Wir beschließen heute die Aufnahme der Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" in den Katalog des Arbeitnehmerentsendegesetzes.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute die Aufnahme der Branche „Schlachten und Fleischverarbeitung“ in den Katalog des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dieser Entscheidung ging viel voraus. Unerträgliche Zustände machten unser Eingreifen ‑ denn das ist es ‑ bitter notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Viele Arbeitgeber in der Fleischbranche haben ihr einst ehrbares Handwerk durch sittenwidrige Behandlung der Arbeitskräfte in Verruf gebracht. Für überlange Arbeitstage von 12, manchmal 15 Stunden am Tag erhalten die häufig ausländischen Arbeitnehmer Armutslöhne, die kaum zum Leben ausreichen, selbst in Massenunterkünften oder Mehrbettzimmern nicht. Die Arbeitgeber haben jahrelang skrupellos daran gefeilt, ihren Gewinn auf Kosten der Mitarbeiter immer weiter zu steigern. In diesem Fall kann man sagen: Nicht der Fisch stinkt vom Kopfe her, sondern das geschlachtete Tier. Umso erfreuter bin ich heute, dass die Fleischbranche nun die Skandale hinter sich lassen will. Mit der Einwilligung in den Mindestlohntarifvertrag zeigen die Arbeitgeber ein Einsehen in die Notwendigkeit einer Kursänderung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sicherlich half dabei neben dem Druck aus der Politik und der Öffentlichkeit auch der von uns angekündigte gesetzliche Mindestlohn. Immerhin gründete diese Branche dafür erstmals und endlich einen Arbeitgeberverband, der ‑ das sage ich dazu ‑ perspektivisch sicherlich noch mehr leisten kann und auch mehr leisten muss. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie möchten wir das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zukünftig für alle Branchen öffnen.

(Beifall bei der SPD)

Die problembeladenen Zustände in der Fleischbranche machen es aber notwendig, hier sofort zu reagieren. Angesichts des dringenden Handlungsbedarfs ist es deshalb der richtige Weg, die Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" nun unverzüglich in den Katalog des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufzunehmen. Mit dieser Aufnahme ist dann der Weg frei für den Erlass einer Mindestlohnverordnung. Damit gilt der Mindestlohntarifvertrag für die gesamte Fleischbranche ‑ auch für nicht tarifgebundene Betriebe ‑ und für die zahlreichen, meist osteuropäischen Werkvertragsnehmer, die noch für Niedriglöhne arbeiten. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, dass auch die Werkverträge sozusagen in die Kette aufgenommen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der nun auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes bestehende Mindestlohntarifvertrag hat damit international zwingende Wirkung und gilt für alle in- und ausländischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Auf diese Weise wird es keine Schlupflöcher mehr geben.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Scheinselbstständige!)

Ab dem 1. Juli dieses Jahres erhalten die Arbeitnehmer in der Fleischbranche mindestens 7,75 Euro pro Stunde. Das ist für viele eine sehr deutliche Lohnerhöhung. Ich gebe zu, man könnte kritisieren, dass wir in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 unter dem gesetzlichen Mindestlohn bleiben. Aber ab dem 1. Oktober 2015 wird in dieser Branche mit einem Stundenlohn von 8,60 Euro der Mindestlohn schon überschritten.

(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Um 10 Cent!)

Im Jahre 2016 landen wir dann bei 8,75 Euro. Davon werden viele Tausend Menschen profitieren.

(Beifall bei der SPD)

Ganz besonders wichtig ist uns eine sorgfältige Kontrolle.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sind wir aber gespannt!)

Denn wenn die Einhaltung nicht überprüft wird, dann ist das beste Gesetz nichts wert. Die Zuständigkeit für die Überwachung der Mindestlohnanforderungen im Bereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes liegt bei den Zollbehörden. Natürlich werden diese zusätzlichen Überprüfungen in der Fleischbranche zu einem höheren Personal- und Sachaufwand führen.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Steht aber nichts im Haushalt!)

Wir gehen im Gesetzentwurf von einem zusätzlichen Bedarf von 42 Arbeitskräften aus. Dies wird in den kommenden Haushaltsverhandlungen auch berücksichtigt werden müssen.

(Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Steht aber noch nicht drin! ‑ Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum habt ihr es nicht eingestellt?)

Wir sind sehr optimistisch, dass uns auch dies gelingen wird. Stellen die Zollbehörden bei ihren Kontrollen Verstöße gegen die Mindestlohnbestimmungen fest, dann drohen Bußgelder von bis zu 500 000 Euro.

Ich will in diesem Zusammenhang noch einen elementaren Punkt ansprechen. Der Generalunternehmer haftet ‑ auch ohne eigenes Verschulden ‑, wenn ein Subunternehmer oder Subsubunternehmer seinen Arbeitnehmern nicht den Branchenmindestlohn zahlt. Daher ist es für die Unternehmer wichtig, sich ihre Subunternehmer sorgfältig auszusuchen; denn sie können sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen. Das schafft Sicherheit für die Beschäftigten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das Lohndumping in der deutschen Fleischbranche hat zu großer Empörung in unseren Nachbarstaaten geführt. Die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist auch ein Beitrag zu einem fairen und funktionsfähigen Wettbewerb innerhalb Europas. So erreichen wir Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa zu fairen Bedingungen.

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz heute eine einigermaßen faire Entlohnung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Fleischbranche erwirken können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)