Ich glaube, dass wir weiterhin vor Herausforderungen stehen werden. Die Ungleichheit beim Zugang zu Hoch­schulen ist nach wie vor das größte bildungspolitische Problem. Wir werden dazu das BAföG erweitern. Die 25. Novelle war ein guter Wurf, und wir werden auch eine 26. und eine 27. Novelle verabschieden und damit auf die neue Herausforderungen eingehen. Aber es ist eben auch notwendig, auf die soziale Infra­struktur zu achten.

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Ich möch­te zunächst eine Bemerkung zum Antrag machen und da anknüpfen, wo auch Frau Albsteiger eingestiegen ist, nämlich bei der Frage, ob der Numerus clausus wirk­lich ein zentrales Kriterium im Hinblick auf soziale Un­gleichheit ist. Wenn Sie schreiben, dass sich der Numerus clausus sozial selektiv auswirkt, was sich insbesondere am Beispiel Medizin zeige, dann stelle ich mir die Frage: Was heißt das denn ganz konkret?

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Versuchen Sie es doch mal!)

Heißt das, dass tatsächlich mehr Arbeiterkinder Medizin studierten, wenn wir den Numerus clausus abschafften? Ich halte das für eine ziemlich oberflächliche Betrach­tung sozialer Ungleichheit, gerade vor dem Hintergrund, dass die erste Generation von Studierenden aus Arbeiter­familien über Leistungen zu ihren besonderen Berufen kamen, nämlich weil sie herausragende Abiturnoten er­worben hatten.

Wer sich mit sozialer Ungleichheit, mit mehr Chan­cengleichheit und gleichen Zugängen zum Studium beschäftigt, der muss viel tiefer gehen, der darf sich doch nicht mit solchen Oberflächlichkeiten aufhalten, der

muss sich um frühzeitige Studienorientierung kümmern, der muss sich um eine gezielte Talentförderung – das Talentscouting in Nordrhein-Westfalen ist gerade schon angesprochen worden – kümmern, der muss sich um eine Strategie gegen Verschuldungsangst kümmern, was ge­rade für Studierende der ersten Generation ein riesiges Thema ist, und er muss natürlich dafür sorgen, dass Stu­diengebühren abgeschafft bleiben; das bleibt von zentra­ler Bedeutung, weil dieses Dogma von einigen Bundes­ländern aufgekündigt wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Insofern glaube ich: Man muss das alles genau betrach­ten, aber der Numerus clausus ist, wenn wir über soziale Ungleichheit reden, allenfalls ein Thema, aber nur ein Randthema und nicht so zentral, wie das in Ihrem Antrag aufgebaut wird.

Kommen wir zur Betrachtung des gesamten Sach­verhalts. Ich will an die zentralen Herausforderungen anknüpfen. Wir, Bund und Länder gemeinsam, haben enorme Anstrengungen unternommen, um abzusichern, dass heute so viele Menschen wie noch nie ein Studium beginnen können. Das ist eine enorme Kraftanstrengung. Dazu hat natürlich beigetragen, dass wir 1998, als das BAföG am Boden lag, eine Wende eingeleitet haben, die tatsächlich von allen nachfolgenden Bundesregierungen übernommen worden ist, und damit erweiterte Zugänge zum Studium geschaffen haben. Dazu hat auch beigetra­gen, dass Bund und Länder Pakte beschlossen haben, wie den Pakt für Forschung und Innovation, den Qualitätspakt Lehre und insbesondere den Hochschulpakt.

Ich glaube, dass sich die Ergebnisse insgesamt sehen lassen können. Unser Wissenschaftssystem hat sich deut­lich weiterentwickelt. Die Studienkapazitäten sind an die steigende Nachfrage angepasst worden. Das ist insbeson­dere ein Verdienst des Hochschulpaktes.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Innovationskraft hat sich erhöht, insbesondere durch die Möglichkeit, Profilbildung an Standorten durch­zuführen, oder durch die strukturelle und strategische Kooperation von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Außerdem ist der Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland heute sehr viel internationaler, als er das vor 20 Jahren noch war, und zwar sowohl für Studierende als auch für Forscherinnen und Forscher, und das nicht nur an wenigen Orten, son­dern überall in Deutschland. Diese Weiterentwicklung in den letzten 20 Jahren ist ein großes Verdienst des Hoch­schulsystems, das sich sehen lassen kann.

