Mal wieder Uneinigkeit und Chaos in der Union

Öffentlich tragen die Regierungsmitglieder ihre Auseinandersetzung über unterschiedliche Sichtweisen zur Zustimmungspflicht des Bundesrates bei der Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke (AKW) aus. Gleichzeitig erleben Parlament und Öffentlichkeit einen einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik: da fordert der CDU-Ministerpräsident aus Baden-Württemberg, den Rücktritt des Bundesumweltministers aus derselben Partei. Und das weil der Landesministerpräsident im Bundesrat über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken nicht mitentscheiden will. Dem schließen sich die Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen an, was mehr als widersprüchlich ist, denn 2002 haben die Ministerpräsidenten der drei Länder gefordert bei Fragen die Atomkraft betreffend auf jeden Fall beteiligt zu werden und nun tun sie alles, um nicht mehr mitreden zu können. Eine Laufzeitverlängerung betrifft die Länder in jedem Fall, da bei längeren Laufzeiten für die Aufsicht auch weitere Kosten anfallen, die im Falle der Abschaltung ja entfallen würden. Also hat die Laufzeitverlängerung auch Konsequenzen für die Länder. Herr Pofalla hätte sich besser Rat holen sollen, bevor er öffentlich verkündet am Bundesrat vorbei zu entscheiden.

Durch die Verbrüderung mit der Atomlobby zum Wortbruch

Videobeitrag der Rede des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Ulirich Kelber vom 19. Mai 2010

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Ulrich Kelber griff die schwarz-gelbe Koalition an, sie sei aus "Verbrüderung“ mit den Atomkonzernen bereit, sich auf eine "windige verfassungsrechtliche Konstruktion“ einzulassen. Mit ihren Überlegungen, eine Änderung des Atomausstiegsgesetzes ohne die Beteiligung des Bundesrates auf den Weg zu bringen, versuche insbesondere die Union, die Verfassung zu umgehen. Kelber hinterfragte außerdem wie es denn um die zusätzlichen Sicherheitsanforderungen und technischen Nachrüstungen stehe, die die Union immer im Zusammenhang mit längeren Laufzeiten öffentlich verspreche. Denn in diesem Falle kämen neue Aufgaben auf die Länder zu und darüber hätten sie dann auch zu entscheiden. Da dies aber wegen des Machtverlusts in der Länderkammer umgangen werden soll, ist fraglich, ob denn wirklich zusätzliche Sicherheitsanforderungen gewollt sein. Kelber warf der Union vor, der Atomindustrie Milliarden-Geschenke machen zu wollen. Es sei auch keine Rede mehr davon, dass diese zusätzlichen Gewinne der Atomindustrie bei einer Verlängerung abgeschöpft werden sollen. Denn wenn eine Verlängerung nicht über den Bundesrat laufe, sei nur eine freiwillige Vereinbarung möglich. Also handele es sich hier um Wortbruch.

Tradition der Union: Tarnen, Tricksen, Täuschen

Der energiepolitische Sprecher Rolf Hempelmann wies darauf hin, dass es nicht nur eine verfassungsrechtliche Frage sei, die Länder zu beteiligen, sondern auch eine moralische. Zudem würden Experten sagen, wenn Unklarheiten zu Konsequenzen für die Länder bestünden, automatisch eine Zustimmungspflicht entstehen. Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Christine Lambrecht sagte, dass die SPD egal ob mit oder ohne Zustimmung der Länder eine Verlängerung der Laufzeiten für AKW ablehnt. Der unter rot-grün ausgehandelte Atomkompromiss hätte den AKW-Betreibern klare Rahmenbedingungen für ihre Planungen geliefert, die jetzt trotz massiver Sicherheitsbedenken bei alten Meilern eingerissen werden. Sie wies darauf hin, dass es sich hier nicht um eine verfassungsrechtliche Frage handele, denn die Möglichkeit der Ausschaltung des Bundesrates sei aus politischen Gründen durch die verlorene NRW-Wahl von Teilen der Union ins Spiel gebracht worden. Der SPD-Abgeordnete Marco Bülow forderte, dass die Ministerpräsidenten aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, die jetzt eine Zustimmungspflicht des Bundesrates ablehnen, dann auch künftig zum Thema Atomkraft schweigen sollten. Ihr Handeln stehe in der Tradition des Tricksen, Tarnen und Täuschens der Union.

Laufzeitverlängerung schwächt Ausbau der erneuerbaren Energien

Fest steht in jedem Fall, dass eine Laufzeitverlängerung für AKW auf bis zu 60 Jahre ein erhöhtes Risiko für die hier lebenden Menschen bedeutet. Außerdem wachsen die Atommüllberge, deren Entsorgung weltweit nach wie vor ungeklärt ist. Und der Ausbau der erneuerbaren Energien wird massiv gefährdet, dies zeigt sich bereits jetzt, denn die Unternehmen beklagen, dass die Investitionen zurückgefahren werden. Eine verlängerte Laufzeit stärkt nur die vier großen Energieversorger, die sich weitere billig verdiente Gewinne in die Tasche stecken können.

 

Videobeitrag der Rede des energiepolitischen Sprechers Rolf Hempelmann

Videobeitrag der Rede der rechtspolitischen Sprecherin Christine Lambrecht

Videobeitrag der Rede des Abgeordneten Marco Bülow