Dennis Rohde (SPD):
Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Welt ist komplizierter und globaler geworden.
Wenn wir heute Kreditprodukte kaufen wollen,
dann haben wir eine Fülle von Angeboten vor uns. Wenn
meine Großeltern Bankgeschäfte getätigt haben, dann
sind sie meistens im Dorf geblieben. Sie sind zu ihrem
„Bankbeamten“ gegangen. Das war zwar in der Regel
kein Beamter, aber allen Leuten kam es so vor, als sei
er ein Beamter. Hatten sie Geld über, haben sie es aufs
Sparbuch gelegt; benötigten sie Geld, haben sie bei ihm
einen Kredit aufgenommen. Und wenn sie eine Beratung
bei einem Hauskauf brauchten, dann hat das alles bei dieser
einen Person stattgefunden, die in der Regel in der
Nachbarschaft gewohnt hat. Und wenn die Mist gebaut
hat, hat man bei ihr an der Haustür geklingelt und sich
dort beschwert.
Die Welt ist, wie ich gesagt habe, etwas komplizierter
geworden. Wir kaufen Produkte im Internet und
schließen dort Kredite ab. Wenn wir ein Haus kaufen
wollen, dann haben wir nicht nur das Angebot von unserem
„Bankbeamten“ vor Ort, sondern wir können unter
vielen verschiedenen Angeboten auswählen. Wir haben
verschiedenste Produkte zur Auswahl, Produkte wie einfache
Immobilienkredite, die wir sofort verstehen, aber
auch Produkte mit ganz komplizierten Namen, bei denen
wir erst einmal gar nicht wissen, was sich dahinter versteckt.
So bietet zum Beispiel meine Bank einen Select
Emerging Markets Investment Grade Bond Fund an. Es
ist wohl allen klar, was damit gemeint ist. Wenn jemandem
es nicht klar ist – ich habe die Beschreibung dabei.
Die Welt ist also komplizierter geworden. Entsprechend
muss auch die Antwort der Verbraucherschutzpolitik
sein. Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher
ein bisschen an die Hand nehmen.
Gleichzeitig harmonisieren wir den europäischen
Markt. Wir treffen nicht nur Entscheidungen für unser
Land, sondern versuchen, einen möglichst einheitlichen
europäischen Markt aufzubauen. Dafür wurde heute ein
Gesetzentwurf zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie
eingebracht, die ganz viele Bereiche der
Wohnimmobilienkredite regelt. Sie enthält – ich zitiere
aus der Begründung des Gesetzentwurfs –
im Wesentlichen Bestimmungen zu Werbung, (vor-)
vertraglichen Informationen, Kreditwürdigkeitsprüfung,
Widerrufsrecht oder Bedenkzeit, vorzeitiger
Rückzahlung und Vorfälligkeitsentschädigung,
Fremdwährungsdarlehen, Beratungsleistungen bei
der Kreditvergabe und -vermittlung sowie zu Kopplungsgeschäften.
Ich weiß, die Frau Präsidentin schaut hinter mir auf
die Uhr; ich kann nicht zu allen Punkten etwas sagen. Ich möchte daher zwei Punkte herausgreifen und sie etwas
näher ausführen.
Zum einen regeln wir mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie
auch die Honorarberatung für diesen Bereich.
Ich finde, es ist ganz wichtig, dass wir ein zusätzliches
Angebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher
schaffen. Aber ich möchte betonen, dass es ein zusätzliches
Angebot ist. Denn ich glaube, dass bei vielen Verbraucherinnen
und Verbrauchern an dieser Stelle erst
einmal ein Umdenken stattfinden muss. Wenn wir heute
eine Versicherung oder einen Kredit brauchen, dann gehen
wir davon aus, dass die Beratungsdienstleistung für
uns kostenfrei ist, dass wir nicht dafür bezahlen müssen;
denn der Berater bekommt ja am Ende die Provision von
der Versicherung bzw. von der Bank. Deshalb glaube ich,
dass erst einmal ein Umdenken stattfinden muss, dass
jetzt für diese Leistung bezahlt werden soll.
Aber natürlich ergibt sich daraus auch ein Mehrwert;
denn ich kann zumindest mit dem sicheren Gefühl nach
Hause gehen, auch wirklich das für meine individuelle
Situation beste Produkt bekommen zu haben. Ich muss
nicht immer die Frage im Hinterkopf haben, ob es wirklich
das beste Produkt für mich ist oder ob es für dieses
Produkt vielleicht nur die höchste Provision gab. Ich finde
es gut, dass wir mit der Umsetzung dieser Richtlinie
die Honorarberatung für diesen Bereich auf den Weg
bringen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Der zweite Punkt ist schon mehrfach angesprochen
worden: Wir legen neue Regelungen für die Dispozinsen
fest. Ich möchte Frau Heil ausdrücklich recht geben:
Was da auf dem Zinsmarkt stattfindet, ist zum Teil eine
schreiende Ungerechtigkeit. Wir haben momentan einen
Basiszinssatz von 0,83 Prozent. Der Euribor liegt weit
unter 0,5 Prozent. Der Zinssatz für einen Dispokredit
liegt im Durchschnitt – so die Stiftung Warentest – immer
noch im zweistelligen Bereich. Es gibt immer noch
Banken, die für Dispozinsen 15 Prozentpunkte mehr verlangen
und ihre Dispozinsen verschleiern – das hat Frau
Heil gerade gesagt – und nicht veröffentlichen, sodass
man sich als Verbraucher nicht informieren kann. Es ist
richtig und wichtig, dass wir endlich sagen: Mit diesem
Geschäftsgebaren muss Schluss sein. Jeder, der Dispozinsen
anbietet, muss auch transparent machen, wie hoch
diese sind.
(Beifall bei der SPD)
Ich muss für unsere Fraktion noch einmal betonen,
dass es uns natürlich am liebsten wäre, wenn wir sagen
würden: Wir warten jetzt einmal nicht ab, was diese
Transparenzregelung bringt. Wir warten jetzt einmal
nicht ab, ob sie greift. – Wir sind da guter Dinge. Die
beste Lösung ist, dass wir eine gesetzliche Deckelung
auf den Weg bringen, wie sie übrigens vor wenigen Stunden
wenige Meter von hier entfernt der Bundesrat beschlossen
hat. Der Bundesrat fordert in der Umsetzung
der Wohnimmobilienkreditrichtlinie eine Deckelung auf
8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Ich finde, dass wir uns zumindest damit noch einmal intensiver beschäftigen
müssen.
(Beifall bei der SPD)
Natürlich helfen Dispozinsen nicht denjenigen, die
überschuldet sind. Wir wissen, dass fast 10 Prozent der
Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in einer Situation
sind, die man schon fast als Überschuldung oder als klare
Überschuldung, bei der der einzige Ausweg die Privatinsolvenz
ist, bezeichnen muss. Für diese Bürgerinnen
und Bürger brauchen wir andere Lösungen. Ich bin dafür,
dass wir uns in den nächsten Wochen und Monaten
auch einmal selbst die Frage stellen: Welche Regelung
können wir denn auf den Weg bringen, um Menschen davor
zu schützen, überhaupt in die Verschuldungsfalle zu
kommen? Denn Vorbeugung ist, glaube ich, besser, als
Leute nachher in die Privatinsolvenz zu schicken. Auch
das sollte für uns eine Herausforderung in den nächsten
Wochen und Monaten sein.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)