Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es geschah im Jahr 2008: Ein Jahr vor der Bundestagswahl versprach eine Bundeskanzlerin den Menschen die Bildungsrepublik.

Sie machte Bildung zur Chefsache, traf sich im herbstlichen Dresden mit den Ministerpräsidenten und verkündete, gemeinsam mit den Ländern bis 2015 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung ausgeben zu wollen.

Das wären nach damaliger Rechnung 40 Milliarden Euro mehr für Bildung gewesen. Es wurden zwei Arbeitsgruppen eingerichtet, um die Einlösung dieses Versprechens vorzubereiten. Es zog ein weiteres Jahr ins Land. Der nächste Bildungsgipfel fand im Jahr 2009 statt. Die Erwartungen waren groß, das Ergebnis mager. Vor allen Dingen wurde eine neue Bildungsfinanzstatistik vorgelegt, in der man wundersamerweise zu dem Ergebnis kam, dass die Lücke zum 10-Prozent-Ziel nur noch 13 Milliarden Euro betrage.

Davon wolle der Bund 40 Prozent übernehmen, versprach die Kanzlerin. Doch, Fehlanzeige für den, der auf konkrete Entscheidungen für mehr und bessere Bildung in diesem Land gewartet hatte. Stattdessen hatten die Ministerpräsidenten schon zu diesem Zeitpunkt ganz deutlich gesagt: Wir brauchen angesichts der katastrophalen Lage der öffentlichen Haushalte eine bessere Finanzausstattung, bevor ihr Bundespolitiker sagt, dass wir noch mehr Geld für Bildung ausgeben sollen.

 (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Aber diese Botschaft war offensichtlich nicht angekommen. Darüber waren die Ministerpräsidenten sehr verärgert.

Letzte Woche, im Juni 2010, fand der dritte Bildungsgipfel statt. Das 10-Prozent-Ziel sei, so vermerkt das vorläufige Protokoll, finanzpolitisch nicht darstellbar. Das heißt, all die schönen Versprechen sind geplatzt. Die erwartungsvolle Öffentlichkeit erlebte den dritten und hoffentlich letzten Akt des Dramas vom Scheitern der Bildungskanzlerin und ihrer Ministerin.

(Beifall bei der SPD)

Das einzig konkrete Ergebnis – 200 Millionen Euro pro Jahr für die dritte Säule des Hochschulpaktes bis 2020 ist mehr als nichts, aber bei weitem zu wenig angesichts des vom Wissenschaftsrats geforderten Bedarfs von 1,1 Milliarden Euro pro Jahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Frau Ministerin,

das Scheitern ist verhängnisvoll und offenbart einmal mehr die Unfähigkeit der Regierung und der sie tragenden Fraktionen, ihre Gestaltungsmehrheit zum Wohle der Menschen und zum Wohle des gesamten Landes zu nutzen. Mit Ihrer Unfähigkeit gefährden Sie in der Krise zusätzlich die Basis für Wachstum

(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Falsche Analyse!)

und den Ausbau dieser Basis, nämlich den Ausbau eines guten Bildungssystems in der ganzen Republik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Unionsministerpräsidenten Koch und Carstensen haben schon vor Wochen angekündigt und damit begonnen, den Bildungskahlschlag zu betreiben. Sie haben sich schon deutlich vorher vom 10-Prozent-Ziel verabschiedet. – So viel zu Ihrer Einigkeit und zur Abstimmung innerhalb der Union, was Mehrausgaben für Bildung angeht. Wenn man dann noch Ihren haushaltspolitischen Sprecher hört, der seit Wochen entgegen allen anderen Bekundungen sagt, Bildung sei kein Bereich, der vom Sparen ausgeschlossen werden müsse, dann hat man große Befürchtungen, was noch auf diese Republik zukommt.

Davon kann auch nicht die Pauschalattacke von Frau Schavan ablenken, die sie gegen die Länder gerichtet hat, indem sie ihnen kleinkarierten Föderalismus und das Umfunktionieren des Bildungsgipfels in einen Steuergipfel vorwirft.

(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Da hat sie recht!)

Frau Ministerin, Sie selbst haben die Messlatte für einen Erfolg in den Bund-Länder-Verhandlungen gelegt. Ich zitiere aus Ihrer Plenarrede vom 26. November 2009: … die Frage, wer welchen Pakt mit den Ländern umsetzt, ist eine Frage der politischen Kunst. Recht haben Sie mit dem, was Sie da gesagt haben. Sportlich formuliert kann man anschließen: Sie haben die Latte auf dem letzten Bildungsgipfel gerissen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es reicht eben nicht, sich auf den Machtworten von Frau Merkel auszuruhen. Da muss etwas mehr Handwerkszeug und Verhandlungskunst her, und da müssen die Grundrechenarten beherrscht werden. Wenn die Länder nun zu Recht auf die prekäre Finanzsituation hinweisen, dann kann man ihnen nicht sehenden Auges 4 Milliarden Euro zugunsten von Steuergeschenken für Hoteliers und Erben entziehen. Diese Rechnung kann nicht aufgehen; das haben Ihnen die Länder aber schon vorher gesagt.

(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])

Da hilft es auch nichts, wenn Sie ihnen 5,7 Milliarden Euro, also die versprochene 40-Prozent-Finanzierung, anbieten und Sie mit der Gießkanne durch das Land gehen und ihnen Modellprojekte und ähnliche Dinge in Aussicht stellen. Davon haben die Länder nichts; davon hat die Bildung nichts. Da kann man höchstens sagen: Wir haben an der Stelle irgendetwas getan. Das aber glauben Ihnen noch nicht einmal die Haushälter Ihrer eigenen Fraktionen; denn viele der Maßnahmen, die Sie öffentlich verkündet haben, sind bis heute mit Sperrvermerken versehen. Also kann man den Ländern an der Stelle nichts nachsehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Seit den Sparbeschlüssen dieser Koalition, die in der letzten Woche getroffen wurden, gibt es wirklich einen noch größeren Grund zur Sorge. Sie alle haben mitbekommen, dass es beim Arbeits- und Sozialministerium einen großen Kahlschlag geben wird. Die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den Zahlungen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern steht an. Frau Ministerin, wir haben die große Sorge, dass der Haushalt des Bundesbildungsministeriums dazu dienen muss, die Lücken, die die Koalition in den Haushalt des Arbeitsministeriums geschlagen hat, zu schließen. Davor können wir Sie jetzt nur warnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Angesichts dessen kann ich nur an Sie appellieren: Wenden Sie doch einfach einmal die vier Grundrechenarten an! Wer mehr Geld für Bildung ausgeben will, der muss auch für höhere Steuereinnahmen sorgen. Wir haben den Bildungssoli vorgeschlagen. Es wird Zeit, dass Sie auf dieses Angebot eingehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)