Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Döring, ich weiß nicht, was diese Art von Scharfmacherei hier soll.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Sie haben doch verharmlost!)

Um es klar zu sagen: Es gibt kein Motiv, keine Begründung für die Rechtfertigung solcher Taten. Sie sind kriminell und gemeingefährlich. Wir verurteilen solche Anschläge, egal ob auf Bahngleise oder auf Autos, egal ob von rechts oder von links; da gibt es kein Vertun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Das klang bei Frau Jelpke aber ganz anders!)

Es handelt sich nicht „nur“ um Gewalt gegen Sachen. Was hätte denn passieren können, wenn Signalanlagen ausgeschaltet werden, wenn die Kommunikation gestört wird? Es war großes Glück, dass kein Mensch zu Schaden kam. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn und an die Sicherheitskräfte, die so umsichtig agiert und Schlimmeres verhindert haben! Ich glaube, das sollte man hier betonen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Kai Wegner [CDU/CSU]: Dass die Linken nicht klatschen, ist schon traurig!)

Nun gibt es die Diskussion, ob es sich dabei um Terrorismus handelt oder nicht. Zunächst einmal ist festzustellen: Es ist zweitrangig, wie wir das nennen, vor allem den Bürgerinnen und Bürgern ist es völlig egal. Sie wollen zu Recht, dass wir alles Mögliche dafür tun, dass die Sicherheit gewährleistet ist. Das ist doch das Entscheidende.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Patrick Döring [FDP]: So ist das!)

Man muss trotzdem einmal fragen, was hinter dieser Begriffsdebatte steckt. Zunächst einmal an Sie, Herr Kollege Döring: Auf der einen Seite ist vollkommen klar, dass solche Taten nicht verharmlost werden dürfen nach dem Motto: Die wollten ja keine Menschen gefährden, und die Ziele sind doch möglicherweise richtig.

(Patrick Döring [FDP]: Dorthin müssen Sie sprechen! Nicht zu uns! – Zuruf von der CDU/ CSU: Zu den Linken!)

– Regen Sie sich doch nicht auf!

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Herr Döring regt sich immer auf!)

Ich bin doch vollkommen Ihrer Meinung. – Eine solche Rhetorik wäre der vollkommen falsche Weg. Wir dürfen solchen Leuten, solchen Ideologien keinen Millimeter Spielraum lassen.

(Zuruf von der FDP: Das machen wir auch nicht!)

Da darf es keine Missverständnisse geben.

(Beifall bei der SPD)

Auf der anderen Seite dürfen wir solche Anschläge sozusagen nicht hochreden. Viele aus der Koalition kommen mit gewaltigen Begriffen wie „Terrorismus“ und „RAF“. Der Kollege Luczak beispielsweise spielt hier den starken Mann und will aus dieser Situation ganzm offensichtlich politisches Kapital schlagen.

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist Ihr Koalitionspartner hier!)

Das ist der falsche Weg. Mit Hysterie helfen Sie niemandem. Im Gegenteil: Sie müssen sich fragen, ob Sie das Spiel der Extremisten nicht sogar ein Stück weit mitspielen. Das geht so nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Jetzt sind wir noch schuld! Schönen Dank!)

Gucken wir uns das Ganze einmal an: Der Bundesinnenminister hat in seiner ersten Stellungnahme überhaupt nicht von Terrorismus geredet. Erst später, als er gehört hat, dass viele aus der CDU/CSU-Fraktion von Terrorismus gesprochen haben, hat er in einem Interview rhetorisch ein bisschen aufgemuskelt. Aber auch bei der Titelgebung dieser Aktuellen Stunde ist von Terrorismus wieder nicht die Rede. Ich nehme es einmal als hoffnungsvolles Zeichen, dass vielen von Ihnen von der Regierungskoalition bei den Geistern, die Sie da herbeirufen, selbst nicht ganz wohl ist. Es kommt darauf an, dass wir klar, realistisch und nüchtern analysieren und dann die Gewalttaten konsequent bekämpfen, und zwar ohne Verharmlosung und ohne Übertreibung. Das ist der sachlich richtige Weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die entschiedene öffentliche Stellungnahme ist die erste Maßnahme, wenn man so will, zur Bekämpfung solcher Gewalttaten. Die zweite Maßnahme setzt dann bei den Sicherheitsbehörden und in diesem Fall auch bei der Bahn an. Es muss dann näher besprochen werden, inwiefern etwa eine Videoüberwachung oder die Einzäunung von Anlagen sinnvoll sind.
Natürlich stellt sich auch die Frage nach der Personalausstattung der Sicherheitskräfte und der Polizei. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Bundespolizei gerade in Berlin und im Berliner Umland in den letzten Jahren im Bereich der Bahn sehr ausgedünnt wurde. Sie ist unterbesetzt. Die CDU und die FDP – Herr Luczak jetzt wieder – kritisieren ja immer, dass der rot-rote Senat zu wenig Polizei zur Verfügung stelle. Ich denke, Sie sollten den Mund nicht zu voll nehmen, sondern vor der eigenen Haustür kehren und hier im Deutschen Bundestag dafür sorgen, dass die Bundespolizei ordentlich ausgestattet ist.

(Beifall bei der SPD)

Bei alledem müssen wir auch an Folgendes erinnern: Es ist klar, dass man Gewalt letztendlich nicht ausschließen kann. Bei allem Engagement, bei allem, was wir da einsetzen: Totale Sicherheit gäbe es vielleicht nur in einem totalen Staat, und den wollen wir alle wohl nicht.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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