Bevor Schwarz-Gelb regierte, hat es eine Energiewende gegeben, die Rot-Grün mit Augenmaß und Realismus eingeleitet hatte, sagte Frank-Walter Steinmeier. Die jetzt zuständigen Minister Rösler und Röttgen würden gegeneinander arbeiten und die Kanzlerin steuere nicht. Das, was die Regierung abliefere sei „kurzsichtig mit Blick auf das Klima und die Ressourcen und kurzsichtig mit Blick auf die Wirtschaft,” warf der SPD-Fraktionschef der Regierung vor.
Diese Debatte war lange überfällig. Was Sie von der Regierungsbank Energiewende nennen, ist ein einziges Gewürge.
Bis Sie dran waren, da gabs die Energiewende. Von rot-grün durchgesetzt, mit Augenmaß und Realismus!
Dann kamen Sie! Ihre Energiewende war die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke. Dann kam Fukushima und alles war anders. Dann mussten alle Irrtümer beseitigt werden! Dann gingen 8 AKWs vom Netz und mit den Regenerativen konnte es gar nicht schnell genug gehen. Doppelte Kehrtwende, hehre Ziele, aber seit dem ist Schicht im Schacht. Viel Palaver, aber keine Politik. Nichts geht vorwärts. Die Energiewende ist vor die Wand gefahren, bevor sie begonnen hat!
Es ist ja - weiß Gott - nicht nur in der Energiepolitik so, aber hier ist es absolut brandgefährlich: In diesem Kabinett weiß die eine Hand nicht was die andere tut! Schlimmer noch: Die Hauptbeteiligten arbeiten in der zentralen Frage gegeneinander! Da hat Herr Rösler seine Runden, da hat Herr Röttgen seine Runden. Die Vertreter der Wirtschaft sagen: Sie fühlen sich wie im Brummkreisel: dauernd in Bewegung, immer um dieselbe Achse, aber nie vorwärts!
Energiewende, das ist in diesem Kabinett vor allem Chaos, ministerielle Eitelkeiten. Und was das Kanzleramt angeht, die Verweigerung jeder Steuerung des Prozesses. Es scheint nicht mal zu interessieren, dass da etwas vor die Wand läuft.
Ganz nebenbei missbrauchen Sie auch noch Ihre eigene Expertenrunde. Töpfer, Hauff und Co hatten Ihnen zum beschleunigten Ausstieg geraten, aber auch gesagt: Das kriegt nur hin, wer Aus- und Umstieg als zentrale Herausforderung begreift und durch ein politisches und gesellschaftliches Monitoring eng begleitet. Die Legitimation für den Ausstieg haben Sie schnell abgegriffen; alles von Ihrer Ethikkommission, alles andere haben Sie geflissentlich unterschlagen! So geht man nicht mit denen um, die Sie aus dem selbstgeschaufelten Loch herausgeholt haben.
Aber noch entscheidender ist: Sie begreifen nicht, dass das Energienetz so etwas wie das Nervensystem einer hochentwickelten Industriegesellschaft ist. Wenn das nicht funktioniert, gerät der ganze Mechanismus in Gefahr.
Ich rede noch gar nicht vom Blackout. Aber der ganze Bereich hochtechnologischer Produktion – und davon leben wir – funktioniert nur bei absolut schwankungsfreier Energieversorgung – in der Chemie, bei der Metallurgie und anders wo!
Und Sie müssen doch sehen, dass alle Warnlampen schon leuchten. Wenn Sie’s mir nicht glauben, dann fragen Sie die Netzagentur. Vor wenigen Jahren hatten wir im ganzen Jahr 5 bis 10 Eingriffe von außen zur Stabilisierung des Netzes gehabt. Im letzten Jahr waren es nicht doppelt oder dreimal so viel, sondern 900! Da müsste doch jedem ein Licht aufgehen, dass man das so nicht lange lassen kann.
2. Warnlampe: Netzausbau!
Weil’s schwierig ist, müht sich ja zur Zeit alle Welt den Ausbaubedarf nach unten zu rechnen. Aber es ist doch völlig gleich, ob man 4000, 3000 oder 2 ½ tausend Kilometer neue Netze braucht: fest steht, dass von 700 km in Schleswig-Holstein gerade erst mal 30 gebaut sind. In diesem Tempo haben wir auch in 100 Jahren noch nicht das Netz, ohne das die Energiewende schlicht nicht funktioniert.
Sie schreiben Ziele auf und tun so, als ob sie sich selbst erfüllen. Passiert aber nicht! Siehe Offshore! Da schreiben sie in die Verordnung jeder Windpark soll in spätestens 30 Monaten angeschlossen werden, aber die Lieferzeit für die Kabel betragen allein 40-45 Monate. Wer hat denn eigentlich den Hut auf, so was mal mit der Wirtschaft zu koordinieren. Die fassen sich doch dort alle an die Köpfe!
3. Warnlampe: Sie unterstellen einfach, Gaskraftwerke sollen Leistung ins Netz liefern, wenn Sonne nicht scheint und Wind nicht weht. Schön und gut. Aber wo sind die denn, die Gaskraftwerke? Und wer soll sie bauen? Für 2000 Betriebsstunden im Jahr rechnet sich kein Gaskraftwerk. Da finden Sie keine Investoren. Seehofer merkt’s ja gerade; 6 hat er angekündigt für Bayern und keiner baut! Wenn Sie nicht endlich an einen Regulierungsrahmen gehen, der Investitionssicherheit schafft, ist Pustekuchen mit Gaskraftwerken als Ergänzung für die Erneuerbaren.
Überhaupt Erneuerbare. Da brennt doch die 4. Warnlampe. Dank EEG sind die Erneuerbaren ja raus aus der Nischenenergie fürs gute Gewissen! Aber jetzt regieren Sie seit 2 Jahren und jammern nur über das Fördervolumen. Da müssen wir was tun, aber das Kernthema ist doch ein anderes: Wenn Leistung aus Regenerativen nicht mehr randständig ist, sondern relevante Anteile an der Gesamtversorgung gewinnt, dürfen beide nicht urwüchsig, unkoordiniert nebeneinander wachsen. Was wir jetzt brauchen ist eine innovative Fortentwicklung des EEG, mit neuen energiewirtschaftlichen Steuerungselementen und einer Synchronisation zwischen Netzausbau und Installation neuer Anlagen. Nichts davon ist auf dem Weg!
Zum Schluss: Die größte Illusion ist, dass wir einfach in der Zukunft denselben Energiebedarf nur anders produzieren. Das wird nicht gehen! Wir müssen mit weniger Energieeinsatz auskommen. Energieeffizienz ist das Thema. Aber dazu hören wir kein Wort aus der Bundesregierung.
Das ist nicht nur kurzsichtig mit Blick aufs Klima und endliche Ressourcen. Es ist auch wirtschaftspolitisch ignorant. Denn hier bei Energieeffizienz liegt das große Innovationspotential für den deutschen Mittelstand. Keiner weiß, ob wir bei der Produktion von Solarzellen wettbewerbsfähig bleiben. Beim Bau von Klimatechnik, Prozesssteuerung, Maschinenbau läuft uns so schnell keiner den Rang ab. Hier liegen unsere Wettbewerbsvorteile, hier können wir unsere Wertschöpfungskette voll ausspielen, Wachstum und Arbeitsplätze sichern!
Denn eins ist klar: Energiepolitik ist mehr als Klimapolitik. Sie ist im besten Sinne des Wortes auch moderne Wirtschaftspolitik. Die setzen Sie mit Ihrem energiepolitischen Dilettantismus gerade aufs Spiel!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.