Für energieintensive Unternehmen, die eine niedrigere EEG –Umlage und weniger Stromsteuern zahlen müssen, muss im Gegenzug Stromsparen zur Pflicht werden. Gleichzeitig müssen die Entlastungen auf begründete Ausnahmen begrenzt bleiben. Ansonsten werden kleinere Unternehmen und private Haushalte über Gebühr belastet.

 

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Wir wollen hier doch einmal die Wahrheit auf den Tisch bringen.

(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist nach der Rede von Bareiß auch notwendig! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Da sind wir gespannt!)

Heute hat der Herr Kollege Bareiß gesprochen. In der ersten Lesung am 29. März dieses Jahres hat der CDUKollege Koeppen über den Titel des Antrags der Linken – ich will ihn noch einmal nennen: „Unberechtigte Privilegien der energieintensiven Industrie abschaffen – Kein Sponsoring der Konzerne durch Stromkunden“ – gesprochen. Der Herr Kollege bemühte an dieser Stelle den Duden. Er hat gesagt:

„Unberechtigt“ heißt rechtswidrig, heißt ungesetzlich, heißt illegal oder auch, wenn man es weitertreiben würde, kriminell.

Mal ganz abgesehen davon, dass „kriminell“ im Duden nicht als Synonym für „unberechtigt“ geführt wird, ist das ja nur eine der Bedeutungen.

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(Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Sagen Sie etwas zu dem Antrag!)

„Unberechtigt“, so sagt der Duden, kann ebenfalls „grundlos“ oder „unbegründet“ heißen, aber die Begriffe „grundlos“ und „unbegründet“ sind weniger spektakulär, und – was noch viel wichtiger ist – darauf kann man keine billige Polemik aufbauen.

(Klaus Breil [FDP]: Mal zur Sache!)

Ich persönlich halte diese Art des Umgangs mit dem Duden für bezeichnend für die Regierungskoalition.

(Klaus Breil [FDP]: Unterstufenniveau!)

Sie sehen immer nur die halbe Wahrheit. Was Ihnen nicht passt, das blenden Sie einfach aus.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die ganze Wahrheit ist doch, dass wir alle uns in einem Punkt sehr einig sind, nämlich dass die energieintensiven Unternehmen, die auch im internationalen Wettbewerb stehen, nicht zusätzlich belastet werden sollen. Dazu stehen wir als SPD, und so hatten wir es damals unter Rot-Grün bei der Ökosteuer festgeschrieben. Ausnahmeregelungen müssen begründet sein; auch dazu stehen wir. Genau diese Regelung – das gehört ebenfalls zur Wahrheit – hat Schwarz-Gelb in diesem Jahr entscheidend geändert. Früher galt, dass ein Unternehmen ab einem Stromverbrauch von 10 Gigawattstunden pro Jahr als energieintensives Unternehmen geführt wurde. Heute reicht ein Jahresverbrauch von 1 Gigawattstunde.

Was – meine Damen und Herren hier oben, Sie wissen es bestimmt nicht – bedeutet das denn?

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Frau Wolff, haben Sie schon einmal Prozentrechnen gelernt?)

Das bedeutet, dass heute statt 540 Unternehmen – ich beziehe mich jetzt auf Zahlen der Bundesregierung – 1.600 oder mehr Unternehmen entlastet werden. Mit anderen Worten: Statt 2,1 Milliarden Euro werden künftig bis zu 3,2 Milliarden Euro an Erneuerbarer-Energien-Umlage von kleinen Unternehmen und von den Privathaushalten bezahlt. Das ist  doch wieder eine richtige Entscheidung à la FDP. Irgendwie hat mich das an die Steuergeschenke an die Hoteliers erinnert.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das ist eine fixe Idee von euch!)

Da fragt sich natürlich auch der kleine Handwerker, weshalb er eigentlich für ein großes Kaufhaus die EEG-Umlage zahlen soll, und auch die Rentnerin fragt sich, wieso sie eigentlich die Kosten schultern soll, damit ein Hotel entlastet werden kann. Diese besondere Ausgleichsregel ist einzig und allein für die energieintensiven Unternehmen geschaffen worden, weil wir die Arbeitsplätze und Deutschland  als Industriestandort erhalten wollen. Es muss die Frage erlaubt sein: Ist die massive Ausweitung, die diese Koalition jetzt vorgenommen hat, überhaupt begründbar?

