Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Der Hochschulpakt ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungspolitik. Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, das sei alles perfekt und es habe keine zähen Verhandlungen gegeben; aber insgesamt – das muss man doch festhalten – ist der Hochschulpakt der Versuch einer Antwort auf gestiegene Studienanfän­gerzahlen; es geht um die Entwicklung von mehr Quali­tät an den Hochschulen und um eine gemeinsame Über­nahme der Verantwortung durch Bund und Länder.

Diejenigen, die behauptet haben, das gehe gar nicht, und die auch heute anklingen lassen, Bund und Länder könnten sich da gar nicht verständigen, sind widerlegt. Der Hochschulpakt muss fortgesetzt werden, und zu die­sem politischen Ziel hat sich die Koalition auch eindeu­tig bekannt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ausfinanzieren müsst ihr ihn!)

Die hohe Studierneigung – das ist hier schon richtig festgestellt worden – bleibt ja als Herausforderung beste­hen. Es ist erfreulich, dass sich so viele junge Menschen wie noch nie für ein Hochschulstudium entschieden ha­ben.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Viele von ihnen – das ist auch schon gesagt worden – kommen aus anderen Ländern hierher, um zu studieren. Das ist ein Erfolg, und das ist eine bildungspolitische Konstante, mit der wir uns beschäftigen müssen.

Die Koalition hat darauf auch reagiert. Natürlich hätte ich mir persönlich auch noch mehr vorstellen können; aber wir stellen in dieser Wahlperiode 6 plus 3 Milliar­den Euro zusätzlich für Bildung und Forschung zur Ver­fügung.

(Zuruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Noch in diesem Jahr werden 500 Millionen Euro fließen. Wir wissen noch nicht genau, durch welchen Kanal; aber sie werden fließen. Das ist ein ganz wichtiges Zeichen dafür, dass Bildung und Forschung auch in den nächsten vier Jahren Priorität haben.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Ich will an dieser Stelle noch sagen: Dieses Geld ge­hört nicht irgendwelchen staatlichen Ebenen, die darüber streiten müssen, dieses Geld gehört der Bildung. Ich bin der Meinung, dass keine staatliche Ebene sich über eine andere erheben sollte nach dem Motto „Nur wir wissen, wie man mit diesem Geld umgehen kann“. Nein, Bund und Länder müssen sich darauf einigen, wie dieses Geld in die Bildungseinrichtungen kommt.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Oder in die Forschung!)

Ich vertraue dem Bund und den Ländern, dass es auch dort ankommt, so wie wir es uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir verzeichnen einerseits so viele Studienanfänger wie noch nie, andererseits bleibt die Tür zur Hochschule für viele junge Menschen immer noch verschlossen. Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien – also wo beide Eltern einen Hochschulabschluss haben – erhalten 77 die Hochschulzugangsberechtigung. Von 100 Kindern aus Nichtakademikerfamilien sind es nur 23. Das zeigt doch eines: Die Debatte über Überakademisierung oder Aka­demisierungswahn spiegelt nicht die soziale Wirklich­keit wider. Die Zugänge zur Hochschule müssen weiter­hin für alle offen sein und einigen erst noch eröffnet werden. Darin dürfen wir nicht nachlassen, und da dür­fen wir auch nichts gegeneinander ausspielen.

(Beifall bei der SPD)

