Arbeits- und Gesundheitsschutz sind wichtig für die Lebensqualität in unserem Land. Das zukünftige Wachstum muss eine erfolgreiche Wirtschaft und gute Arbeitsbedingungen verbinden, um ein gutes Leben möglich zu machen. Dafür stellt die SPD ein schlüssiges Konzept vor, wie wir mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt umgehen sollten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In letzter Zeit wird immer mehr über die Stärken des Arbeitsmarktes geredet. Aber damit so eine Diskussion über den allgemeinen Wohlstand unserer Gesellschaft überhaupt Sinn macht, muss man sich erstmal mit dem Wohlbefinden jedes einzelnen in der Arbeitswelt befassen. Daher bin ich froh, dass im Fokus der heutigen Debatte das wichtigste Kriterium für die Gestaltung einer erfolgreichen Arbeitswelt steht, nämlich die Gesundheit der Beschäftigten und damit die Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit. 

Ich möchte zunächst an das Gesundheitsverständnis im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation erinnern. Gesundheit besteht eben nicht nur aus der Abwesenheit von Krankheit, sondern Gesundheit stellt einen Zustand von vollständigem physischen, psychischen und sozialen Wohlbefinden dar. Den Eindruck von so einem Zustand bekomme ich jedoch nicht, wenn ich in meinem Wahlkreis in verschiedenen Betrieben unterwegs bin. Immer häufiger stößt man auf Klagen der Beschäftigten, dass der Leistungsdruck enorm zugenommen hat. An vielen Arbeitsplätzen in Deutschland hat sich der Stress in den letzten Jahren deutlich erhöht.   

Man lässt sich von der technologischen Entwicklung und den neuen Arbeitsmethoden auf den ersten Blick begeistern. Es wird von einem Wandel der Arbeitswelt gesprochen. Aber dieser Wandel ist mitnichten eine rein positive Entwicklung. Von den bisherigen Erfahrungen ist klar, dass durch den Wandel die klassischen harten Belastungsfaktoren wie körperliche Belastungen abnehmen, aber die psychischen Faktoren zunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die immer schnelleren Veränderungen und die prekären Arbeitsbedingungen führen zu einer Arbeitsweise unter permanentem Zeitdruck und ständiger Unsicherheit ohne feste Zukunftspläne. Die Verdichtung der Arbeit, zunehmende Arbeitszeiten, Leih- und Zeitarbeit, immer mehr Schicht- und Nachtarbeit, steigende inhaltliche Anforderungen und vieles mehr erhöhen den psychosozialen Druck auf Beschäftigte. Und wer dauerhaft unter Stress leidet, läuft Gefahr, psychische Störungen herauszubilden.

Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr, dass ein Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und psychischen Erkrankungen besteht. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass seit 2006 die Anzahl an seelischen Erkrankungen um 75% zunahm. Der Anteil psychischer Erkrankungen an allen Erwerbsminderungsrenten lag 2012 bei 41%. Es geht nicht nur darum, dass die Frühverrentungen wegen Arbeitsunfähigkeit teuer sind, sondern es geht um viel mehr. Es geht um Nachhaltigkeit. Wir müssen Arbeit so gestalten, dass sie uns gesund altern lässt.

Um eine bessere Arbeitswelt zu schaffen, ist es wichtig, die veränderten und neu entwickelten Belastungen zu identifizieren. Wir brauchen neue Regelungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz, um auf die steigenden psychischen Belastungen zu reagieren. Wir Sozialdemokraten fordern die Bundesregierung seit langem auf, zu handeln. Die bisherigen Konferenzen der Regierung sind nicht ausreichend. Dabei hat sich deutlich gezeigt, dass die Bundesregierung nur zu minimalen Änderungen des Arbeitsschutzes bereit ist. Die Regierung tut nichts Substanzielles, um gegen übermäßigen Stress in der Arbeitswelt vorzugehen. Selbst die von Arbeitsministerin von der Leyen angepriesene gemeinsame Erklärung der Sozialpartner zur psychischen Gesundheit bei der Arbeit ist im letzten Augenblick an den Arbeitgebern gescheitert.

Wir als SPD haben ein schlüssiges Konzept entwickelt, wie wir mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt umgehen müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen dringend eine Anti-Stress-Verordnung, um die Regelungslücke im Arbeitsschutz zu schließen. Im Arbeitsschutz ist alles Mögliche detailliert geregelt; ich denke zum Beispiel an die Biostoffverordnung. Aber eine Verordnung im Bereich der psychischen Belastungen fehlt jedoch. Eine Anti-Stress-Verordnung erleichtert die Handhabung des Gesetzes, denn es wird für Arbeitgeber, Arbeitsnehmer und die Aufsichtsbehörden klar definiert, was zu tun ist.

Weiter muss die Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) in Betrieben sichergestellt werden. Ein wichtiges Ziel ist, in den Betrieben Arbeitnehmern, die länger als sechs Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, zu helfen, möglichst frühzeitig wieder arbeiten zu können. Sonst besteht die Gefahr, dass sie aufgrund der Ausgeschlossenheit in eine neue Depressionsphase geraten. Wir müssen diese Bedingungen für eine stärkere Beteiligung der Krankenkassen schaffen. Sie sollen Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen in den Betrieben fördern. Und es soll geprüft werden, ob psychische Erkrankungen in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden. Dadurch könnten Rehabilitation und Entschädigung durch die Unfallversicherung ermöglicht werden.

Es ist dringend nötig, sich über Prävention mehr Gedanken zu machen. Dafür ist es wichtig, dass die Arbeitsschutzaufsicht gut und effektiv arbeiten kann. Wir brauchen keinen Personalabbau, sondern umfassendere Kontrollen, um fehlenden Arbeitsschutz sanktionieren zu können. Prävention kann zudem nur dann erfolgen, wenn Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden. Wir müssen daher sorgen, dass alle Betriebe Gefährdungsbeurteilungen erstellen. Kurz und gut: Wir müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass psychische Belastungen erst gar nicht entstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur gesunde und motivierte Mitarbeiter können erwerbstätig sein. Es ist im Interesse jedes einzelnen Arbeitnehmers, bei der Arbeit nicht krank zu werden. Es ist aber auch im Interesse der Arbeitgeber, gesunde Mitarbeiter zu haben, damit diese keine Ausfallzeiten haben.

Außerdem ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz wichtig für die Lebensqualität in unserem Land. Das zukünftige Wachstum muss eine erfolgreiche Wirtschaft und gute Arbeitsbedingungen  verbinden, um ein gutes Leben möglich zu machen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.