Sehr geehrter Herr Präsident / Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Kroatiengesetz hat mich zwei Mal überrascht. Erst mit seinem trügerischen Namen und danach mit seinem Umfang. Der Name intendiert gesetzliche Anpassungen im Steuerrecht, die ganz überwiegend im Zusammenhang mit dem kroatischen Beitritt zur Europäischen Union stehen – über den wir uns seit einem Jahr bereits freuen. Zu einem nicht unwesentlichen Teil handelt es sich beim vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung um die Anpassung geltenden Steuerrechts. Das sind weitestgehend unstrittige redaktionelle oder rechtsförmliche Anpassungen, die geschehen müssen, um bestehende Gesetze an den Beitritt Kroatiens anzupassen. Ich denke da etwa an die Anpassung der Mutter-Tochter-Richtlinie oder der Anpassung der Richtlinie über die Zins- und Lizenzgebühren.
Nun hat man aber sinnvoller Weise die Chance erkannt, notwendige redaktionelle Anpassungen im gesamten Steuerrecht vorzunehmen, um ein abgerundetes technisches Gesetz vorzulegen. Aber wie das dann so ist in der Politik – je mehr Akteure, desto mehr Begehrlichkeiten – ob nun aus dem Bundesfinanzministerium, dem Bundestag oder am Ende dem Bundesrat. Aus einem rein technischen Gesetz entsteht nun, auch Dank der Fachleute aus der Anhörung, Änderungen, die das Steuerrecht häufig entschlacken, präzisieren oder sinnvoll verändern. Da gilt es auch zwischen allen Ebenen Kompromisse zu schließen. Auf vier davon möchte ich in meiner Rede kurz eingehen.

In der Umsatzsteuer, genauer gesagt in § 13b, kehren wir zu einer bewährten Methode zurück, die zugegebener Maßen auch ich erst mal verstehen musste. Beim Reverse Charge Verfahren ist nach der bisherigen Verwaltungspraxis der Empfänger von Bauleistungen Steuerschuldner, wenn er als Unternehmer selbst nachhaltig Bauleistungen erbringt. Dieses Modell hat bisher vieles vereinfacht und letztlich auch vermieden, dass es zu größeren Steuerausfällen in diesem Bereich kommt. Der BFH hat in seinem Urteil vom 22. August 2013 entschieden, dass die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nur in Be-tracht komme, wenn der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Leistung selbst für eine steuerpflichtige Bauleistung verwende, also die so genannte bauwerksbezogene Betrachtung. Auf die Eigenschaft des Leistungsempfängers als Bauleister und dementsprechend die Höhe der von ihm ausgeführten Bauleistungen komme es danach nicht an. Dies führt in der Verwaltungspraxis zu zahlreichen Problemen, drohenden Einnahmeausfällen und zu Unklarheiten zwischen Unternehmern und Subunternehmern. Deshalb reagieren wir hier auch zum Wohle des Mittelstandes und der vielen ehrlichen und fleißigen Bauunternehmer in unserem Land auf das Urteil des BFH und gießen ein rechtsicheres Fundament für die Bauwirtschaft. Durch den neuen Satz 2 wird bereits eindeutig im Gesetz definiert, dass der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner für eine an ihn erbrachte Bauleistung ist, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen ausführt. Entsprechend wird gesetzlich klargestellt, dass der Leistungsempfänger auch dann Steuerschuldner ist, wenn er die an ihn im Einzelfall erbrachte Dienstleistung nicht zur Ausführung einer Bauleistung verwendet. Damit kommt künftig die vom BFH formulierte bauwerksbezogene Betrachtung nicht mehr zur Anwendung, sondern es kommt darauf an, dass der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringt. Diese Regelung wird auch von Verbänden, Unternehmen, Steuerberatern und Finanzverwaltung begrüßt und bringt für alle Beteiligten ein großes Stück an Sicherheit zurück.

Der Gesetzentwurf, den wir heute gemeinsam beschließen wollen, bietet eine weitere Verbesserung im Bereich des Einkommenssteuergesetzes. Wenn beispielsweise Lebensversicherungen den Charakter der Risikovorsorge verlieren und zu einem reinen Renditemodell werden, dann wird dieser Umstand künftig steuerpflichtig. Wir reagieren damit auf Modelle, bei denen Fonds im großen Umfang „gebrauchte“ Versicherungen – insbesondere Todesfall-versicherungen – von den Versicherten erworben haben. Mit diesen Produkten wird der Zweck verfolgt, vorab kalkulierte Erträge in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der ausgezahlten Versicherungssumme beim Eintritt des Versicherungsfalls (also den Tod der versicherten Person) und den Anschaffungskosten der Versicherung für den Zweiterwerber steuerfrei zu erzielen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen das gern an einem Beispiel erläutern. Es kam vor einigen Jahren dazu, dass so genannte Investoren massenhaft Lebensversicherungen von schwerst- häufig AIDS-Kranken aufkauften und mit dem Sterbedatum spekulierten, um somit Geld zu verdienen. Ich muss Ihnen nicht sagen, was ich von solchen Wetten auf den Tod ethisch und moralisch halte. Aber dass solche Modelle auch noch steuerfrei bleiben sollen, das führt unser System ad absurdum. Diese Steuerlücke wird geschlossen und das ist auch gut!

