„Für Millionen von Menschen bedeutet die Einführung des Mindestlohns die größte Gehaltserhöhung ihres Lebens“, sagte SPD-Fraktionsvizin Carola Reimann. Das Tarifpaket mit dem Mindestlohn sei ein Meilenstein für die soziale Marktwirtschaft. Auch die Unternehmen würden vom fairen Wettbewerb profitieren. „Das Tarifpaket ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch ökonomisch vernünftig“, betonte Reimann. Außerdem schließe Deutschland damit endlich zum europäischen Standard auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Von 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben 21 branchenübergreifende gesetzliche Mindestlöhne. Worüber wir seit Jahren streiten, ist in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden längst Normalität. Ich freue mich, dass wir heute mit der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs diesem europäischen Standard einen Schritt nähergekommen sind; denn es wird höchste Zeit, dass das, was in Europa längst Realität ist, auch in Deutschland zur Selbstverständlichkeit wird,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

nämlich dass man nicht duldet, wenn unanständig niedrige Löhne gezahlt werden.

 


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Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, trotz europäischer Normalität ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ein bedeutender Schritt, ein Meilenstein, für den wir Sozialdemokraten seit über zehn Jahren kämpfen; Herr Ernst, hier muss ich Ihr Langzeitgedächtnis bemühen. Gegen viele Widerstände haben wir ihn jetzt durchgesetzt. Es wurde viel darüber diskutiert, ob wir und ob sich die Unternehmen den Mindestlohn leisten können und wie sich dieser auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt. Das sind zweifellos wichtige Fragen.

Genauso wichtig ist aber die Frage, ob es sich eine Gesellschaft leisten kann, dass Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Ich finde, wir können uns das nicht leisten, weil es den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährdet, wenn wir Menschen mit Billiglöhnen ausgrenzen. Es ist deshalb Zeit, dass wir dem endlich mit dem gesetzlichen Mindestlohn einen Riegel vorschieben; hier sind wir, Kollegin Kerstin Andreae, ganz dicht beieinander. In einem Land, das wirtschaftlich so gut aufgestellt ist – besser als viele andere EU-Länder, die ich gerade genannt habe –, muss das eine Selbstverständlichkeit werden. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass der Mindestlohn, wie im Koalitionsvertrag verabredet und schon im Kabinett beschlossen, auch zügig umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden auch dafür sorgen, Frau Andreae, dass die Umsetzung durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit kontrolliert wird und Verstößen stringent nachgegangen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich nehmen wir die Sorgen einzelner Branchen sehr ernst. An dieser Stelle möchte ich unserer Ministerin ausdrücklich dafür danken, dass sie sehr frühzeitig auf einen konstruktiven und intensiven Dialog mit den einzelnen Branchen gesetzt hat und nach wie vor dafür sorgt, dass diese bei der Anpassung an den gesetzlichen Mindestlohn die notwendige Unterstützung erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, das Verfahren der Ministerin Nahles ist vorbildlich. Ich würde mir wünschen, dass das auch in anderen Bereichen Schule macht.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört auch, dass wir beim Übergang auf tarifvertragliche Lösungen setzen – das ist hier schon gesagt worden –, um einen vernünftigen, gangbaren Weg für die Unternehmen, die Probleme haben, zu schaffen.

Kolleginnen und Kollegen, wir haben also Regelungen mit Augenmaß gefunden; ich bin sicher, dass sie sich in der Praxis bewähren werden. Ich sage allen, die jetzt zum wiederholten Male – das ist auch schon angeklungen– schwere Geschütze gegen den gesetzlichen Mindestlohn auffahren wollen: Es wird Zeit, abzurüsten. Der Mindestlohn kommt, und er wird für viele Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut sein, aber er wird auch unserem Land guttun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr.Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vom Mindestlohn wird besonders eine Gruppe profitieren: die Arbeitnehmerinnen. Das ist gut, aber es zeigt auch, dass nach wie vor insbesondere Frauen von Lohnungerechtigkeiten betroffen sind. Sieben von zehn Beschäftigte  im Niedriglohnbereich sind Frauen. Hier ist der gesetzliche Mindestlohn ein ganz wichtiger Schritt. Weitere Schritte müssen folgen; das ist klar. Dazu gehören konkrete Maßnahmen gegen Lohndiskriminierung, Regelungen für Frauen in Führungspositionen und natürlich das große Thema der Familienarbeitszeiten.

Zum Schluss will ich ansprechen, dass der Mindestlohn auch Schluss machen wird mit den Auswüchsen, die wir in den vergangenen Jahren unter dem Schlagwort „Generation Praktikum“ in der Praxis erleben mussten. Sich nach der Ausbildung, häufig nach sehr guter Ausbildung, von einem Langzeitpraktikum zum nächsten hangeln zu müssen und dabei noch schlecht oder gar nicht bezahlt zu werden – diese Praxis muss der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Praktikum heißt für uns Qualifizierung und Orientierung, aber nicht Ausbeutung. Dazu gehört für uns auch mehr Rechtssicherheit durch einen schriftlichen Vertrag sowie eine Mindestvergütung, insbesondere für freiwillige Praktika von bis zu sechs Wochen, die im vorliegenden Gesetzentwurf vom Mindestlohn ausgenommen sind.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, das Tarifpaket wird für mehr Ordnung und Gerechtigkeit im Wirtschafts- und Arbeitsleben sorgen. Wir führen mit dem Mindestlohn ein neues Ordnungsinstrument ein und stärken vor allem mit der Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für alle Branchen – das gilt dann auch für alle Beschäftigten, Herr Kollege Ernst – und durch die Reform der Allgemeinverbindlicherklärung die Tarifautonomie und die bewährte Sozialpartnerschaft in Deutschland. Das ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch ökonomisch vernünftig.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)