Seit mehr als zehn Jahren besteht in Deutschland ein so genanntes Optionsmodell: Wird ein Kind hier geboren und hält sich eines seiner Elternteile als Inhaber eines unbefristeten Aufenthaltsrechtes seit acht Jahren in Deutschland auf, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit neben derjenigen der Eltern. Doch mit 18 Jahren muss es sich zwischen der deutschen und der durch Abstammung erworbenen Zugehörigkeit entscheiden. Hat das Kind sich bis zum 23. Lebensjahr nicht entschieden, geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Diese Regelung, die von Rot-Grün 1999 als Kompromiss im Vermittlungsausschuss zwischen den Lagern eingeführt worden war und etliche Ausnahmen besitzt, wirft gravierende integrationspolitische und verwaltungspraktische Probleme auf. Außerdem wirkt sie integrationshemmend. Viele Jugendliche werden in Wahrheit aus der deutschen Staatsbürgerschaft herausgedrängt. Und das, obwohl die meisten der betroffenen Personen, unabhängig davon, welche Staatsbürgerschaft sie wählen, in Deutschland verwurzelt sind.
Loyalitätskonflikte
Vor allem: Was ist mit denen, die sich nicht entscheiden können, die einen Identitätskonflikt mit sich tragen, die nicht wissen, wohin sie gehören, sich verloren fühlen. Dieser Tatsache kann sich eine moderne Gesellschaft nach Ansicht der SPD rechtlich nicht verweigern. Die Lösung: Das Optionsmodell wird zugunsten eines konsequenten Bekenntnisses zur doppelten oder mehrfachen Staatsbürgerschaft hier geborener Kinder ausländischer Eltern abgeschafft. So steht es in einem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts (Drs. 17/773), den die SPD-Fraktion bereits im Februar 2010 in den Bundestag eingebracht hatte und der am 10. November in 2. und 3. Lesung im Plenum beraten wurde. Die Integrationsbeauftragte der SPD-Fraktion, Aydan Özoguz, sagte in der Debatte: „Wir haben im Jahre 1999 das Staatsangehörigkeitsrecht von 1913 reformiert.“ Und nun müsse zur Kenntnis genommen werden, dass das Optionsmodell „unzeitgemäß und lebensfern“ sei. Es sei an der Zeit, dass sich auch die schwarz-gelbe Koalition zu einer solidarischen Gesellschaft bekenne. Absurd sei es, Kinder der zweiten und dritten Generation, die hier geboren werden, als Ausländer zu bezeichnen. In Richtung Regierung fragte Özoguz: „Wo sehen Sie eigentlich das Ende der Integration?“
SPD-Fraktion fordert doppelte Staatsangehörigkeit
Wichtig sei es, auch bei Einbürgerungen die alte Staatsangehörigkeit behalten zu dürfen. „Wir wollen die doppelte Staatsbürgerschaft auch bei der Einbürgerung ermöglichen“, sagte Özoguz. So steht es auch in einem aktuellen Antrag der SPD-Fraktion (Drs. 17/7654), in dem die Regierung zudem aufgefordert wird, die Einbürgerungsvoraussetzungen zu erleichtern. Das soll vor allem für eine Absenkung der Voraufenthaltszeiten gelten, für Verbesserungen für Personen, die besondere Integrationsleistungen erbracht haben, für Lebenspartner Eingebürgerter und für die Anrechnung von Duldungszeiten.
Es geht, betonte Aydan Özoguz in ihrer Rede, nicht darum, das Abstammungsrecht abzuschaffen, Es geht darum, vor allem junge Menschen mit allen Rechten und Pflichten in die Gesellschaft aufzunehmen, ein Gefühl von Willkommenheit und Heimat zu vermitteln. Außerdem, so Özoguz, sei das Optionsmodell ein bürokratischer „Wahnsinn“, und werde deutschen Interessen nicht wirklich gerecht.
Unser Erfolg ist der Erfolg der Gastarbeiter
Frank-Walter Steinmeier sagte in seinem Debattenbeitrag, dass man durchaus über die doppelte Staatsangehörigkeit streiten könne, es aber auch mit der Regierung Gemeinsamkeiten gebe: Die habe bei der 50-Jahr-Feier des Anwerbeabkommens noch geschmeichelt, Gastarbeiter seien willkommen gewesen. Das sei es aber auch gewesen. Steinmeier: „Diese Menschen haben hier malocht, unter Tage, im Dreck und an den Hochöfen. Sie sind Teil des deutschen Wirtschaftswunders. Unser Erfolg ist deren Erfolg.“ Ins Plenum fragte er, was Arbeitsmigration in einer Gesellschaft verändere? Es sei zu lange gedacht worden, das seien Gäste, ein provisorisches Recht reiche aus. Heute würden alle sagen, in der Integration sei Deutschland noch nicht weit genug – darum sei es Zeit, das nun nachgeholt werde, „was wir den Zuwanderen schuldig geblieben sind. Wir sind es auch uns selbst schuldig geblieben“.
Wenn eine Gesellschaft feststelle, das ein bestehendes Angebot, hier also das Optionsmodell, nicht genügend angenommen werde, weil sich viele eben als In- und Ausländer zugleich fühlten, dann müsse die Politik sich neu positionieren.
Koalition lehnt Entwurf ab
Auf die SPD-Vorlage entfielen in namentlicher Abstimmung am 10. November 278 von 587 abgegebenen Stimmen, 308 Abgeordnete vortierten dagegen, einer enthielt sich. Damit fand der SPD-Gesetzentwurf – wie auch die beiden anderen Oppositionsinitiativen von Linken und Grünen – keine Mehrheit.