Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die weltweite Finanzkrise, die sich später zu einer Weltwirtschaftskrise ausgeweitet hat, ist in ganz Europa immer noch spürbar. Schuldige gibt es viele. Ursachen gibt es viele. Und für einen funktionierenden Staat muss es nach jeder Krise heißen, nicht nur die richtigen Lehren zu ziehen, sondern daraus auch die entsprechenden Handlungen und Veränderungen abzuleiten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir genau diesen Weg und packen ein wichtiges Puzzleteil des gesamten Tableaus an Ursachen für die Finanzkrise an. Auch wenn es nur ein weiterer von vielen Schritten ist und sein kann.
Die Finanzwelt, aber auch die Staaten selbst, haben sich in letzten Jahren in eine Art Abhängigkeit gegenüber den Rating-Agenturen begeben, die die Abwärtsspirale der vergangenen Jahre massiv beförderte. Wir müssen uns davon endlich lösen und vor allem hinterfragen, was und vor allem wer da hinter diesen Ratings steckt? Es sind keine Gutmenschen und keine höheren Instanzen welcher Art auch immer, die sich hier als unabhängige und neutrale Marktbeobachter aufspielen wollen. Es sind Akteure am Finanzmarkt, die am selbigen partizipieren und profitieren wollen. Peer Steinbrück hat zurecht die Frage aufgeworfen, wer in Europa eigentlich den Taktstock des Geschehens in der Hand halten soll? Das sind aus unserer Sicht ganz sicher nicht die Rating-Agenturen. Und deshalb hat die SPD im vergangenen Bundestagswahlkampf richtigerweise gefordert, dass das Primat der Politik endlich wieder hergestellt werden muss!
Es ist vollkommen absurd und nicht nachvollziehbar, dass hier über Jahrzehnte hinweg im Grunde keine Regulierung stattgefunden hat. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag diesen ersten wichtigen Schritt festgehalten und ich darf an dieser Stelle zitieren: „Die Bundesregierung wird sich für eine effektive Anwendung der zivilrechtlichen Haftungsregelungen für Ratingagenturen einsetzen und die Wettbewerbsfähigkeit europäische Ratingagenturen fördern. Wir wollen die Rechtsnormen reduzieren, die eine Einschaltung der drei großen Ratingagenturen vorschreiben. Wir wollen auch die Bedeutung externer Ratings reduzieren.“ Und weiter heißt es, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: „In Zukunft muss noch stärker gelten: Gemeinschädliches Handeln von Unternehmen und Managern muss angemessen sanktioniert werden. Wir unterstützen die Aufnahme strenger Vorschriften in den maßgeblichen europäischen Rechtsakten, welche insbesondere den Rahmen für Geldsanktionen auf ein angemessenes Niveau anheben und die Verhängung spürbarer Sanktionen gegen Unternehmen vorsehen, die gegen regulatorische Vorgaben verstoßen, und werden für deren Umsetzung ins deutsche Recht Sorge tragen.“
Sie sehen also, dass wir uns durchaus etwas vorgenommen haben, was noch gar nicht alles in diesem Gesetzentwurf vollzogen werden kann, aber wir gehen mit diesem Regierungsentwurf einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung: Ziel muss es sein, die Abhängigkeit der Finanzbranche von den Bewertungen der Ratingagenturen zu reduzieren.
Die unkritische und oftmals schematische Übernahme der Ratings der Ratingagenturen zur Einstufung der Bonitätsgewichtung der Kreditnehmer und Wertpapiere muss endlich verringert werden. Dies führte doch häufig zu erheblichen Fehleinschätzungen von Ausfallrisiken und muss künftig vermieden werden. Das ist eine der klaren Lehren aus der Finanzmarktkrise aus dem Jahre 2008. Dafür ist es unabdingbar, dass sich die Finanzbranche künftig viel stärker auf eigene Einschätzungen in der Bonitätsprüfung stützt, um unabhängiger Risiken beurteilen zu können. Es darf nicht sein, dass der eine einfach das übernimmt, was der andere bereits formuliert hat. Ich bin überzeugt, hier kommen wir mit dem Gesetzentwurf ein gutes Stück voran.
Außerdem werden wir mit dem Gesetz dafür sorgen, dass neue Ordnungswidrigkeiten ins Kapitalanlagegesetzbuch aufgenommen werden, um klare Grenzen aufzuzeigen und auch, was es bedeutet, diese zu überschreiten.
Im Gesetzesentwurf werfen wir auch einen Blick auf die Abhängigkeiten innerhalb der Finanzbranche und blicken auf Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Investitionen in Ratingagenturen und auf die Höchstlaufzeiten der vertraglichen Beziehungen zu Ratingagenturen. Dazu werden wir im Finanzausschuss sicher spannende Debatten führen.
Ich bin dem Bundesminister für Finanzen sehr dankbar für diesen Gesetzesvorschlag, den wir, gestatten sie mir diesen Ausblick in die Zukunft, im weiteren Gesetzgebungsverfahren ganz sicher an der einen oder anderen Stelle noch präzisieren werden. Auch in der Stellungnahme des Bundesrates sind Änderungen angemahnt, die das Bundesfinanzministerium nun prüfen möchte. Auf die Ergebnisse bin ich sehr gespannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die gemeinsamen Beratungen dieses Gesetzes. Es handelt sich hierbei um eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft – lassen Sie uns gemeinsam das Primat der Politik zurück erobern.