Die Bundesnetzagentur hat im März dieses Jahres einen Bericht vorgelegt, in dem sie zu dieser Frage Stellung explizit genommen. Sie hat gefragt, ob das wirklich noch die richtige Balance ist. Es wird ausgeführt, dass im Jahr 2012 die begünstigten Unternehmen zwar 18 Prozent des gesamten Stroms verbraucht haben, aber – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – sage und schreibe nur einen Anteil von 0,3 Prozent an der Erneuerbaren-Energien-Umlage bezahlt haben. Mit anderen Worten: Die Umlage, die uns demnächst ins Haus steht, nämlich 3,59 Cent je Kilowattstunde, läge ohne dieses Privileg bei genau 3 Cent pro Kilowattstunde.

Ich sage es noch einmal: Wir als SPD stehen zu einer Ausnahmeregelung. Die Bundesnetzagentur hat doch völlig recht, wenn sie infrage stellt, ob hier noch die richtige Balance gewahrt wird und ob kleine Unternehmen und Privathaushalte an dieser Stelle in die Bresche springen sollten für Unternehmen, die neuerdings zu den intensiven Energieverbrauchern gehören sollen.

Übrigens klagte Schwarz-Gelb die ganze Zeit – auch das ist sehr bezeichnend – über die hohen Kosten, die mit der Erneuerbaren-Energien-Umlage für die privaten Haushalte verbunden sind. Bei dieser Geschenkerunde jetzt sagt aber niemand von Ihrer Seite, dass die Privathaushalte und die kleinen Unternehmen die Zeche dafür bezahlen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie selber mit Ihrer Gesetzgebung sind die Kostentreiber bei der Umlage für erneuerbare Energien.

Ich bin Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Wir sind lange der Frage nachgegangen, wie wir unseren Wohlstand erhalten und trotzdem den unsäglich großen Verbrauch unserer Umwelt begrenzen können. Ist es möglich, diese Prozesse zu entkoppeln und unser Klima zu schützen? Ein Baustein – das ist über alle Fraktionsgrenzen hinweg unstrittig – ist der sparsame Umgang mit Energie. Wird der Strom teurer, sieht jeder zu, dass er Strom sparen kann. Das machen auch Unternehmen. Diesen Fakt haben besonders die Unionspolitiker und die FDP-Politiker betont. Klar ist aber, dass die Ausweitung dieser Ausnahmeregelung diesem Ansatz widerspricht. Damit kommt man nicht zu Einsparungen, und so verbessert man auch nicht die Energieeffizienz.

Was spräche eigentlich gegen ein verpflichtendes Energiemanagement als Voraussetzung für die Begünstigung bei der Energiesteuer? Darüber sollte man einmal nachdenken. Ein Energiemanagement, das nicht nur den Energieverbrauch und die Einsparpotenziale bewertet, sondern auch die Umsetzung von empfohlenen Maßnahmen vorschreibt, wäre eine Möglichkeit, um in der Bevölkerung mehr Akzeptanz für diese Begünstigung zu erreichen.

Ein Teil unserer Industrie, an dem Arbeitsplätze und Wohlstand hängen, ist stromintensiv, keine Frage. Niemand will die Produktion aus Deutschland verbannen. Fakt ist aber, dass bis 2020 – nach Schätzungen – 20 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs in der Industrie durch einen wirtschaftlicheren Einsatz eingespart werden könnten. Dieses Potenzial müssen wir heben. Hier muss man ansetzen und nicht entlasten, wenn mehr verbraucht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Entlastungen dürfen nur dort erfolgen, wo sie notwendig sind.

Zum Schluss: Viele Fragen, die in Ihrem Antrag, im Antrag der Linken, gestellt werden, sind richtig. Ihr Antrag enthält aber viele pauschale Äußerungen in Bezug auf Industrie und Standortfragen, die Arbeitsplätze betreffen. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Meine Fraktion wird sich der Stimme enthalten. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Michael Kauch [FDP]: Kraftvoll!)