Viele empfinden den Eintritt in die Rente als Urteil über die Lebensleistung. Unser Rentensystem sollte deshalb in der Lage sein, den größtmöglichen Respekt zu vermitteln.

Um was geht es eigentlich konkret? Wir sollten uns klarmachen, worüber wir hier
reden. Es geht nämlich um nichts weniger als die Lebensleistung
von Menschen. Viele empfinden den Eintritt in
die Rente als Urteil über die Lebensleistung. Unser Rentensystem
sollte also in der Lage sein, den größtmöglichen
Respekt zu vermitteln.
Es gibt Menschen, die arbeiten ihr Leben lang, kommen
dann am Ende ihres Arbeitslebens in Schwierigkeiten
und werden zum Teil gegen ihren Willen verrentet.
Dann müssen sie bis an ihr Lebensende Abschläge in
Kauf nehmen. Das ist sicher nicht Sinn der Sache, kommt
aber vor. Die Betroffenen empfinden das als Bestrafung.
Überhaupt spielt das Empfinden bei diesem Thema
die Hauptrolle. Denn erstaunlich viele sind vom Thema
Zwangsverrentung bewegt, auch wenn verhältnismäßig
wenige betroffen sind. Das liegt daran, dass ältere Leistungsberechtigte
immer wieder mit der empfundenen
„Gefahr“ der Zwangsverrentung konfrontiert werden.
Denn ein vorzeitiger Renteneintritt ist zumindest theoretisch
möglich, und die Jobcenter prüfen durchaus weiter,
ob die Voraussetzungen dafür erfüllt werden. Selbst
ältere Arbeitnehmer, die wahrscheinlich niemals Gefahr
laufen, zwangsverrentet zu werden, sind enorm verunsichert.

Zudem fragt man sich schon, wozu man das Instrument
angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt eigentlich
braucht. Zwangsverrentungen haben keinen nennenswerten
Effekt. Das Instrument kann also weg.
Das war schon in der letzten Legislatur unsere Haltung.
Wie Sie wissen, war der Koalitionspartner der
gleiche wie jetzt. Herausverhandeln konnten wir eine
Reform der Unbilligkeitsverordnung, mit der wir das
Problem sehr stark eingeschränkt haben. Eine sogenannte
Zwangsverrentung kommt überhaupt nur noch infrage,
wenn die Person aus 70 Prozent der Rente ihren Lebensunterhalt
bestreiten kann, und auch nur, wenn der Renteneintritt
nicht in nächster Zukunft liegt.
Die neue Unbilligkeitsverordnung hat das Problem
deutlich abgemildert, komplett weg ist es aber noch
nicht. Die Bundesagentur für Arbeit hatte in ihren fachlichen
Weisungen „in nächster Zukunft“ als „innerhalb
von drei Monaten“ spezifiziert. Dagegen hat sich ein
Neubrandenburger gewehrt, der vier Monate vor Renteneintritt
zwangsweise in die Rente geschickt wurde. Das
Bundessozialgericht gab ihm recht. Auch er hätte nicht
zwangsverrentet werden dürfen.
Es kann also sein, dass wir uns das Thema sowieso
noch einmal ansehen müssen. Für uns als SPD bleibt dabei
klar: Die Zwangsverrentung sollte abgeschafft werden.
Aus Respekt vor der Lebensleistung der Menschen.
Und mit Blick auf den Arbeitsmarkt auch aus gesundem
Menschenverstand.