Berufliche und allgemeine – in diesem Fall akademi­sche – Bildung dürfen bildungspolitisch nicht als Gegen­sätze begriffen werden. Im Gegenteil, zu Recht betonen wir die Notwendigkeit der Stabilisierung der Wertschät­zung der beruflichen Bildung. Arbeitsfelder differenzie­ren sich aber immer weiter aus. Unternehmen fragen heute auch immer mehr nach einem Mix aus betriebli­cher Praxis und akademischer Weiterbildung oder aka­demischer Ausbildung. Junge Menschen entscheiden sich auch deshalb immer öfter für Ausbildung und Stu­dium, manchmal nacheinander, manchmal auch parallel. Das erreicht im Übrigen auch junge Menschen aus den sogenannten bildungsfernen Schichten. Die Sozialerhe­bung des Deutschen Studentenwerks liefert dazu interes­sante Zahlen. Gerade im dualen Studium sind viele junge Menschen aus den sogenannten bildungsfernen Schichten. Deshalb müssen wir Lösungen für beides fin­den. Wir dürfen nicht akademische und berufliche Bil­dung als Gegensätze darstellen, wie das öffentlich teil­weise geschieht, sondern wir müssen sie miteinander kombinieren, miteinander verschränken. Deshalb ist es richtig – die Koalition hat das vereinbart –, dass wir den Zugang weiterer beruflich Qualifizierter zu einem Ver­handlungskriterium bei den Verhandlungen über den Hochschulpakt machen werden. Das ist eine Zukunfts­aufgabe, und das muss im Hochschulpakt auch seinen Niederschlag finden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist auch richtig – das wurde im Antrag auch ange­sprochen –, dass der Hochschulpakt natürlich zügig wei­terentwickelt und verhandelt werden muss, damit die Hochschulen Planungssicherheit behalten. Einen Punkt aus dem Antrag, bei dem wir nicht einer Meinung sind – es stehen sicherlich auch Dinge drin, bei denen wir ei­ner Meinung sind –, will ich aber noch herausgreifen. Es geht um die Frage: Wer übernimmt eigentlich die Ver­antwortung für einen erfolgreichen Studienabschluss, und wie kann man das politisch mitsteuern?

Es ist richtig: Wir wollen die Autonomie von Hoch­schulen. Sie sollen über ihr wissenschaftliches Profil und ihre regionale Einbindung entscheiden, und sie sollen auch die Mittelverausgabung selbst steuern können. Zur Autonomie gehören aber eben auch Rechenschaftsle­gung, Verantwortung und die Transparenz des Wissen­schaftssystems.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer bestreitet das denn?)

Deswegen möchten wir eben nicht nur betrachten, wie viel Geld man oben hineinsteckt, sondern es muss auch Outputvariablen geben, die über den Studienerfolg bzw. den erfolgreichen Studienabschluss Auskunft ge­ben. Darüber, wie man sie bemisst – Zielvereinbarungen, Abschlussboni usw. –, kann man länger diskutieren. Deshalb haben wir in der Koalition vereinbart und im Koalitionsvertrag fixiert, dass wir Angebote fördern wollen, die mehr Studierende qualitätsgesichert zu ei­nem erfolgreichen Abschluss führen. Das halte ich auch für richtig;

(Beifall bei der CDU/CSU)

denn zur Qualität einer Hochschule gehört eben untrenn­bar, dass sie möglichst viele Studierende zum Abschluss führt.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer bestreitet das denn?)

Deswegen gehört das auch in den Hochschulpakt.

Besonders merkwürdig fand ich die Unterstellung, Abschlussboni wären mit Fehlanreizen verbunden, die dann auch die Qualität senken würden.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch noch nicht einmal ein Modell!)

Ich bin hier anderer Meinung; denn wir müssen doch eher umgekehrt fragen: Welche Anreize liefert das jet­zige Finanzierungssystem? Das jetzige System liefert den Anreiz, viele Studienanfänger aufzunehmen. Wir ha­ben aber keine formal nachprüfbaren Kriterien für Stu­dienabbrüche und für Studienabschlüsse.

Gerade diese Punkte sind für eine gemeinsame Ver­einbarung und übrigens auch für die demokratische Le­gitimation in Bezug auf den Hochschulpakt aber wich­tig. Wir wollen wissen, wie viele Studierende das Studium auch abgeschlossen haben. Das wollen wir auch mit in die Verhandlungen einbeziehen. Darüber, in welcher Form das geschehen wird, muss man reden, aber wir müssen die Anreize an dieser Stelle eben auch rich­tig setzen, und dabei muss es auch um Outputvariablen gehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Zeitplan der GWK ist ambitioniert.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege Kaczmarek, gestatten Sie eine Zwi­schenfrage des Kollegen Gehring?

