Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will den antragstellenden Fraktionen, der Linken und den Grünen, ausdrücklich danken, dass sie diese Anträge hier eingebracht haben. Die Situation auf den Inseln, die Situation der unbegleiteten Minderjährigen und der weiteren Personen, die sich auf den Inseln befinden, ist beschämend für Europa. Das verlangt unsere Aufmerksamkeit. Hier muss dringend gehandelt werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich glaube, das sollte auch erst einmal der Ansatz des überwiegenden Teils dieses Hauses sein. Ich will meine Redezeit darauf verwenden, dafür zu werben, eine europäische Lösung anzustreben, und das auch begründen.
(Zuruf von der AfD: Das hat ja bislang gut funktioniert!)
Wir haben Handlungsbedarf. Es ist gesagt worden, dass wir im Bereich der humanitären Hilfe bereits gehandelt haben. Das verdient ausdrücklich den Dank seitens der SPD-Fraktion in Richtung Innenministerium. Den Druck, der durch die Bilder und die Anträge entsteht, wollen wir jetzt nutzen, noch einmal etwas mehr Unterstützung für unser Ansinnen zu erhalten, in Europa eine Koalition hinzubekommen, die gemeinsam handelt. Warum ist das so wichtig? Meine Partei, die SPD, hat sich vor 95 Jahren aufgemacht und aufgeschrieben, für die vereinigten Staaten von Europa einzutreten. Warum haben wir das gemacht? Nicht nur in der Hoffnung auf die Freundschaft der Völker, sondern auch, weil wir gespürt haben, dass es ein Aufeinander-angewiesen-Sein auf diesem Kontinent gibt, auf dem so viele Völker miteinander leben, und dass dieses Aufeinander-angewiesen-Sein erfordert, dass wir solidarisch miteinander umgehen, insbesondere bei den Fragen, die uns gemeinsam betreffen; denn nur das sichert unseren Frieden, und nur das sichert unseren Wohlstand. Genau das hat uns 2015 Probleme gemacht. Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 haben wir den Ländern an den Außengrenzen der Europäischen Union im Süden die Mittel gekürzt, ihnen einen Sparkurs aufoktroyiert und ihnen damit auch ein Stück weit die Luft zum Atmen und die Chancen genommen, ihre Dinge im Innern gut zu regeln. Dann kam 2015. Wir haben ignoriert, dass die Zahlen unter anderem in Italien und in Griechenland schon jahrelang gestiegen waren. 2015 haben wir in Deutschland entschieden: Wir müssen humanitär handeln und haben in Ungarn gesagt: Die Menschen können zu uns kommen. – Als das passiert ist, haben wir gesagt: Jetzt wollen wir gerne die Solidarität der europäischen Staaten. – Das funktioniert nicht. Solidarität ist keine Einbahnstraße,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
sondern Solidarität können wir nur miteinander walten lassen. Genau an diesem Punkt stehen wir heute. Wir müssen für Solidarität werben. Wir haben im zweiten Halbjahr dieses Jahres die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union inne. Wir haben jetzt also ein besonderes Zeitfenster und eine besondere Chance, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Wir dürfen jetzt nicht ein Mal humanitär sein und eigenständig, im Alleingang handeln und damit möglicherweise eine Lösung torpedieren und verhindern, dass wir auf lange Sicht nicht mehr humanitär handeln können. Deswegen werbe ich dafür, dass wir das Innenministerium bzw. die Bundesregierung ermutigen, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, mehrere europäische Länder dazu zu gewinnen, auf den griechischen Inseln zu handeln. Der Bundespräsident hat heute gesagt: „Handeln wir als gute Nachbarn in Europa.“ Das ist für mich kein Satz, der nur in eine Gedenkrede gehört, sondern das ist ein Satz, den wir uns in jeder Debatte vor Augen führen müssen, angesichts dessen wir jeden Tag aufs Neue überprüfen müssen, wo wir in Europa gemeinsam gefordert sind. „Handeln wir als gute Nachbarn in Europa“ bedeutet keine deutschen Alleingänge, erst recht nicht ein halbes Jahr vor der deutschen Ratspräsidentschaft, und auch, jetzt europäische Lösungen auf den griechischen Inseln anzustreben, damit die Verhältnisse dort verbessert werden können. Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)