Dr. Sascha Raabe (SPD):

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol­legen! Zum einen ist es sicherlich gut, dass wir aufgrund des Antrags der Linken heute über das Thema Welt­ernährung sprechen können, weil wir in der nächsten Woche — am 16. Oktober — den Weltemährungstag ha­ben. Trotz Fortschritten, die es in dem Bereich weltweit gegeben hat, wollen und können wir uns nicht damit ab­finden, dass immer noch 800 Millionen Menschen hun­gern und in extremer Armut leben.

Sicherlich sind im Antrag der Linken Punkte enthal­ten, die wir alle unterschreiben können, dass zum Bei­spiel Kleinbäuerinnen und Kleinbauern besonderen Schutz brauchen und dass die Rechte von Frauen ge­stärkt werden müssen. All diese Forderungen sind für diejenigen, die schon jahrelang Mitglied im Entwick­lungsausschuss sind, selbstverständlich und Bestandteil unseres Handelns. Das könnten wir alles unterschreiben

Folgendes — ich will nicht sagen, dass es mich ärger­lich macht — enttäuscht mich schon ein wenig: Wir ha­ben schon des Öfteren hier im Parlament — Herr Movassat, Sie sind auch schon ein bisschen länger mit dabei — über ländliche Entwicklung gesprochen. Im Frühjahr 2013 hat die SPD-Fraktion hier einen sehr gro­ßen Antrag zum Thema Ernährungssicherheit mit der Überschrift „(Über-)Lebensbedingungen in Entwick­lungsländern strukturell verbessern — Ländliche Ent­wicklung als Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut" eingebracht. Darin sind ganz umfassend alle Themen enthalten, über die man reden muss, wenn man Hunger und Armut auf dem Land bekämpfen will. Es reicht eben nicht aus, nur zu sagen: Die Kleinbauern müssen jetzt besser arbeiten können.

In Ihrem Antrag, der sich mit der ländlichen Entwick­lung sowie mit Hunger und Armut beschäftigt, taucht zum Beispiel nicht ein einziges Mal das Wort „Bildung" auf. Es ist gerade auf dem Land — da sind Schulen oft sehr weit entfernt, und es gibt dort häufig schlechte Leh­rer — wichtig, Grundschul- und Sekundarbildung anzu­bieten. Auch auf dem Land geht es darum, zum Beispiel Handwerksberufe aufzubauen. Es darf eben nicht sein, dass die Menschen ein Leben lang — über 50 Jahre hin­weg — eine kleine Scholle bestellen müssen. — Es ist schon sehr enttäuschend, dass das fehlt.

Das Gleiche gilt für den Nachernteschutz. 20 Prozent bis 25 Prozent der Ernten gehen verloren, weil es an Ka­pazitäten fehlt, die Ernte richtig zu speichern, was dazu führt, dass sie verfault. Fragen der Infrastruktur werden überhaupt nicht angesprochen, weder der technischen Infrastruktur, was Handys und den Zugang zum Internet angeht, noch der Straßen, Häfen oder anderer Verbin­dungen. Das muss einfach in einen solchen Antrag hi­nein.

Was mich besonders ärgert, ist, dass Sie den Fokus nur auf die Menschenrechtsverletzungen, die von aus­ländischen Konzernen begangen werden, richten. Wir hatten heute schon eine ähnliche Debatte. Mich muss man wirklich nicht katholisch machen. Ich prangere das immer wieder an, aber es kann nicht sein, dass Sie nicht ein Wort darüber verlieren, dass es auch darauf ankommt, dass die Länder selbst eine gute Regierungsführung haben und dass sie ihre Verpflichtung, das Menschenrecht auf Nahrung zu garantieren  alle diese Länder haben bei der UNO unterschrieben, dass sie dieses Menschenrecht achten, auch umsetzen.

Ich sage Ihnen: Die Mehrheit der im Augenblick ab­solut armen und hungernden Menschen lebt immer noch in Indien und in China. Es ist ein Skandal, dass diese Länder ihre Menschen noch hungern lassen. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag geschrieben:

Von den Schwellenländern muss die eigenverant­wortliche Verwirklichung der Menschenrechte auf Nahrung, Gesundheit und Bildung für die eigene Bevölkerung eingefordert werden.

Das fehlt in Ihrem Antrag. Es gibt positive Beispiele. (C) Brasilien haben Sie selbst genannt. Auch Länder, die Ihnen sehr nahe stehen, wie zum Beispiel Bolivien, Chile, Nicaragua, Peru und Venezuela, haben gute Anstrengun­gen gemacht und kommen voran, weil sie das Men­schenrecht auf Nahrung zum Teil in der Verfassung ver­ankert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] und Uwe Kekeritz [BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen, glaube ich, muss man in einem solchen Antrag auch zu solchen Fragen die richtigen Worte fm­den. Auch die Weiterverarbeitung und die Frage, wie Produkte exportiert werden können, gehören dazu. Wir sind nicht ausschließlich für Selbstversorgung, wie es in Ihrem Antrag steht. Wir stehen an dieser Stelle auch zu den PPP-Projekten, zumindest zu den guten, die es auch gibt. Die ermöglichen zum Beispiel Kleinbauern, hygie­nische oder ökologische Standards einzuhalten, sodass dann ökologische Bioprodukte aus Entwicklungsländern zu uns kommen können. Es gibt PPP-Projekte mit Sub­sistenzbauern, denen das ermöglicht wird. Das ist doch gut und richtig. Deswegen sollten wir das fortführen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Noch ein letzter Satz: Herr Stein, ich kann vieles von dem, was Sie gesagt haben, unterschreiben. Aber was das Thema Haushalt angeht, kam das vielleicht etwas missverständlich herüber. Nächstes Jahr ist das Jahr (D) 2015, in dem wir mit den Entwicklungszielen einen großen Schritt hätten vorankommen sollen, auch bei der Be­kämpfung von Hunger und Armut. Wir sollten auch be­reits 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens, die ODA-Quote, für die Entwicklungshilfe ausgeben. Ich glaube, wir müssen schon bei dem Haushalt, den wir im November beraten werden, kräftig nachbuttern, damit wir Hunger und extreme Armut ganz schnell auf der ganzen Welt bekämpfen oder gar abschaffen können.

Vielen Dank

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)