Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Staatssekretär Müller hat sich schon sehr profund mit den Linken auseinandergesetzt. Ich will das nicht wiederholen, sondern nur einen Eindruck wiedergeben. Meine Damen und Herren von der Linken, Sie können so beredt über die Vielfalt des deutschen Schul- und Bildungswesens diskutieren, aber Ihre Antwort, die Änderung des Grundgesetzes, betrifft das überhaupt nicht. Ich wünsche mir, dass bei Ihnen Rede und Initiative für das Parlament irgendwann in einem Zusammenhang stehen. Das kann nicht schaden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun darf ich mich im Namen der Großen Koalition mit Ihnen, Herr Gehring, auseinandersetzen. Sie haben recht, wenn Sie konstatieren, dass wir auf der Suche sind. Aber Ihnen ergeht es nicht anders. Sie haben heute in der taz in einem Nebensatz gesagt: „Aber die SPD weiß nicht, was sie will.“ Ich darf Ihnen sagen: Die SPD weiß sehr genau, was sie will. Wir haben dazu eindeutige Parteibeschlüsse.

(Beifall bei der SPD)

          

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Wir möchten gerne, dass Bund und Länder in bestimmten Konstruktionen die Bildung fördern. Mir ist bekannt, dass die Grünen ähnliche Beschlüsse gefasst haben. Aber genauso wie wir sind auch Sie noch auf der Suche. Denn ist Herr Kretschmann als gewichtiger Ministerpräsident von Baden-Württemberg nicht mehr Mitglied der Grünen?

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Erinnere ich mich richtig, dass die Grünen den Ministerpräsidenten in Hessen stellen wollten? Wissen Sie eigentlich noch, was Sie in Hessen werden können, werden wollen oder werden dürfen?

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Wir müssen konstatieren: Wir alle befinden uns auf der Suche nach der besten Lösung. Wir sollten uns nicht unsere Positionen vorhalten, sondern darüber nachdenken, wie wir in einem bestimmten politischen Spektrum zusammenkommen können.

(Beifall bei der SPD)

Ich werbe stark für eine solche Haltung und nicht für eine Haltung des Vorrechnens und des Abrechnens.

Dass es zu Veränderungen und Lösungen kommen muss, ist unstrittig. Aber in der letzten Legislaturperiode, als wir Schulen vor Ort über eine Bildungsinitiative fördern wollten, sind wir bei der Initiative „Kultur macht stark“ geendet, weil mehr nicht ging. Auch beim Bildungs- und Teilhabepaket mussten wir manchmal einen Umweg machen, weil es grundgesetzlich keine Möglichkeiten gab, Kinder direkt in der Schule zu fördern. Wir haben vor allem erlebt, dass die Verfassung Diener von politischer Entwicklung für die Verbesserung im Bildungswesen ist und nicht umgekehrt. Denken Sie an das legendäre Konjunkturpaket, das eine schnelle Änderung des Grundgesetzes zur Folge hatte, damit wir nicht mehr abrechnen mussten, ob es 49 oder 51 Prozent energetische Sanierung an Hochschulen oder Schulen gab.

Wir müssen an dem Grundsatz arbeiten, dass über die Verfassung Verbesserungen im Bildungswesen unterstützt werden. Ob wir dies in der ganzen Breite des Bildungswesens erreichen können, wird zu klären und zu diskutieren sein. Wir glauben zum Beispiel, dass der von der SPD in einem Parteibeschluss einmütig festgehaltene Ansatz, über einen neuen Art. 104 c des Grundgesetzes dauerhafte Finanzhilfen an die Länder und Kommunen geben zu können, sehr hilfreich ist. Es wäre in der aktuellen Auseinandersetzung über die zukünftige Finanzarchitektur klug, sie mit der Verfassungsarchitektur ins Benehmen zu setzen. Wir konstatieren genauso – hier knüpfe ich unmittelbar an einen Punkt an, den der Staatssekretär Müller für die Große Koalition gesetzt hat –, dass es eine Möglichkeit geben muss, neue Instrumente der Bildungsförderung entsprechend den Verfassungsvoraussetzungen zu schaffen.

Es wurden bereits Ausführungen über die Unterfinanzierung des Hochschulbereiches und die Verschiebung der Gewichte im Hochschulbereich gemacht. Dort gibt es viele – bei aller Sympathie für Wettbewerbselemente –, die mittlerweise darüber stöhnen, dass es immer mehr eine Drittmittelfinanzierung gibt, die die Hochschulstrukturen verändert. Es wäre hilfreich, wir hätten eine größere Stärkung bei der Grundfinanzierung. Das ist dann natürlich nicht nur eine Finanzaufgabe, sondern auch eine Verfassungsaufgabe. Die Große Koalition hat sich diese Aufgabe zu eigen gemacht. Im Koalitionsvertrag steht, dass ein zusätzliches Ziel die Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulen ist. Kundige wissen, dass die Formulierung „zusätzlich“ merkwürdig ist, weil es nach dem Grundgesetz gar nicht möglich ist. Wenn man in den Koalitionsvertrag schreibt, dass man zusätzlich etwas machen will, was nach dem Grundgesetz noch nicht geht, ist dies zumindest ein Hinweis darauf, dass dies zu einer sehr späten Stunde geschah.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt, mit einem klareren Kopf, muss es doch ein Ansporn für uns sein, zu tragfähigen Lösungen zwischen den Koalitionspartnern, zwischen Bund und Ländern, auch zwischen Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen, zu kommen, um das politisch maximal Mögliche zu erreichen, nämlich Bildung im Zusammenwirken von Bund und Ländern zu fördern.

Herr Gehring, ich möchte mich direkt an Sie als Sprecher der Grünen wenden. Ich habe Ihre Rede so wahrgenommen, dass Sie es sehr wohl als Fortschritt begreifen würden, wenn den Hochschulen dauerhaft zu einer stärkeren Absicherung ihrer Finanzierung verholfen werden kann, weil das ein wesentlicher Teil von Bildungsförderung ist. Selbst wenn wir nur dieses und nicht mehr erreichen können, wofür wir sehr ernsthaft werben – auch beim Koalitionspartner –, dann wäre es ein Erfolg. So werben Sie bei Ihrem grünen Ministerpräsidenten und dort, wo Sie Regierungsverantwortung haben. Wir werben ebenfalls.

Am Ende darf es in diesen vier Jahren der Großen Koalition und Arbeit im Parlament aber nicht nur ein ständiges Werben geben, sondern es muss auch zu einer Entscheidung kommen. Wir sehen es als Auftrag für diese Große Koalition und das Parlament an, diese Entscheidung in einem Paket mit anderen Fragen zügig vorzubereiten, um dann daraus etwas zu machen. Es nutzt am Ende nichts, eine Verfassung zu haben, die man verbessert hat, und eine Wirklichkeit, die hinter der Verfassung hinterherhinkt. Die Verfassungsarchitektur und die Finanzarchitektur so zusammenzubringen, dass es unmittelbare und nachvollziehbare Auswirkungen auf die Menschen hat, die in der Bildung arbeiten, die Bildung erleben und Bildung als Zukunft verstehen, wird die Aufgabe sein, der wir uns in aller Ernsthaftigkeit stellen wollen.
Danke.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)