Mit der von der SPD geforderten Änderung des Übernahmegesetzes sollen die Schutzvorschriften bei Unternehmensübernahmen dem europäischen Standard angeglichen werden. Das bisher geltende liberalere Übernahmegesetz muss verschärft werden, weil erfolgreiche Unternehmen derzeit an der Börse unterbewertet sind und damit ins Visier von Finanzinvestoren und Wettbewerbern geraten können, die sie günstig übernehmen und anschließend filetieren. So bangen bei Hochstief seit Wochen tausende Beschäftigte, dass die angeschlagene ACS-Gruppe den erfolgreichen Konzern übernehmen und anschließend zerschlagen könnte, um über eigene Schwierigkeiten hinwegzukommen.
Die komplette Tatenlosigkeit der Regierung bei Hochtief ist ein Skandal. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzlerin Merkel haben ein Eingreifen in den Übernahmestreit mehrfach abgelehnt. Die Methode "Einkaufen ohne Geld" habe die Welt schon einmal an den Abgrund geführt, so SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Merkel habe viele Male beteuert, sie wolle daraus Lehren und Konsequenzen ziehen. "Jetzt ist es Zeit, konkret zu handeln."
Zwar sagen Union und FDP, sie seien im Prinzip bereit zur Änderung des Übernahmerechts - aber nicht jetzt. Sie wollen Hochtief aus Prinzip opfern und erst dann handeln. Das ist entweder Arbeitsverweigerung oder zynisch.
Mit der von der SPD geforderten Änderung des Gesetzes wird es ausländischen Interessenten zumindest erschwert, sich an feindliche Übernahmen „heranzuschleichen“, wie es der angeschlagene ACS-Konzern im Falle von Hochtief derzeit tut. Beabsichtigt ist zunächst nur der Kauf eines Aktienanteils von etwas mehr als 30 Prozent (Kontrollmehrheit), um in der Folge zu günstigen Konditionen weitere Anteile zu erwerben. Die SPD schlägt deshalb vor, dass ausländische Firmen, die bereits 30 Prozent an deutschen Unternehmen halten, verpflichtet werden, ein neues Angebot an die Aktionäre abzugeben, wenn sie ihre Anteile weiter erhöhen. Bisher können sich potenzielle Käufer des Zwangs zu einem Pflichtangebot entledigen, indem sie ein freiwilliges Angebot abgeben, bevor sie die 30-Prozent-Schwelle überschreiten. Dieses Angebot bemisst sich am Dreimonatsschnitt der Aktie des Kaufobjekts und kann somit auch unter dem aktuellen Börsenwert liegen.
Das Übernahmerecht fast aller europäischer Staaten enthält Regelungen, mit denen die Aktionäre auch dann wirksam geschützt bleiben, wenn der Käufer 30 Prozent der Stimmrechte erworben hat und diese Beteiligung weiter erhöht. Auch wenn diese Regelungen sich im Detail unterscheiden, haben sie gemein, dass der Bieter den übrigen Aktionären bei einem Ausbau seiner Beteiligung erneut anbieten muss, ihre Anteile zu einem angemessenen Preis zu kaufen (Pflichtangebot).
Auch im Interesse gleicher Wettbewerbsbedingungen in Europa wollen wir mit unserem Gesetzentwurf erreichen, dass das deutsche Übernahmerecht nicht hinter den Regeln anderer europäischer Staaten zurückbleibt. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe von Pflichtangeboten muss auch gelten, wenn der Erwerber seine qualifizierte Beteiligung ausbaut.