Das Thema Tarifeinheit kommt immer wieder in die Schlagzeilen, wenn eine Spartengewerkschaft streikt. Die Diskussion um die Tarifeinheit ist in der Politik aber schon älter. Wir brauchen aber dringend eine Regelung; denn die Tarifeinheit ist der Kitt für den sozialen Zusammenhalt im Betrieb und in der Gesellschaft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema Tarifeinheit kommt immer wieder in die Schlagzeilen, wenn eine Spartengewerkschaft streikt. Die Diskussion um die Tarifeinheit ist in der Politik aber schon älter. Seit dem Spruch des Bundesarbeitsgerichts von 2010 wäre jede Menge Zeit gewesen, zu handeln. Die Koalition verhielt sich aber wie immer: Sie hat keine Entscheidung getroffen. Auch 2011 wurde die Diskussion um die Tarifeinheit schon einmal von der Tagesordnung eines Koalitionsausschusses gestrichen. Das erleben wir jetzt wieder. Letzten Sonntag traf sich der Koalitionsausschuss im Kanzleramt. Die Protagonisten tranken sogar noch einen Wein zusammen. Strittige Themen wie die Tarifeinheit wurden aber nicht angesprochen. Frau von der Leyen kann noch so oft in der Presse betonen, dass sie eine Regelung zur Tarifeinheit anstrebt; wenn das Thema in der Koalition nicht angesprochen wird, dann wird es auch diesmal keine Regelung geben.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen aber dringend eine Regelung; denn die Tarifeinheit ist der Kitt für den sozialen Zusammenhalt im Betrieb und in der Gesellschaft. Offensichtlich hat weder die Linke noch die FDP richtig verstanden, worum es hier geht. Tarifzersplitterung bedeutet Entsolidarisierung in der Gesellschaft bzw. in der Arbeitswelt.

(Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Das hat mit dem Urteil nichts zu tun!)

Wenn die Lokführer streiken, können sie den Betrieb der Züge anhalten. Was passiert aber, wenn die Mitarbeiter der Gastronomie in den Zügen streiken? Dann bleibt der Zug nicht stehen, sondern er fährt ohne Gastronomie.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Für manche schlimmer!)

Dieses einfache Beispiel macht offensichtlich, dass die Mitarbeiter in einem Betrieb verschiedene Machtpositionen haben. Ohne Tarifeinheit beobachten wir, dass diejenigen, die aufgrund ihrer Aufgabe im Unternehmen die Möglichkeit haben, den Betriebsablauf aufzuhalten, dies nur für sich ausnutzen und die anderen Mitarbeiter blöd schauen.

(Beifall bei der SPD)

Es darf nicht sein, dass sich eine Sparte von Arbeitnehmern auf Kosten anderer Arbeitnehmer durchsetzt. Es kann nicht unser Ziel sein, dass es zu einer Aufsplitterung der Belegschaften in den Betrieben kommt. Gewerkschaften sind nur dann stark, wenn sie einheitlich und geschlossen agieren. Nur dann kann es eine gute Regelung nicht nur für den Lokführer, sondern auch für den Mitarbeiter in der Gastronomie, nicht nur für die Fluglotsen, sondern auch für das Reinigungspersonal, nicht nur für den Arzt, sondern auch für die Krankenschwester geben.

(Beifall bei der SPD)


Auch die Bundesregierung betont in ihren Sonntagsreden gerne, dass starke Gewerkschaften und die soziale Partnerschaft die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolgs sind. Bewusst hat man sich nach dem Zweiten Weltkrieg dafür entschieden, Einheitsgewerkschaften zu bilden, die nicht parteipolitisch sind und die alle Arbeitnehmer eines Betriebes vertreten, damit keine Entsolidarisierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmern im Betrieb stattfindet. Es war bewusst gesagt worden: ein Betrieb, eine Gewerkschaft und ein Tarif.

(Beifall bei der SPD)

Diese Errungenschaft ist jetzt in Gefahr; denn Sonntagsreden über den sozialen Dialog helfen niemandem, wenn danach nicht politisch gehandelt wird. Wir müssen die Tarifeinheit umsetzen, damit es keine Aufsplitterung der Belegschaften und keine Schwächung der Gewerkschaften gibt. Gerade jetzt, in einer europaweit wirtschaftlich komplizierten Situation, können wir uns eine Zersplitterung der Arbeitnehmer nicht leisten. Wir brauchen mehr denn je starke Gewerkschaften.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, was für ein sensibles Politikfeld das Tarif- und Streikrecht ist. Wir müssen die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 des Grundgesetzes wahren, gleichzeitig dürfen wir aber den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Betrieb nicht gefährden. Deswegen sollten wir mit der notwendigen Achtsamkeit und nicht im politischen Streit an dieses Thema herangehen. Das Angebot der SPD liegt auf dem Tisch. Wir sollten fraktionsübergreifend handeln, um die Gewerkschaften in unserem Land zu stärken.

Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, Ihr eigenes Handeln ist durch Ihr Vertagen des Themas im Koalitionsausschuss 2011, aber auch am vergangenen Sonntag gescheitert. Daher appelliere ich an Sie: Wir sollten zusammenarbeiten, damit das Thema nicht wieder bis zum nächsten Streik sang- und klanglos von der Tagesordnung gestrichen wird. Denn nur so schaffen wir es, dass alle Menschen in unserem Land eine Chance auf Erfolg beim Streik haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)