Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schavan,
Sie haben ein Bild gezeichnet, das der Darstellung im Berufsbildungsbericht entspricht. Ich bin aber sehr dafür, das eine oder andere zu schärfen. Wenn es richtig ist, dass wir für die Zukunft alle brauchen und alle mitnehmen wollen, dann müssen wir endlich an den Dschungel mit fast 500 000 Jugendlichen in Übergangsmaßnahmen herangehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie selbst haben in der Antwort auf eine Anfrage mitgeteilt, dass wir allein auf Bundes- und Landesebene fast 200 Programme haben, die sich nur mit dem Übergang von der Schule in den Beruf befassen. Dabei sind die Maßnahmen vor Ort noch nicht einmal eingerechnet. Wenn wir es nicht schaffen, Licht in diesen Dschungel zu bringen, diesen Knoten durchzuschneiden, die Vielzahl der Projekte auf wenige, vernünftige Maßnahmen zu begrenzen, werden wir das Ziel, alle mitzunehmen, nicht erreichen. Das ist Ihre Aufgabe. Das verlangen wir von Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben nach wie vor einen hohen Anteil Altbewerber. Sie haben das angesprochen; das ist richtig. Wir wissen auch, dass diese Altbewerber unterschiedlich strukturiert sind, unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Aber es führt kein Weg daran vorbei, etwas hiergegen zu tun. Wir haben seinerzeit, in der Großen Koalition, das eine oder andere dazu auf den Weg gebracht. Ich glaube, dass die Berufseinstiegsbegleitung und der Ausbildungsbonus etwas Positives geschaffen haben
(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ladenhüter!)
und ein Stück weit mit dazu beigetragen haben, dass diese jungen Leute eine Zukunftsperspektive haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wenn man das alles zusammenrechnet, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann muss man schon sagen: Es fehlt doch an Ausbildungsplätzen. Ehrlichkeit in der Statistik ist nichts Verkehrtes. Versuche, die statistische Erfassung zu verbessern, gibt es, und das müssen wir auch vorantreiben. Nichts ist schlimmer, als wenn wir uns etwas vormachen und sagen: „Wir haben auf einmal mehr Ausbildungsplätze als Bewerber“, wenn gleichzeitig noch Hunderttausende Altbewerber unterzubringen sind. Wir sagen als SPD: Eigentlich brauchen wir zusätzliche Ausbildungsplätze für 210 000 junge Leute in unserem schönen Lande.
(Beifall bei der SPD)
Wir sind der Auffassung, dass die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt. Dies gilt besonders mit Blick auf die duale Ausbildung. Wir müssen das duale Ausbildungssystem stärken, wenn wir es schaffen wollen, alle mitzunehmen.
(Beifall der Abg. Christel Humme [SPD])
Es muss nachdenklich stimmen, wenn in den letzten 30 Jahren, wie man im Berufsbildungsbericht nachlesen kann, die Quote der Einmündungen in eine duale Ausbildung von knapp 80 Prozent auf knapp 60 Prozent gesunken ist. Wenn man dann auch noch berücksichtigt, dass über 10 Prozent derjenigen, die derzeit eine duale Ausbildung machen, Abiturienten sind, sieht man, dass wir hier ein Stück weit nachsteuern müssen. Wir müssen uns überlegen, wie wir dieses System dahingehend fitmachen, dass auch junge Leute mit Realschulabschluss oder Hauptschulabschluss weiterhin gute oder beste Chancen haben. Nur dann tun wir das Notwendige und Mögliche.
Zu den Übergangsmaßnahmen habe ich etwas gesagt. Wir wollen mit unserem Antrag, der Ihnen vorliegt, die Modernisierung der Berufe vorantreiben. Da ist in den letzten vier, fünf Jahren viel gemacht worden. Wir müssen immer wieder schauen: Wo sind neue Entwicklungschancen? Ganz wichtig ist für uns, dass die Erarbeitung und Neuordnung der Ausbildungsberufe im dualen System vorrangig im Konsens der Sozialpartner passiert. Da ist noch ein bisschen nachzuarbeiten. Für den Fall, dass sich die Sozialpartner nicht einigen können, sollten wir – Uwe Schummer, wir haben mehrfach darüber gesprochen – eine Schlichtungskommission einrichten. Ich glaube, das ist notwendig und richtig.
Es gibt einen weiteren Bereich, der uns sehr große Sorge macht: Das ist der Bereich „Berufsvorbereitung und Berufsorientierung“. Zur Berufsvorbereitung habe ich eben etwas gesagt. Wir haben den Eindruck, dass sich bei der Hilfe bei der Berufsorientierung – rechtzeitig, frühzeitig – mittlerweile eine Vielfältigkeit etabliert, die uns Anlass gibt zu der Sorge, dass ein ähnlicher Dschungel entsteht wie bei den Maßnahmen: Es gibt zig Initiativen vor Ort, teilweise planlos nebeneinander her.