Einen großen Schritt vorangekommen sind wir bei den so genannten Mini-One-Stop-Shops – oder zentralen Anlaufstellen. Hier geht es um die Bestimmung des Leistungsortes bei Telekommunikationsleistungen, Rundfunk- und Fernsehleistungen und bei auf elektronischem Weg erbrachten Leistungen an Nichtunternehmer. Kurz um: welcher Steuersatz gilt, wenn ich hier in Berlin ein Musikstück kostenpflichtig, etwa bei Amazon, runterlade, aber das Unternehmen seine Steuern beispielweise in Luxemburg bezahlt und somit ein Steuersatz gilt, der hierzulande unter Fernerliefen eingestuft werden würde. Die neue Regelung verhindert zum einen totalen Steuerausfall, aber auch eine Niedrigbesteuerung im Ausland. Künftig gilt: Lade ich in Deutschland etwas Kostenpflichtiges herunter, wird auch in Deutschland zu dem hier gültigen Satz versteuert. Dies vereinfacht die aktuellen Regelungen massiv, sorgt für Klarheit bei allen Beteiligten, vereinfacht die aktuellen Regelungen und sorgt auch für ein kräftiges Plus an Steuereinnahmen. Glaubt man den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums, und mein Vertrauen ist da fast uneingeschränkt, dann können wir jährlich mit Mehreinnahmen von 400 Millionen Euro rechnen, von denen Länder und Kommunen um gut die Hälfte profitieren.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, liegt mir besonders am Herzen und ich freue mich, dass die Union hierbei unseren Vorschlägen gefolgt ist. Ich möchte zur Entstrickungsbesteuerung kommen, wie sie in § 50i Einkommensteuergesetz geregelt ist, weil wir hier gemeinsam eine ganz wesentliche Steuerlücke schließen. Hier konnte relativ unbemerkt zuletzt eine Lücke genutzt werden, um in Deutschland erzielte Gewinne, die als stille Reserven noch in deutschen Depots liegen, am Fiskus vorbei ins Ausland zu schleusen. Dabei handelt es sich um Veräußerungsgewinne die durch einen Wegzug nachfolgend in eine Personengesellschaft umgewandelt werden und so steuerneutral ins Privatvermögen überführt werden sollen. Anschließend kann man diese Personengesellschaft dann beispielsweise in eine Kapitalgesellschaft umwandeln und einige Jahre später das Vermögen steuerfrei entnehmen. Ich will eines ganz deutlich sagen: das mag zwar bis dato legale Steuerumgehung sein, aber moralisch handelt es sich hierbei um Steuerhinterziehung. Damit machen wir jetzt endlich Schluss.
Und es handelt sich hierbei eben nicht um einen konstruierten Fall, der irgendwann mal auftreten könnte.
Im März dieses Jahres konnten wir es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung doch nachlesen. Da geht es um einen Erben der Porsche-Familie, der versucht genau dieses Modell anzuwenden. Es geht hier um hunderte Millionen Euro an Steuergeldern, die man versucht zu vermeiden. Ein milliardenschweres Vermögen, das hier in Deutschland erarbeitet wurde. Ich zitiere mal aus dem Artikel: „Er "verpackt" seine Beteiligungen in ein inländisches Betriebsvermögen und zieht erst dann weg. Anschließend entpackt er die Beteiligungen wieder in eine GmbH. Der Charme dieser Konstruktion: Dividenden könnten steuerfrei ausgeschüttet werden. Außerdem fällt in Österreich keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer an.“ Dafür soll er sogar bei Finanzministern anrufen, in….und ich zitiere erneut: „Verantwortung für seine Familie und (…) das Erbe zwischen seinen vier Kindern.“
Für mich steht der Name Porsche für Innovation, Erfolg und unternehmerischer Verantwortung. Gerade deshalb frage ich mich manchmal, wo der ehrenvolle deutsche Unternehmer hin ist, der seine Verantwortung für das Gemeinwohl erkennt und auch verstanden hat, dass es zu großem Teil eben dieser Staat ist, der die Rahmenbedingungen dafür schafft, dass solche Unternehmen in diesem Land Erfolg haben. Wer schafft denn die Strukturen in Infrastruktur und Bildung, von denen besonders auch unsere Automobilindustrie derart profitieren kann, wie sie es nur hierzulande tut?

Als ich den Artikel in der FAZ seinerzeit las, fiel mir der Satz von Charles Baudelaire ein: „Für einen Kaufmann ist sogar Ehrlichkeit eine finanzielle Spekulation.“
Wir antworten in unserem Gesetzentwurf mit dem Talmud: „Fehlt die Gelegenheit zum Stehlen, glaubt der Dieb, er sei ehrlich.“

In diesem Sinne reagiert die große Koalition und schließt eine weitere Steuerlücke. Die Änderung im Paragraphen 50i des Einkommensteuergesetzes nenne ich präventive Steuerehrlichkeit!

Abschließend möchte ich mich noch bedanken, weil es mein erstes etwas größeres Gesetz war, dass ich für meine Fraktion als Berichterstatter begleiten durfte. Beim Bundesministerium für Finanzen, dessen Fachbeamtinnen und Fachbeamte immer unterstützend und fachkundig zur Seite standen und natürlich beim Kollegen Olav Gutting von der CDU, mit dem ich sehr gute und offene Gespräche geführt habe. Wenn alle Gesetzesverfahren zwischen uns Koalitionspartnern so ablaufen wie das Kroatiengesetz – ich denke – dann können wir uns auf produktive und gewinnbringende weitere drei Jahre freuen. Herzlichen Dank!