Oliver Kaczmarek (SPD):

Gerne, ja.

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich wollte einfach einmal fragen, ob Sie inzwischen ein wirklich schlüssiges Modell für diese Absolventen­boni haben und wie das genau aussieht. Wir haben am Mittwoch im Ausschuss ja gelernt, dass die Hochschul­statistik noch nicht einmal eine klare Aussage darüber treffen kann, wie viele tatsächliche Studienabbrecherin­nen und -abbrecher wir in der Bundesrepublik Deutsch­land haben. Sie müssen erst einmal die statistischen Grundlagen dafür schaffen, bevor Sie die Finanzierungs­systematik des Hochschulpaktes komplett auf den Kopf stellen. Das leuchtet mir überhaupt nicht ein. Es gibt nämlich Fachrichtungswechsler, es gibt Studienort­wechsler, und es gibt reale Abbrecher.

Wie wollen Sie unter diesen Voraussetzungen die Ab­solventenprämie bzw. die Absolventenboni, die Sie im­mer fordern und wofür ich noch kein überzeugendes Konzept gesehen habe, in den Hochschulpakt implemen­tieren? Hier müssen Sie als Regierungsfraktion auch ein­mal Antworten liefern.

(Beifall der Abg. Katja Dörner [BÜND­NIS 90/DIE GRÜNEN])

Oliver Kaczmarek (SPD):

Ich will gerne darauf antworten. Ich habe ja gerade schon gesagt: Wie man das bemisst, wird man sehen. Der Abschlussbonus ist ein Modell, das genannt wird; Zielvereinbarungen und eine vernünftige Dokumenta­tion von Absolventenzahlen wären sicherlich ein ande­res.

Ich wende mich nur dagegen, dass Sie sagen, dass Sie das überhaupt nicht in Augenschein nehmen – das schreiben Sie ja in Ihrem Antrag –, weil das angeblich zu einem Qualitätsnachlass führt. Nein, im Gegenteil: Qua­lität in einer Hochschule bedeutet auch, möglichst viele der Studienanfänger zu einem geordneten und qualitäts­gesicherten Abschluss zu führen. Das haben wir in den Koalitionsvertrag geschrieben, und das wollen wir auch realisieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will nicht möglichst viele Absolventen?)

Die GWK wird noch in diesem Jahr Vorschläge für die Weiterentwicklung des Hochschulpaktes vorlegen. Das wird dann auch Grundlage für unsere weiteren Ge­spräche sein, und ich bin schon sehr gespannt darauf.

Es ist in dem Antrag richtigerweise aber auch ange­sprochen worden, dass die Phase des Auslaufens der Pakte auch zur Weiterentwicklung anregt. Wir haben in der Koalition vereinbart, über die Zukunft des Wissen­schaftssystems zu debattieren und sie zu justieren. Wir haben fest vor, dass der Bund stärker Verantwortung übernimmt, indem er in die Grundfinanzierung der Hochschulen mit einsteigt. In diesem Sinn wollen wir die Pakte weiterentwickeln.

Es geht aber um mehr als nur um Finanzfragen. Es geht um die Gesamtarchitektur des Wissenschaftssys­tems: gemeinsame Verantwortung, Arbeitsbedingungen, Karrierewege. All das wird diese Debatte bestimmen.

Zum Schluss. Ich würde sagen, Sie sollten den Hoch­schulpakt nicht schlechtreden. Wir sollten genau hinse­hen, welche Ziele wir damit verbinden. Wir sollten Zu­gänge zum Studium erhalten und neue eröffnen. Wir müssen das Wissenschaftssystem in der Mitte der Ge­sellschaft entwickeln. Das sind wirklich große Heraus­forderungen für die nächsten dreieinhalb Jahre.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)