: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss auch in Zukunft so finanziert sein, dass er seinen Auftrag unabhängig und staatsfern erfüllen kann. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es daher, dass die Länder gemeinsam mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diese notwendigen Reformprozesse angegangen und in Teilen bereits zum Abschluss gebracht haben. Um die Akzeptanz beim Publikum, und damit bei den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern, zu erhalten, muss der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter geschärft werden. Damit einhergehen müssen weitere interne Strukturreformen der Sendeanstalten, um Synergieeffekte besser nutzbar und die Senderstrukturen so schlank wie möglich ausgestalten zu können. Ein möglichst sparsamer und effizienter Einsatz der zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel ist eine wesentliche Grundlage für den Rückhalt in der Bevölkerung.

medienpolitik.net: Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Juni ein „Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien“ beschlossen. Welchen Anlass gab es dazu?

Rabanus: Die Freiheit und Vielfalt der Medien wurde seit langer Zeit nicht mehr so infrage gestellt wie in den vergangenen Jahren.  In Deutschland und auch vielen anderen Ländern hat sich ein politisches und gesellschaftliches Klima verbreitet, das die Arbeit der freien und unabhängigen Medien erschwert oder gar gänzlich infrage stellt – ein Klima, das durch „Fake News“ und auch Diffamierungen von Medienhäusern und Medienschaffenden oder gar Repression und Gewalt, gegen sie geprägt ist. Diffamierungen wie „Lügenpresse“ oder „gleichgeschalteter Staatsrundfunk“ sowie Gewaltandrohungen gegen Journalistinnen und Journalisten machen dies in erschreckender Weise offenkundig.  Auf Bundesebene haben wir daher ein Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien vorgestellt, um die Presse- und Medienfreiheit zu stärken und um eine freie und qualitativ hochwertige journalistische Berichterstattung zu bewahren.

medienpolitik.net: Was ist das Ziel des Aktionsprogramms?

Rabanus: Für Medienschaffende müssen der zuverlässige Schutz und die Unterstützung des Staates jederzeit eine Selbstverständlichkeit sein, damit sie entsprechend ihrem verfassungsgemäßen Auftrag frei und ungehindert arbeiten können.  Mit dem Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien stellen wir Neuregelungen und Vorhaben für die Pressefreiheit vor. Kern sind erweiterte Auskunfts- und Schutzrechte für Journalistinnen und Journalisten. Die genannten Punkte sind gleichzeitig eine „rote Linie“ in den Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner.

medienpolitik.net: Welche konkreten Gesetzesinitiativen sind geplant?

Rabanus: Das Aktionsprogramm hat vier zentrale Bestandteile der Gesetzgebung, welche die Arbeit der Medien sowie der Medienschaffenden unterstützen sollen: 1. die Verabschiedung eines Gesetzes zur Informationspflicht von Behörden des Bundes gegenüber den Medien (Medieninformationszugangs- und -auskunftsgesetz), 2. die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur Stärkung der Presse- und Medienfreiheit zur Wahrung des Berufsgeheimnisschutzes und des Informantenschutzes – Ziel ist ein hohes Schutzniveau in allen Prozessordnungen. Wir haben bereits 3. im März 2019 den Berufsgeheimnis- und Informantenschutz im parlamentarischen Verfahren zur Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union zum Geschäftsgeheimnisschutz u.a. durch Etablierung eines Ausnahmetatbestandes verbessert. Der Bundestag hat dafür das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung mit den von der SPD initiierten Änderungsvorschlägen beschlossen,  und  4. in der Beratung zum Datenschutzanpassungsgesetz, das der Bundestag im Juni 2019 beschlossen hat, auf eine Umsetzung von Artikel 85 DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) gedrängt, um Datenschutz und Kommunikationsfreiheit in Einklang zu bringen. Darüber hinaus wollen wir 5. die Unterstützung und Förderung des freien investigativen Qualitätsjournalismus und die Wahrung der Medienfreiheit und -vielfalt durch die Prüfung weitergehender Instrumente wie neue Finanzierungsmodelle oder indirekte Fördermaßnahmen, 6. mehr Hilfe und Schutz für Medienschaffende bei der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags durch die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern.

medienpolitik.net: Bis wann sollen sie realisiert werden?

Rabanus: Wir haben einige Gesetze und Projekte bereits umgesetzt, andere sind in den parlamentarischen Beratungen. Beispielsweise sind wir in der Abstimmung mit unserem Koalitionspartner zum Gesetz zur Informationspflicht von Behörden des Bundes gegenüber den Medien (Medieninformationszugangs- und -auskunftsgesetz). Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion könnte der Deutsche Bundestag das Gesetz so schnell wie möglich beschließen, der Ball liegt nun im Feld der Union.