Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Korte und insbesondere Frau Dağdelen, zu dem, was Sie hier am Schluss gesagt haben: Sie müssen aufpassen, dass Sie mit Ihrer Kritik nicht überziehen. Aus all dem, was Sie an Anklagen hier erheben, wird noch kein Konzept. Das ist aber das Entscheidende. Man merkt Ihnen mit jeder Faser an, Ihnen beiden, dass Sie noch nie in der Verantwortung waren. Sie sagen, wir sollten einen Pakt mit der Bevölkerung in der Türkei schließen. Jetzt frage ich Sie: Wie soll das gehen? Sie rufen uns dazu auf, gegen Erdogan zu kämpfen. Das sind doch hohle Phrasen, Frau Dağdelen. Mit solchen Beiträgen kommen wir hier sicher nicht weiter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das Erste, was wir zu leisten haben? Das Erste, was wir zu leisten haben, ist Sicherheit. Der Herr Erdogan ist sicherlich auch nicht mein Freund - ich weiß nicht, ob er jetzt mich als Nächsten verklagt -, aber ich sage Ihnen: Ich bin froh, dass wir mit ihm im Gespräch sind und mit ihm am Verhandlungstisch sitzen, weil wir so wenigstens an diesem Punkt Einfluss nehmen können und mitbekommen, was dort passiert. Einfluss zu nehmen, ist doch besser, als beiseite zu stehen und Recht haben zu wollen. Wir müssen Sicherheit organisieren. Wir haben eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
In der ist festgelegt, dass jeder Mensch das Recht hat, sein Land zu verlassen. Leider fehlt das Gegenstück. Es hat nicht jeder Mensch auch das Recht, von einem anderen Land aufgenommen zu werden. Deswegen haben wir dieses ganze Chaos, und deswegen gibt es Schleuser, die Geld damit verdienen und die Gewinne wieder in die Konflikte reinstecken, die das ganze Leid erst verursachen. Es ist unsere Aufgabe, hier für Sicherheit zu sorgen, ohne den kriminellen Machenschaften weiter Futter zu geben.
An dieser Stelle ist natürlich entscheidend, dass die Menschen, die vor dem Krieg fliehen, weiterhin über die Grenzen kommen - in Sicherheit. Das ist natürlich nur der erste Schritt. Insofern ist Grenzen schützen auch etwas anderes als Grenzen schließen, wie Sie das immer behaupten. Wenn Human Rights Watch uns sagt: „Da ist an der Grenze geschossen worden“, dann ist doch für uns alle in diesem Haus ganz klar - egal, was Frau von Storch oder Herr Erdogan sagen -: An den Grenzen darf nicht auf Flüchtlinge geschossen werden. Das ist nicht unsere Politik.
Wenn die Menschen in Sicherheit sind, ist der nächste Schritt, dafür zu sorgen, dass sie dort, wo sie hinkommen - ob sie nun in zentralen Lagern oder irgendwo sonst im Land sind -, einigermaßen anständig überleben können. Auch diesbezüglich gibt es Lücken im internationalen Recht. Es ist doch absurd, dass das UNHCR oder das World Food Programme ihre Mittel von der Weltgemeinschaft zusammenkratzen müssen, statt dass wir diese Organisationen ordentlich ausfinanzieren, damit sie rechtzeitig, wenn irgendwo Leid aufkommt, agieren können.
Aber solange wir das noch nicht realisiert haben, sind wir gefordert, direkt zu helfen. Die 6 Milliarden Euro, von denen gesprochen wurde, sind ein starker Beitrag der Europäischen Union, der ja nicht an Herrn Erdogan geht, sondern mit dem konkret vor Ort in der Türkei geholfen werden soll, damit Flüchtlinge Unterkunft, Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf und Bildungseinrichtungen haben. Das ist ein wichtiger und guter Teil dieser Vereinbarung mit der Türkei.
Ein weiterer Punkt, den man auch unserer eigenen Bevölkerung sagen muss: Warum soll es denn gut sein, dass in der Türkei 3 Millionen Flüchtlinge sind, in Deutschland aber nur 1 Million und in ganz Europa gar nur 2 Millionen? Ja, wir hatten mit 1 Million Flüchtlinge jetzt erst einmal zu kämpfen, gar keine Frage. Aber wenn wir bedenken, dass in der Türkei 3 Millionen Flüchtlinge sind, in Jordanien 10 Prozent der Bevölkerung Flüchtlinge sind und im Libanon jeder Vierte ein Flüchtling ist, dann wird doch klar, dass wir mit einer solchen Art von Politik die Regionen immer weiter destabilisieren, denen es ohnehin schon nicht gut geht.
Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Der Kern der Vereinbarung mit der Türkei - das halte ich darin für den wichtigsten Punkt - ist die Umsiedlung, dass wir endlich so weit sind, dass wir gesagt haben: Es werden Kontingente vereinbart, damit die Menschen auf legalen, sicheren Wegen zu uns kommen können, und dann werden sie in Europa umverteilt. Das ist ein großer Schritt, der in der Realität noch lächerlich ist aufgrund der kleinen Zahlen. Aber daran werden wir weiter arbeiten.
Das Wichtigste ist natürlich, die Ursachen zu betrachten, die dazu führen, dass die ganze Fluchtbewegung überhaupt stattfindet. Uns ist dieser Tage vom Auswärtigen Amt noch einmal eine Zusammenstellung zur Verfügung gestellt worden über das Engagement Deutschlands, was den Syrien-Konflikt angeht. Ich muss Ihnen sagen: Ob es jetzt unser Beitrag als Geberland bei der Konferenz ist, wo es um Gelder für Syrien ging - da haben wir den Hauptbeitrag geleistet -, oder unser Beitrag, die Menschen an einen Tisch zu holen und zu Friedensverhandlungen einzuladen - ich weiß nicht, was mehr getan werden kann als das, was von der Bundesregierung, namentlich Frank-Walter Steinmeier, hier geleistet wird. Wir leisten ja als ein kleines Land in Europa wirklich große Beiträge. Das hat auch einmal die Unterstützung, die Würdigung der Opposition verdient. Vielen Dank.