Es ist richtig: Die Pakte laufen aus. Wir werden uns spätestens in der nächsten Wahlperiode mit der Frage beschäftigen müssen, welchen finanziellen Beitrag der Bund zur Weiterentwicklung des Hochschulsystems leis­ten will. Wir als SPD schlagen einen Zukunftsvertrag für Wissenschaft und Forschung vor. Ich glaube, wir müssen uns zwei zentralen Herausforderungen stellen.

Erstens. Ja, es ist so, die Studierendenzahlen bleiben hoch. Die Annahme zu Beginn des Hochschulpaktes,

dass die Zahl nach einem Berg wieder abflachen würde, hat sich nicht bestätigt und wird sich nach allen Prog­nosen auch nicht bestätigen. Es bleibt eine Herausfor­derung, allen Menschen, die eine Hochschulzugangsbe­rechtigung erworben haben und studieren wollen, einen Studienplatz zur Verfügung zu stellen. Das ist auf der einen Seite eine Herausforderung für die Qualität der Lehre, auf der anderen Seite aber auch für diejenigen, die Lehre leisten müssen.

Zweitens. Es ist auch eine Herausforderung, gute Ar­beitsbedingungen in der Wissenschaft bei gleichbleibend hohen

Studierendenzahlen zu schaffen. Deshalb ist für mich und für uns ganz wichtig: Der Bund muss zu sei­ner Verantwortung für ein ausreichendes Studienplat­zangebot, für gute Lehre und für berechenbare Finanzie­rungsperspektiven der Hochschulen stehen. Die jetzigen Hochschulpaktmittel müssen auch weiterhin zu großen Teilen für gute Lehre und sichere Studienplatzfinanzie­rung in der Breite eingesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir führen jetzt in Bezug auf die Qualität eine Ausei­nandersetzung darüber – und es ist wichtig und gut, dass man in Wahljahren die Alternativen gegenüberstellt –, ob man sich auf Spitzenförderung allein bezieht, ob der Bund weiterhin in der Verantwortung für vergleichbare Lebensbedingungen steht und ob der Bund einen dauer­haften und verlässlichen Beitrag zur Grundfinanzierung der Hochschulen leistet. Unser Qualitätsverständnis ist da ein etwas anderes: Verlässliche Rahmenbedingungen                                   

in der Breite lassen sich an guter Lehre ablesen. Nur so ist eine gute Qualität in der Lehre gewährleistet. Wir sind der festen Überzeugung: Wer den Beitrag des Bundes zum Hochschulpakt aufkündigen will, der schwächt die Qualität unseres Wissenschaftssystems. Das ist die Ent­scheidung, die bei den jetzt anstehenden Wahlen getrof­fen werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Eine kurze Anmerkung noch zum Thema „Zugang zu den Hochschulen“. Ich glaube, dass wir weiterhin vor Herausforderungen stehen werden. Herr Gehring hat es angesprochen: Die Ungleichheit beim Zugang zu Hoch­schulen ist nach wie vor das größte bildungspolitische Problem. Wir werden dazu das BAföG erweitern. Die 25. Novelle war ein guter Wurf, und wir werden auch eine 26. und eine 27. Novelle verabschieden

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zack, zack!)

und damit auf die neue Herausforderungen eingehen. Aber es ist eben auch notwendig, auf die soziale Infra­struktur zu achten. Hierbei geht es um Mensen, um Be­ratung und um Betreuungsmöglichkeiten, um das Studie­ren mit Kind zu ermöglichen. Insbesondere geht es aber auch um einen Beitrag zum studentischen Wohnen; denn die Wohnbedingungen an attraktiven Studienstandorten dürfen nicht zu sozialer Auslese führen. Da müssen wir gegensteuern.

Es geht darum, dass wir für den Ausbau der Infrastruktur Geld in die Hand nehmen und die Zahl der Wohn­heimplätze erhöhen. Wir stellen uns vor, dass der Bund hierbei eine besondere Rolle übernimmt.

Ich komme zum Schluss. Die Wissenschaftsfi­nanzierung des Bundes muss in den entscheidenden 2020er-Jahren, also in der nächsten Wahlperiode, in eine verlässliche Architektur überführt werden. Wir sind der Meinung, der Bund muss die Gesamtverantwortung für die Grundfinanzierung übernehmen und darf sich nicht auf eine Nischenfinanzierung zurückziehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)