Obwohl sie nicht mehr als Paar zusammenleben, waren sich beide Elternteile bewusst, dass sie für ihre Kinder und sich selbst eine gute Lösung finden müssen. Reibereien bleiben im Alltag nicht aus, aber im Großen und Ganzen klappt es gut. Sie wohnen nur gut anderthalb Kilometer auseinander, wenn die Kinder älter sind, können sie die Strecke auch allein mit dem Bus oder dem Rad zurücklegen.

Deutschland muss endlich zu anderen Ländern aufschließen

Das Modell, das die Eltern von Mara und Julius leben, wird als so genanntes paritätisches Wechselmodell oder Doppelresidenzmodell bezeichnet, weil die Kinder in zwei Haushalten zu Hause sind. Bislang ist das Wechselmodell in Deutschland – anders als in Ländern wie Frankreich, Belgien, Italien, Spanien, USA, Kanada und Australien – gesetzlich nicht verankert. Im Oktober 2015 beschloss der Europarat einstimmig eine Resolution zur „Gleichheit und gemeinsamen elterlichen Verantwortung“. Ziele sind, die Diskriminierung von Vätern abzubauen, das paritätische Wechselmodell in den nationalen Gesetzen zu verankern und ein Hinwirken auf konsensorientierte Lösungen der Eltern zu erreichen. Deutschland hat das bisher nicht umgesetzt, und die Rechtsprechung der zuständigen Oberlandesgerichte ist nicht einheitlich.

Bundesgerichtshof gibt Richtung für Gesetzgebung vor

Am 27. Februar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sein Urteil vom 1. Februar 2017 veröffentlicht. Ein Vater aus Nürnberg hatte geklagt, weil er seinen Sohn (13 Jahre), der bis dahin bei der Mutter lebte, nicht nur alle 14 Tage am Wochenende betreuen wollte. Der Vater klagte sich bis zum BGH; dieser verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurück an das bereits befasste Oberlandesgericht. Das Urteil stellt fest, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells zur Betreuung des Kindes auch gegen den Willen eines Elternteils möglich sei, wenn dies zum Wohle des Kindes beitrage. Damit hat der BGH den Weg für eine gesetzliche Klarstellung vorgezeichnet.

SPD-Fraktion fordert Rechtsgrundlage für Wechselmodell

Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu auf ihrer Fraktionssitzung am 7. März 2017 ein Positionspapier „Wechselmodell“ beschlossen. Darin bekräftigt sie, dass sich die Zeiten geändert haben und mehr und mehr eine Abkehr vom Leitbild des so genannten Residenzmodells als Standardmodell festzustellen ist. Denn Frauen wollten vermehrt einen Beruf ausüben und Männer ihren Kindern ein anwesender Vater sein. Jede Familie sei anders, jede Trennung individuell, weshalb es auch im Recht kein alleingültiges Modell mehr geben könne, heißt es im Positionspapier. In Deutschland haben sich Familiengerichte bisher mehrheitlich für das Residenzmodell ausgesprochen: einige, weil noch immer die Ansicht besteht, ein Kind brauche einen festen Lebensmittelpunkt. Andere Gerichte sahen schlichtweg keine rechtliche Grundlage, das Wechselmodell anzuordnen. Der Bundesgerichtshof jedoch hat klargestellt: Eine gerichtliche Umgangsregelung nach dem Wechselmodell wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen.

Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Positionspapier, dass eine Rechtsgrundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geschaffen wird, auf deren Basis das Wechselmodell nach eingehender Einzelfallprüfung und im Sinne des Kindes mit den Eltern vereinbart oder auch angeordnet werden könne. An erster Stelle müsse für die Gerichte immer das Kindeswohl stehen. Eine Pflicht zur Anordnung eines „bestimmten Modells“ – also auch das Wechselmodell als Regelfall – lehnen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ab. Zum Wohle der Kinder sollten beide Eltern an der Erziehung des Kindes beteiligt sein können, ohne dass dem anderen Elternteil finanzielle Nachteile entstünden. In diesem Zusammenhang hält die SPD-Fraktion an ihrer Forderung nach einem Umgangsmehrbedarf für Eltern fest, die Hartz IV beziehen.

Viele Studien sprechen im Übrigen dem Wechselmodell zu, dass es in den meist üblichen Konstellationen von den Nachtrennungsfamilien dem Kindeswohl am besten entspricht.