In der Debatte zu den Renten in Ostdeutschland machte Waltraud Wolff deutlich, dass wir an der Angleichung der Ostrenten und an einem Härtefallfonds zur Regelung von Altfällen festhalten. Sie zeigte auch die zukünftige Entwicklung der Renten im Osten auf: Während die Renten im Westen stabil bleiben, sinken die Renten im Osten. Wir brauchen auch dort angemessene Löhne und die Einführung der Solidarrente.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Zuschauer­tribünen!

Wenn wir über Rente sprechen, dann schauen wir natürlich in die Vergangenheit, wir schauen auch ein bisschen in die Gegenwart, aber wir vergessen oft, in die Zukunft zu schauen. Ich will am Schluss dieser Debatte sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart und die Zukunft schauen.

Wir diskutieren seit Jahren – ich bin seit 1998 Mitglied dieses Hauses – jährlich über das Thema der Uberleitung des Rentensystems Ost in das gesamtdeutsche Rentensystem. Dabei sind natürlich auch die Sondersysteme im­mer wieder im Fokus der Diskussion der Linken. Ja, mit den gesetzlichen Regelungen von 1992 wurde nicht alles so bedacht, wie es hätte sein müssen, und, ja, es ist zu Ungerechtigkeiten gekommen, und, noch einmal ja, ich verstehe, wenn sich Menschen an dieser Stelle ungerecht behandelt fühlen.

Aber – auch das sage ich zum wiederholten Male; wir haben am 2. Oktober letzten Jahres zum letzten Mal über dieses Thema gesprochen, nur unter einer anderen Überschrift; da habe ich das gesagt, was mein Kollege Weiß und andere Vorredner, unter anderem Herr Kurth, gesagt haben –: Die Rentensystematik, die gewählt wurde, kann diese besonderen, schwerwiegenden Härtefälle nicht auf­fangen. Genau darum sagt die SPD doch immer wieder: Wir wollen eine Lösung für Menschen, die besonders betroffen sind. Darum brauchen wir den Härtefallfonds. Davon gehen wir nicht ab.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte als letzte Rednerin in dieser Debatte den Blickwinkel etwas weiten. In der Gegenwart erleben wir immer wieder, dass der niedrigere Rentenwert im Osten einfach da ist. Für viele Menschen im Osten der Repu­blik ist das das Symbol dafür, dass ihre Lebensleistung im vereinten Deutschland nicht so wertgeschätzt wird, wie es sein sollte. Ganz deutlich ist das in dieser Debatte in Bezug auf die Mütterrente geworden.

Ich wiederhole es zum Schluss: Die Große Koalition hat gesagt, dass sie jetzt den Fahrplan für ein einheitli­ches Rentensystem vorlegt. Dazu stehen wir. Dann hat diese Diskussion endlich ein Ende.

Bislang steht dem niedrigen Rentenwert der Höher­wertungsfaktor zur Seite; das hat auch Kollege Weiß ge­sagt. Auf diese Weise werden die niedrigeren Einkom­men Ost höher bewertet als die Einkommen West.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bleibt immer noch eine Lücke!)

Diese Höherwertung ist immer noch absolut notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Schaut man sich einen Vergleich der Löhne in den Bun­desländern an, dann stellt man fest, dass Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklen­burg-Vorpommern ganz hinten liegen. In Brandenburg, dem Land, in dem die höchsten Einkommen im Osten erzielt werden, waren es 2015 446 Euro weniger als in Schleswig-Holstein, dem Land mit den niedrigsten Ein­kommen im Westen.

Wer sich die Gegenwart im Osten anschaut, der be­kommt einen klaren Blick für die Zukunft. Die Lage auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt hat einen Preis: niedri­gere Renten in der Zukunft. Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung, niedrige Löhne, all das schlägt sich in niedrigeren Rentenbeiträgen und später natürlich auch in niedrigen Renten nieder – niedrige Renten aus der ge­setzlichen Rentenversicherung, die im Osten eben nicht mit Betriebsrenten oder privaten Lebensversicherungen aufgestockt werden. Darum sage ich ganz deutlich: Die Gegenwart macht mir nicht so viel Sorge wie die Zukunft. Während die Armutsgefährdungsquote der heute 50- bis 64-Jährigen in allen westdeutschen Flächenländern sinkt, steigt sie in den Stadtstaaten und in allen östlichen Bun­desländern. In Sachsen ist bei den aktuellen Rentnerinnen und Rentnern die Armutsgefährdungsquote am niedrigsten. Bei den 50- bis 64-Jährigen wird sie am dritthöchsten sein. Während die Renten im Westen stabil bleiben, sinken die Renten im Osten. Für die Menschen, die zwischen 1962 und 1971 geboren wurden, werden die Renten mit un­gefähr 600 Euro im Bereich der Grundsicherung liegen. Diese abzusehende Entwicklung bei den Renten im Os­ten ist dramatisch, und sie wird sich fortschreiben, wenn wir es nicht schaffen, auch im Osten angemessene Löhne zu zahlen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hin­weisen: Da, wo Gewerkschaften stark sind, werden Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut vertreten. Da gibt es eine bessere Unterstützung. Da verdienen Arbeitnehmer meist mehr.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, jeder Arbeitnehmer ist dazu aufgerufen, sich selber zu vertreten oder vertreten zu lassen.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Die Folgen dieser Entwicklung sind – das ist meine feste Überzeugung – nur innerhalb der gesetzlichen Ren­tenversicherung abzufangen. Daran müssen wir arbeiten. Darum sagen wir: Die Einführung der Solidarrente wird unser nächster Schritt sein.

(Beifall bei der SPD)

Der eine oder andere mag vielleicht sagen, ich hätte heute das Thema verfehlt.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zeit überzogen haben Sie!)

Ich sage seit Jahren, dass die Ungerechtigkeiten, die bei der Rentenüberleitung entstanden sind, nur mit einer Härtefallregelung beseitigt werden können. Die Zukunft der Renten in den neuen Bundesländern sollte uns allen hier viel mehr Anlass zur Diskussion im Hohen Hause geben.

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Ja!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Ich bin seit 1998 Mitglied dieses Hauses, habe es aber noch nie geschafft, freitags die letzte Rednerin zu
sein. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so­wie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])