Jeder, der eine Idee hat, kommt damit an. Das geht von den Kindergärten bis zu den Schulen: Niemand hat mehr einen Überblick. Wir müssen aufpassen, dass uns dort nicht das Gleiche passiert wie bei dem Maßnahmendschungel im Übergangssystem. Man muss auf die Kommunen und auf die Länder zugehen und darauf bestehen, dass hier strukturiert wird. Nicht jeder, der eine tolle Idee hat, muss die Welt damit beglücken.
(Beifall bei der SPD)
Es bleibt festzuhalten: Wir brauchen nach wie vor ausreichend viele Ausbildungsplätze in der Wirtschaft. Der Anteil der Unternehmen, die ausbildungsfähig sind, aber nicht ausbilden, ist immer noch hoch. Von dieser Regierung haben wir bisher wenig gesehen, wie man mehr Unternehmen dazu bewegen will, auszubilden. Das ist, wenn ich das richtig mitbekommen habe, auch beim Ausbildungspakt kein Thema. Aber es macht doch Sinn, Unternehmen, die ausbildungsfähig sind, zu ermuntern – sei es mit Prämien, sei es durch Kampagnen –, auszubilden. Wir müssen deutlich machen, dass die Unternehmen eine große Verantwortung haben. Wir haben überlegt, ob es Sinn macht, analog zu dem, was wir im Bauhauptgewerbe haben, einen Branchenfonds aufzulegen – nicht nur um quantitativ voranzukommen, sondern auch um ein Instrument zu haben, das langfristig dazu beiträgt, die Facharbeitsmärkte zu stabilisieren
(Beifall der Abg. Ulla Burchardt [SPD])
und im Zuge von Aus- und Weiterbildung entsprechende Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Deshalb werden wir dieses Instrument in absehbarer Zeit noch einmal betrachten und hier im Parlament zum Thema machen.
Wir brauchen die öffentliche Hand. Wer sich die Zahlen anschaut, kann das nicht leugnen. Wir sind dafür, dass die 40 000 Plätze aus dem BA-Programm weiter zur Verfügung gestellt werden, immer vor dem Hintergrund einer ehrlichen Bilanzierung, wie die Lage tatsächlich aussieht. Wir sind auch dafür, dass das auslaufende Ausbildungsprogramm Ost in ein Programm für strukturschwache Regionen umgewandelt wird. Dann geht es nämlich nicht mehr nach der Himmelsrichtung, sondern danach, wo Bedarfe sind. Wir sind auch dafür, dass wir das Instrument der vollzeitschulischen Ausbildung weiterhin nutzen, mit der Möglichkeit, nach § 43 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz – deshalb die Entfristung – gegebenenfalls auch eine Kammerabschlussprüfung abzulegen.
Wir schlagen das deshalb vor, weil wir nicht so gutgläubig sind, zu glauben, dass man dieses Problem nur mit Appellen allein lösen kann, sondern wenn es das Ziel ist, allen jungen Menschen eine vernünftige Perspektive zu geben und sie nicht in dem Maßnahmendschungel abdriften zu lassen, dann müssen wir mit der öffentlichen Hand teilweise auch gegensteuern. Wenn man auf der einen Seite Milliarden Euro für Rettungspakete für den Banken- und Finanzsektor zur Verfügung stellt, dann kann man keinem jungen Menschen mehr erklären, warum nicht ein bisschen Geld auch für seine Zukunft auf dem Tisch liegt. Hier müssen wir ran.
(Beifall bei der SPD)
Ich komme zum Schluss. Die Bildungsrepublik Deutschland ist ausgerufen worden. Wunderbar! Darüber wird auch an anderer Stelle noch heftig zu diskutieren sein. Die Bildungsrepublik Deutschland beinhaltet aber nicht nur die Allgemeinbildung und die Hochschulbildung, sondern auch die duale Ausbildung. Frau Ministerin, ich unterstütze ausdrücklich, was Sie gesagt haben: die duale Ausbildung sei ein Flaggschiff. Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Flaggschiff immer auf Kurs bleibt. Die duale Berufsausbildung gehört zu unserem Ausbildungssystem. Die Einmündungsquoten müssen besser und höher werden. Dort müssen wir gemeinsam handeln.
Ich denke, es lohnt sich, sich dafür anzustrengen, und ich freue mich auf die Beratungen im zuständigen Ausschuss.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])