Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Namentliche Abstimmung hat die antragstellende Fraktion beantragt. Ich bin Ihnen ausdrücklich dafür dankbar. Ihr Kalkül ist natürlich durchschaubar: Sie wollen, dass sich gerade die Abgeordneten der SPD- und der CDU/ CSU-Fraktion sich öffentlich bekennen. Aber genau das Umgekehrte ist der Fall: Wir zwingen Sie dazu, endlich zu zeigen, ob Einzelne von Ihnen noch den Mumm haben, sich namentlich zu diesem freien demokratischen und sicheren Deutschland, in dem wir leben, zu bekennen.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Und nicht nur das: Ich bin Ihnen dankbar, weil wir so die Möglichkeit haben, uns zu vergewissern – das müssen wir auch –, dass diese freiheitlich-demokratische Grundordnung, in der wir leben, keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir um sie ringen müssen, dass sie kein Selbstläufer ist, dass Demokratie keine Zuschauerveranstaltung ist und dass alle Alternativen zu diesem offenen freien Land, in dem wir leben dürfen, viel schlechter sind als dies.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU] und des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])
In Ihrem Antrag malen Sie bestimmte Szenarien dieses Landes an die Wand,
(Zuruf von der AfD: Realität, keine Szenarien!)
Szenarien des Ansturms auf die Grenzen. Ich kehre aber zur Wirklichkeit zurück, zu der Situation in diesem Land. Ein eingemauertes Land, wie Sie es sich wünschen, ist eine eingepferchte Gesellschaft. In einer eingepferchten Gesellschaft wächst nicht die Sicherheit, aber die Angst. Das weiß jeder, der Diktaturen beobachtet hat.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN und des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Es ist so, dass Sie uns Zeit rauben, wenn Sie solche begrenzten Anträge stellen. Wie wäre es einmal, frage ich mich, wenn Sie stattdessen mit uns zusammen nach Ceuta oder nach Griechenland zu den Betroffenen oder Gefüchteten reisen würden oder wenn Sie sich mit ehrenamtlichen Helfern auseinandersetzen würden oder wenn Sie die Regierungen der Golfstaaten oder die von Ihnen so geschätzten Regierungen in den osteuropäischen Staaten beknien würden, damit sie endlich einmal europäische Solidarität üben und Deutschland zur Seite stehen?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nein, nichts davon tun Sie, sondern eine Besuchergruppe von AfD-Bundestagsabgeordneten hofert den Großmufti von Damaskus und Baschar al-Assad. Sie fraternisieren mit Fluchtursachen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
wollen aber, dass wir Mauern aufbauen, Grenzen zumachen, Asylrecht abbauen, und schwadronieren dann auch noch, dass wir uns doch um die Fluchtursachen kümmern sollten. Wie scheinheilig und bigott kann man nur sein!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Herr Kollege Lindh, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von der AfD?
Helge Lindh (SPD):
Ich gestatte keine Zwischenfrage. Es tut Ihnen gut, einmal zuzuhören und nicht sich selbst zu hören.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist so bigott – das sage ich Ihnen –, dass Gott sich vor lauter Gottlosigkeit und Schaudern umdrehen würde.
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der AfD)
In einem Zwischenruf im Dezember sagte Herr Gauland – ich zitiere –: Wir haben den humanitären Ansatz: für unser Volk!
(Zuruf von der AfD)
Unser humanitärer Ansatz hier in diesem Hohen Hause lautet: Menschenrechte sind Menschenrechte,
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Menschenrechte sind nicht völkisch, Menschenrechte haben keine Nationalität, Menschenrechte haben keine Religion, Menschenrechte haben keine Hautfarbe. Das liegt im Wort: Menschenrechte sind universal. Aber Gott sei Dank haben wir hier noch die Wahl, zu entscheiden, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Meine Verwandten und Vorfahren, die jenseits des Eisernen Vorhangs lebten, hatten diese Möglichkeit nicht. Ich habe noch in frühester Jugend den Grenzübertritt erlebt, das Herzrasen, das Zittern.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Ich habe erlebt, wie sie über die Schrecken des Mauerbaus berichteten und wie sie schilderten, dass, bevor die Mauer fel, Unfreiheit, Angst und Hoffnungslosigkeit dominierten. Nein, eine Festung Europa nach innen und außen, ein eingemauertes Deutschland, eine eingepferchte Gesellschaft der Angst: Das alles wollen wir nicht, das gibt es nicht – nicht mit uns. Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)