Deutschland steht wirtschaftlich sehr gut da. Das Wirtschaftswachstum fällt mit 1,8 Prozent höher aus, als zunächst angenommen; auch 2015 soll es deutlich steigen, auf dann zwei Prozent. Die Beschäftigungsquote ist auf einem Rekordhoch angekommen: Mit 41,8 Millionen wurde 2013 die höchste Zahl an Beschäftigten erreicht, die es in Deutschland jemals gab. 2014 soll sie noch höher ausfallen. Diese erfreulichen Fakten stellte Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel an diesem Donnerstag im Bundestag vor. Sie stammen aus dem neuen Jahreswirtschaftsbericht, erstmals von Gabriel verantwortet (Drs. 18/495).

Im Gegensatz zu früheren Berichten aus der Zeit der schwarz-gelben Koalition, in denen es vorrangig um Wettbewerb und Flexibilisierung ging, schlussfolgert Gabriels Jahreswirtschaftsbericht, dass auf Basis der guten Entwicklung neue Impulse für Investitionen, Innovationen und Gerechtigkeit erfolgen müssen.

Rede von Sigmar Gabriel in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht

 

Die ganze Gesellschaft im Blick

Im Plenum machte der Minister die Botschaft des Dokuments deutlich. Kernelement ist die soziale Marktwirtschaft, die wieder gestärkt werden soll. Dementsprechend lautet der Titel des Jahreswirtschaftsberichts auch „Soziale Marktwirtschaft heute –
Impulse für Wachstum und Zusammenhalt“. Er wolle „die Aufmerksamkeit auf das Erfolgsmodell soziale Marktwirtschaft richten“, sagte Gabriel. Es gehe nicht darum, nur einzelne Bereiche, sondern die ganze Gesellschaft im Blick zu haben. Dazu gehörten fairer Wettbewerb ebenso wie soziale und ökologische Rahmenbedingungen. „Das sind keine Gegensätze, sondern Prinzipien“, die das Zusammenleben angenehmer machten, so Gabriel. Sein Ministerium stehe für alle offen, Unternehmer wie Gewerkschafter, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.

Gabriel benannte in seiner Rede nicht nur die Erfolgsmeldungen, etwa Deutschlands Spitzenposition im europäischen Wettbewerb und seine hohe Innovationskraft. Er wies auch auf die Risiken und Herausforderungen hin, vor denen das Land steht, und skizzierte, wie man ihnen begegnen muss: Der Arbeitsmakt sei noch immer gespalten. Dabei müsse es „Menschen durch Arbeit besser gehen“. Auch die Investitionsquote deutscher Unternehmen sei im Inland zu gering, der digitale Netzausbau auf dem Land müsse vorangetrieben und Lohndumping sowie Missbrauch bei der Leiharbeit eingedämmt werden. Vor allem aber gelte es, die Kommunen zu entlasten. „Es sind unsere Städte und Gemeinden, die am meisten investieren“, sagte Gabriel.

Export Ausdruck deutscher Innovationskraft

Er benannte auch die Schwierigkeiten bei den Energiekosten und die Entwicklungsdefizite in Ostdeutschland (Produktivitäts- und Lohnlücken).

Dazu kämem noch die großen Risiken, wie zum Beispiel die Entwicklungen im Euro-Raum. Dem müsse durch eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte Rechnung getragen werden, durch mehr europaweite Investitionen in Wachstum und Arbeit.

Perspektivisch geht es laut Gabriel für Deutschland nun darum, die bereits gestiegene Binnennachfrage weiter zu stärken, die Reindustrialisierung vor allem im Osten, aber auch in anderen strukturschwachen Regionen voranzutreiben, mehr Chancen für Frauen zu ermöglichen und ein offenes Land für qualifizierte Zuwanderer zu sein.

Gabriel konterte die Kritik aus Europa am hohen Export Deutschlands. Die Ausfuhren seien vor allem Ausdruck der Innovationskaft und hohen Produktivität deutscher Unternehmen und Zeichen der Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dadurch werde auch Europa gestützt.

Zentrale Stütze der Wirtschaftskraft Deutschlands sei der private Konsum, führte Gabriel aus. Den zu stabilisieren, dabei hilft auch der geplante Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Im Jahreswirtschaftsbericht fällt dem Mindestlohn eine starke Rolle zu. Gabriel begründete das vor dem Parlament: „Arbeit und Leistung müssen ihren Wert haben. Das muss bei der sozialen Marktwirtschaft zum Ausdruck kommen“. Der Mindestlohn sei die „Abkehr von dem entwürdigenden Zustand“, dass Menschen trotz Vollzeitjob zum Sozialamt gehen müssten. Gabriel: „Es muss Menschen durch Arbeit besser gehen!“

Auf viel Skepsis stößt in Deutschland das transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA. Gabriel verteidigte das Vorhaben als Chance, den größten Freihandelsmarkt der Welt eröffnen zu können. „Ich bin zu einer transparenten, ideologiefreien Debatte bereit“, sagte Gabriel. Es sei klar, dass es im Zuge solch eines Abkommen in keinem Bereich Dumping geben dürfe. Bei einer Neuverhandlung müssten „die Sorgen der Menschen ernst genommen“ werden.

Bildung in den Vordergrund stellen

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil wies in seiner Rede auf die Bedeutung des demografischen Wandels hin. „Fragen der Aus- und Weiterbildung müssen darum stärker in den Vordergrund“, sagte Heil. Zudem bedürfe es „mehr qualifizierter Zuwanderung.“

Rede von Hubertus Heil in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht

 

Die SPD-Abgeordnete Gabriele Katzmarek sagte in ihre ersten Rede vor dem Plenum, der Jahreswirtschaftsbericht stelle „die Menschen in den Mittelpunkt“ – das sei der richtige Ansatz, denn: „Wirtschaftspolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik“.

Bei allen Aufgaben, die laut Jahreswirtschaftsbericht noch vor Deutschland liegen, macht der Bericht aber sehr deutlich: Das Land gilt inzwischen im internationalen Vergleich als Paradebeispiel dafür, wie es gelingen kann, durch ein hohes Maß an industrieller Wertschöpfung, durch Strukturreformen und Innovationspolitik sowohl Wettbewerbsfähigkeit wie auch eine hohe Beschäftigung zu sichern.

Alexander Linden