Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Trotz später Stunde erleben wir in diesem Moment eine wahrlich historische Stunde: Zum ersten Mal in der Geschichte kann der Bundestag als nationales Parlament bei einem Handelsabkommen, das normalerweise Gemeinschaftsaufgabe der Europäischen Union ist, mitbestimmen.
Dieses Recht haben wir uns hart erstritten. Der Kollege Fritz hat zu Recht gesagt, dass er und ich und einige Kollegen uns schon seit über zehn Jahren mit dem Handelsbereich beschäftigen. Wir haben uns gegenüber dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission immer dafür eingesetzt, dass der Bundestag hier mitbestimmen darf.
Das haben wir aber nie aus Selbstzweck getan, nach dem Motto „Hauptsache, wir wollen mitreden“, sondern für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war das deshalb wichtig, weil wir immer auch in der WTO verankert haben wollten, dass Freihandel immer mit klaren ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Standards einhergeht und dass diese auch in den Freihandelsabkommen verbindlich verankert werden, damit der Handel eben allen zugute kommt, auch den armen und ärmsten Menschen und nicht nur den Unternehmerinnen und Unternehmern.
Deswegen: Wenn wir heute als SPD-Fraktion dieses Abkommen ablehnen und die Europäische Union zu Nachverhandlungen auffordern, damit menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards verbindlicher verankert werden, dann richtet sich unser Nein nicht gegen Peru oder Kolumbien und auch nicht gegen den Freihandel generell.
Wir anerkennen auch, dass sich insbesondere in Kolumbien, aus dem Bürgerkrieg kommend, viele Fortschritte entwickelt haben. Auch die MDGs werden fast alle erreicht, und die Armut geht stark zurück. Trotz aller Probleme sind diese Länder sicherlich auch von uns darin zu unterstützen, dass sie aus der Armut herauskommen. Wenn wir dort auch mit wirtschaftlichen Impulsen etwas verstärken können, dann wollen wir das gerne tun. Das geht aber nicht ohne Regeln.
Auch das Europäische Parlament hat es bedauert, dass in diesem Handelsübereinkommen keine verbindlichen Streitbeilegungsmechanismen vorgesehen sind. Das genau ist unser Kernkritikpunkt. Es nützt eben nichts, wenn in dem Kapitel „Nachhaltige Entwicklung“ in diesem Abkommen das schärfste Schwert lediglich das ist, dass man einmal miteinander darüber geredet hat. Es ist völlig unlogisch, dass nicht der gleiche Streitbeilegungsmechanismus, der für den Handelsteil gilt, auch für diese wichtigen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Fragen angewendet wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Deswegen fordern wir in unserem Entschließungsantrag dazu auf, dass die EU nachverhandelt, damit menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards sowie entsprechende Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen in dem allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus verankert werden; denn wir glauben, nur dann, wenn am Ende auch damit gedroht werden kann, dass ein solches Abkommen ausgesetzt wird, ist auch genug Druck vorhanden, damit die Menschenrechte und die sozialen und (C) ökologischen Standards eingehalten werden.
Wir wollen, dass ein solches Abkommen den Menschen dient, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Ärmsten. Deswegen bitten wir Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen und sich diese Chance des Deutschen Bundestages, bei der Europäischen Union ein Wort einzulegen, jetzt nicht aus irgendwelchen parteipolitischen Gründen entgehen zu lassen.
In diesem Sinne: Lassen Sie uns für ein faires und gerechtes Freihandelsabkommen streiten.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])