Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich ein kleiner Junge war, gab es einmal im Jahr bei uns zu Hause ein besonderes Ereignis: Es war Schlachttag. Ein ortsansässiger Metzger kam vorbei und zerlegte in der heimischen Waschküche ein Schwein. So war der Bedarf an Wurst, Schinken und Fleisch für Monate gedeckt.
Seither ist viel passiert: Heute sprechen wir von der Fleischindustrie, und unser Hunger nach Fleisch wird industriell gestillt. Aus dem löblichen, ehrsamen Fleischerhandwerk ist eine Fleischindustrie entstanden, die vor allem durch schlechte Arbeitsbedingungen auf sich aufmerksam machte. Vor allem die Schlachtindustrie hat lange Jahre auf das Geschäftsmodell aus Werkverträgen und Subunternehmerketten gesetzt. Für einen Monatslohn von umgerechnet 176 Euro wurden – auch in meiner Heimat Bayern – Menschen aus Rumänien durch Subunternehmen beschäftigt. Ich kritisiere hier in keinster Weise, dass Menschen aus anderen Ländern bei uns arbeiten. Ich bin für die Arbeitnehmerfreizügigkeit – aber zu fairen Bedingungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Politik hätte auf diese Missstände längst reagieren können. Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes hätte für Ordnung in dieser Branche sorgen können. Deswegen freue ich mich, dass ich heute an der Einführung eines Mindestlohnes mitarbeiten kann. Ich habe mich gefreut, dass stellenweise alle hier – über die Fraktionsgrenzen hinweg – applaudiert haben. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Die Branche der fleischverarbeitenden Industrie schlüpft unter die Decke des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Durch die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sorgen wir dafür, dass der allgemeinverbindliche Mindestlohn auch für nicht tarifgebundene Betriebe gilt.
Der Tarifvertrag zwischen der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten wird für allgemeinverbindlich erklärt. Dadurch können die Löhne von vielen Tausend Menschen in der Fleischbranche noch vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes am 1. Januar 2015 teils deutlich erhöht werden – und das unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in regulärer Beschäftigung oder in Leiharbeit sind oder ob es sich um über Werkverträge mit Subunternehmen beschäftigte Menschen handelt. Allein Letztere sind über 20 000 meist osteuropäische Werkvertragsnehmer, die für Niedrigstlöhne arbeiten.
In der deutschen Fleischbranche tätige Menschen sind damit endlich gleichermaßen gegen die übelsten Formen des Lohndumpings geschützt. Es geht am 1. Juli 2014 mit 7,75 Euro pro Stunde los. Im Dezember 2014 werden es 8 Euro sein. Ab dem 1. Oktober des nächsten Jahres erhöht sich der Mindestlohn auf 8,60 Euro und ab 1. Dezember 2016 auf 8,75 Euro.
Aus drei Gründen freue ich mich heute besonders darüber, dass jetzt auch diejenigen an den Fleischtöpfen bedacht werden, die in unserem Teil der Welt die Fleischtöpfe für uns füllen: Es kehrt ein Stück Gerechtigkeit ein; die Ausbeutung wird beendet. Es wurde endlich ein Mittel gegen die kriminelle Ausnutzung von Werkverträgen gefunden. Es ist ein deutliches Zeichen für andere Branchen, und der Mindestlohn wirkt bereits.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, enden wir nicht wie Johanna Dark in Die heilige Johanna der Schlachthöfe von Bertolt Brecht, die den ausgesperrten Arbeitern auf den Schlachthöfen Chicagos den Glauben an Gott näherbringen will und am Ende erkennen muss, dass ihre Hoffnungen auf Gott und die Verhandlungen mit den Kapitalisten gescheitert sind und dass sie den Arbeitern, denen sie helfen wollte, nur geschadet hat.
Heute ist ein guter Schlachttag.
Danke schön.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)