Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Sophia heißt sie. Am 24. August 2015 hat sie das Licht der Welt erblickt. Sie wirkt wie jedes Kind ein wenig zerknittert, ist aber in Sicherheit; denn Sophia wurde auf der Fregatte „Schleswig-Holstein“ geboren. Mit dem Namen Sophia steht im wahrsten Sinne des Wortes, wie es der griechische Name sagt, die Tugend im Mittelpunkt; denn ein Stabsarzt und ein Obermaat halfen der somalischen Mutter bei der Entbindung auf hoher See. Für dieses kleine Menschlein ist die Welt noch recht übersichtlich. Doch sie hat im Moment ihrer Geburt bereits mehr erlebt als viele andere Menschen. Sie trägt die Hoffnung und die Angst von Hunderttausenden auf den Schultern, die nach dem Sehnsuchtsort Europa fliehen, diesem Sehnsuchtsort, dem gestern unsere britischen Nachbarn die kalte Schulter gezeigt haben. Sie wird in eine Welt geboren, die, wie es unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagt, aus den Fugen geraten ist. Sophia gab der Operation, die wir heute beraten, ihren Namen, und sie wird sich irgendwann einmal fragen: Was war da los? Was war das für eine Welt, in der meine Mutter unser Leben aufs Spiel gesetzt hat? Wer waren diese Menschen, die uns geholfen haben? Warum wollten andere Menschen nicht helfen? Ich sage Ihnen ganz klar, meine Damen und Herren: Ich möchte eines Tages nicht zu denen gehören, die ihre Augen verschlossen oder mit Zynismus reagiert haben. Ich will zu denen gehören, die sich den Herausforderungen unserer Zeit stellen, die nicht abwarten und Tee trinken, sondern tatsächlich handeln.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann fangt an!)

Zu diesen Herausforderungen gehören nun einmal flä- chendeckender Terror, Waffenschmuggel, Menschenhandel, fragile Staaten, durchgeknallte mordende Gewalttä- ter. Ich bin froh, dass wir Soldatinnen und Soldaten haben, die hier ganz konkret etwas tun, und ich meine damit nicht nur die zuvor zitierte Geburtshilfe. Sie kontrollieren im Mittelmeer das VN-Waffenembargo gegen- über Libyen, sie bilden die libysche Küstenwache aus, sie versuchen, den Menschenschmuggel zu bekämpfen. Im Detail haben das meine Vorredner bereits genau beschrieben. Diese Frauen und Männer in Uniform, so sehe ich es zumindest, stehen für mich für die Guten unserer Gesellschaft, denen es eben nicht reicht, empört auf die Politik zu zeigen und wegzuschauen, sondern die tatsächlich etwas tun. Dafür herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Es ist nun einmal eine Tatsache: Libyen ist ein tief gespaltenes Bürgerkriegsland. Es ist in Regionen zerfallen und geprägt von islamischen und säkularen Milizen. Die Einheitsregierung kann kaum Löhne zahlen und tut sich schwer, in der Bevölkerung überhaupt Vertrauen zu schaffen. Rund 1 Million Flüchtlinge sind im Land, von denen 100 000 bis 200 000 nach Italien oder nach Ägypten wollen. Der Kampf gegen den IS ist im vollen Gange. Da kann man nicht wegsehen. Man muss Einhalt gebieten. Natürlich wird auch der Einsatz EUNAVFOR MED Operation Sophia diese Probleme nicht lösen; da bin ich nicht blauäugig. Aber er wird einen konkreten Beitrag leisten, dass sich der IS dort nicht weiter ausbreitet und dass Menschenhändler abgeschreckt werden. Wir stocken jetzt die humanitäre Hilfe auf, unterstützen Krankenhäuser. Die zivile Hilfe läuft. Unser Außenminister kämpft Tag und Nacht auf diplomatischer Ebene. Ich glaube, die Hilfe greift – zaghaft zwar, aber sie greift. In kleinen Schritten gewinnt die Regierung der Nationalen Einheit langsam wieder etwas Handlungsfähigkeit. Es ist gelungen, einzelne Gebiete zu befreien und Terroristen in ihrem bisherigen Rückzugsort in Surt anzugreifen. Es darf deshalb meiner Meinung nach nicht bei dem heute Beschlossenen bleiben. Wenn wir konsequent bleiben wollen und ganzheitlich denken, könnten wir zum Beispiel auch Grenzbeamte an Land ausbilden, meinetwegen in Tunesien. In jedem Fall sollten wir jetzt nicht stehen bleiben. Der kleinen Sophia wird das alles herzlich wenig helfen. Ihr wird es im Augenblick auch egal sein. Ihre Welt besteht voller Hoffnung, nämlich der auf ein gutes Leben, und das Beste hat sie noch vor sich. Sie war mit ihren 3 000 Gramm und 49 Zentimetern nicht die Kräftigste, aber sie wird, so hoffe ich, in einer Welt groß werden, in der Einsätze wie EUNAVOR MED Operation Sophia nicht mehr nötig sein werden. Das, glaube ich, sind wir Sophia schuldig. Das sind wir unseren eigenen Kindern schuldig. Das sind wir uns selbst schuldig. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)