Union und FDP unternehmen keine Anstrengungen die Potenziale der maritimen Wirtschaft zu stärken.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tief durch die Nase und den Mund einatmend,
(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Du kannst auch einen Schnorchel nehmen! - Vereinzelt Heiterkeit)
will ich meine Rede beginnen. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass wir in der Tat - es ist angesprochen worden - kurz vor der 7. Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven stehen. Ich erinnere mich noch gut an die 1. Nationale Maritime Konferenz. Ich hatte schon damals das Vergnügen, dabei sein zu dürfen, weil sie quasi bei mir zu Hause, in Emden, stattgefunden hat.
Gerhard Schröder hat, als er Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland war,
(Ingbert Liebing (CDU/CSU): Wer ist das denn?)
gemeinsam mit der Schiffbauindustrie und nicht zuletzt - das war der eigentliche Auslöser - gemeinsam mit den Gewerkschaften gesagt: Die maritime Industrie hat in Deutschland nicht den Stellenwert, den sie verdient. Wir müssen in einer gemeinsamen Anstrengung versuchen, dies zu ändern. Das tun wir mithilfe des Instruments der Nationalen Maritimen Konferenz und durch den Einsatz eines maritimen Koordinators. Der Weg, der damals eingeschlagen wurde, war richtig. Ich bin froh, dass die Institutionen der Nationalen Maritimen Konferenz und des maritimen Koordinators über alle Parteigrenzen hinweg und trotz verschiedener Konstellationen der Bundesregierungen - das muss man an dieser Stelle konstatieren - erhalten bleibt und dies auch für die Zukunft gesichert zu sein scheint.
(Beifall bei der SPD)
Ich glaube, dass in der Tat eine ganze Menge von Herausforderungen auf uns warten. Ich will zunächst das Thema Schiffbau ansprechen, weil sehr viele Kolleginnen und Kollegen und sehr viele Unternehmen in diesem Bereich tätig sind, mehr noch tätig waren. Wir haben hier radikale und sehr schmerzhafte Einschnitte hinnehmen müssen. Wenn eine Werft keine Werft mehr ist, sondern in ein anderes Feld geht, dann ist das durchaus zukunftsorientiert. Ein Beispiel - Sie kennen es, Herr Staatssekretär - ist der Standort Emden. Sie müssen verstehen, dass es für die Menschen ein tiefer Einschnitt in ihre Lebenskultur ist, wenn in Emden kein Schiff mehr gebaut wird, sondern man dort künftig - das ist die positive Meldung - im Bereich der Offshoretechnologie tätig sein wird, wodurch Arbeitsplätze gesichert werden. Aber es ist ein schwerer Einschnitt. Deswegen müssen wir uns auch an den anderen Standorten, die wir noch haben, mit aller Energie um das Thema Schiffbau kümmern.
Handelsschiffbau ist nicht das Feld, in dem wir künftig agieren werden. In dem Bereich haben wir unsere Marktanteile, die ohnehin immer geringer geworden sind, so gut wie verloren. Die Zukunft liegt erstens im Spezialschiffbau. Wir alle kennen die Bilder der großen Passagierschiffe und anderer Schiffe, die in Deutschland gebaut und ausgeliefert werden.
Ich möchte aber auf ein zweites Feld zu sprechen kommen: den Marineschiffbau. Beim Marineschiffbau gibt es zwei Standbeine. Das eine Standbein ist das, was wir selber tun können, indem unsere Bundesregierung bzw. die Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeber auftritt. Wir sind in dieser Wahlperiode zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in der Situation, dass die Bundesregierung keinen einzigen Auftrag zum Neubau im Bereich des Marineschiffbaus vergibt. Das bringt unsere Werften in eine extrem schwierige Lage.
Früher hatten wir zwei Felder: den Handelsschiffbau und den Marineschiffbau. Da aufgrund der internationalen Verflechtungen der Handelsschiffbau weggebrochen ist, müssen wir in diesem Bereich als Nachfrager auftreten. Wenn das eine ganze Wahlperiode lang nicht geschieht, dann gefährdet das Arbeitsplätze wie auch technisches und intellektuelles Know-how in Deutschland. Das ist Ihre Verantwortung, meine sehr verehrte Damen und Herren von der Bundesregierung.
(Beifall des Abg. Uwe Beckmeyer (SPD))
Das zweite Standbein ist der Export. Wenn wir in diesem Bereich zu zögerlich sind und unter anderem keine Hermesbürgschaften gewährt werden, dann bricht uns auch dieses Standbein, der Export im Marineschiffbau, weg. Das dürfen wir nicht zulassen. Lieber Herr Staatssekretär Otto, setzen Sie sich als Maritimer Koordinator der Bundesregierung auch gegenüber den anderen Häusern, insbesondere gegenüber dem Verteidigungsministerium dafür ein, dass wir dieses Standbein des Marineschiffbaus in Deutschland nicht verlieren!
Wenn ich über den Schiffbau spreche, geht es selbstverständlich auch um die Finanzierung. Herr Otto, der VSM und die IG Metall, Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. Unternehmen und Arbeitnehmer, haben Ihnen im letzten Jahr konkrete Vorschläge gemacht. Sie haben die Verlängerung der Möglichkeit, Kredit- und Bürgschaftsmittel mit erhöhten Haftungsfreistellungen zu gewähren, gefordert. Sie haben die Bereitschaft des Bundes eingefordert, für Bürgschaften im Schiffbaubereich das hälftige Risiko bzw. 60 Prozent in Ostdeutschland zu übernehmen und einiges mehr.
Sie wollen davon nichts wissen. Mich überrascht daran nicht, dass ein FDP-Politiker von diesen Instrumenten keinen Gebrauch machen will. Das überrascht mich nicht im Geringsten.
Aber eines überrascht mich sehr, Herr Rehberg: Noch im vergangenen Jahr, am 8. November 2010, haben Sie Ihren Kongress zur maritimen Wirtschaft durchgeführt.
(Ingbert Liebing (CDU/CSU): Er war super!)
- Das war unser Kongress, den wir vor wenigen Wochen veranstaltet haben, auch. Dort haben Sie der versammelten maritimen Wirtschaft ein Positionspapier vorgelegt, in dem unter anderem die Prüfung der Bereitschaft des Bundes bei gleichzeitiger Bereitschaft des betroffenen Bundeslandes gefordert wird, für Bürgschaften im Schiffbaubereich künftig gegebenenfalls das hälftige Risiko bzw. 60 Prozent in Ostdeutschland zu übernehmen. Das ist die Forderung von VSM und IG Metall.
In dem Papier wird auch die Prüfung der möglichen dauerhaften Beibehaltung der erhöhten Bürgschaftsquote von 90 Prozent und anderem gefordert, durch die der Kreditbedarf ausreichend besichert werden soll. Das war der Stand bei dem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur maritimen Wirtschaft im November.
(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Genau!)
Warum stehen diese Punkte nicht in dem von Ihnen vorgelegten Antrag? Sie sind zwar nach wie vor dafür, Herr Rehberg und die CDU/CSU, aber die FDP lässt das nicht durchgehen. Sie lassen sich von der FDP an der Nase herumführen und schädigen damit gegen besseres Wissen das Anliegen, die deutsche Schiffbauindustrie zu unterstützen, Herr Rehberg.
(Beifall bei der SPD – Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie über 10 Prozent Kapitalkosten bei der 90-prozentigen Bürgschaftsquote bezahlen!)
Zur FDP: Sie haben eben noch einmal dargestellt, Herr Staffeldt, wie Sie sich das alles vorstellen. Am 5. Mai war aber in der Welt unter der Überschrift „Hilfe für deutsche Werften“ zu lesen:
Auch in der FDP reift die Erkenntnis, dass der Schiffbau ohne Subventionen nicht überlebt.
Es ist von einem Papier die Rede, an dem Sie federführend mitgearbeitet haben sollen und das nach der Sommerpause in die Fraktion und dann ins Parlament eingebracht werden soll. Darin stellen die Liberalen fest, dass die deutschen Werften vor enormen Herausforderungen stehen und dass man nach der Sommerpause entsprechende Instrumente - diese haben Sie in Ihrer heutigen Rede noch abgelehnt - schaffen will. Sie können vor der Realität nicht weglaufen. Die deutsche Schiffbauindustrie braucht Unterstützung mit entsprechenden Finanzierungsmodellen.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens. Wenn wir über den Schiffbau hinausschauen und uns ansehen, welche Chancen wir in der Zukunftsindustrie der maritimen Wirtschaft haben, dann stellen wir fest, dass das Thema Offshore eine große Rolle spielt. Da das Verkehrsministerium an unserer Debatte so prominent teilnimmt, will ich ausdrücklich sagen, dass ich es für richtig halte, dass man die Genehmigungsverfahren nicht mehr auf mehreren Schultern verteilt, sondern wieder das BSH für allein zuständig erklärt. Öffnen Sie aber endlich auch den 5 Milliarden Topf für die Förderung von Investitionen im Schiffbau!
Drittens. Herr Beckmeyer hat darauf schon hingewiesen: Die maritime Wirtschaft ist von einer funktionierenden Infrastruktur abhängig. Eine funktionierende Infrastruktur braucht auch eine funktionierende und schlagkräftige Verwaltung. Das, was Frau Winterstein und andere im Haushaltsausschuss auf den Weg bringen wollen Sie wollen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung privatisieren, was einer Zerschlagung gleichkommt , ist der falsche Weg. Die Antwort, die das Verkehrsministerium darauf gibt, Herr Ferlemann und Herr Ramsauer, ist zwar besser als das, was Frau Winterstein vorhat. Aber es reicht nicht aus. Hören Sie das wissen Sie doch aus eigener Erfahrung besser mit der Klassifizierung der Wasserstraßen auf! Das ist an den entscheidenden Orten unseres Landes schlecht für die maritime Wirtschaft. Hören Sie auf, an der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung herumzudoktern! Ziehen Sie Ihre Konzepte, über die aktuell diskutiert wird, zurück! Machen Sie sich frei davon!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Angesichts der Zeit komme ich zum letzten Punkt, der nicht immer im Zentrum unserer Debatten steht, der aber aktuell wichtig ist. Lieber Kollege Kammer, im Antrag der Regierungskoalition lässt sich kein einziges Wort zur Fischerei in Deutschland finden. Dabei ist auch sie Teil der maritimen Wirtschaft. Die Fischerei insbesondere bei uns an der Küste befindet sich gerade in einer desaströsen Situation. Kostendeckende Preise sind nicht zu erzielen. Wir haben in unserem Antrag dazu einige Punkte aufgegriffen. Es wäre gut, wenn der gesamte Deutsche Bundestag deutlich macht: Wir brauchen die Fischerei in Deutschland nicht für irgendwelche Folkloreveranstaltungen in den Tourismushäfen. Wir müssen die Konflikte, die zum Beispiel durch die Nutzung von Offshoreanlagen entstehen, lösen. Ich wäre froh gewesen, wenn CDU/CSU und FDP wenigstens ein Wort zu diesem zentralen Punkt verloren hätten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)