Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Puh, Matthias, was für eine Rede. Ich versuche einmal, die Debatte wieder ein bisschen runterzubringen
(Beifall bei der SPD - Zurufe von der LINKEN)
und mit dem Gedanken einzusteigen, dass angesichts der extrem niedrigen Zinsen und einer exzellenten Arbeitsmarktlage eines noch einmal ganz deutlich wird: Unser Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung, dass Menschen für Menschen eintreten, führt zu einem kongenialen System, und wir können stolz sein, dass wir ein stabiles Rentensystem in Deutschland haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Aber ganz klar: Wir haben große Themen vor der Brust. Das Thema Rentenniveau ist eines, das uns in den kommenden Jahren begleiten wird. Da müssen wir ran. Jeder Politiker muss verantwortungsvoll damit umgehen und sich des Themas annehmen. Aber auch andere Themen stehen auf der Tagesordnung: Gerechtigkeitslücken, die es gibt, etwa Altersarmut, die wegen gebrochener Erwerbsbiografien oder sehr niedriger Löhne in manchen Branchen immer mehr auftaucht, und eben auch das Thema der unterschiedlichen Rentensysteme in Ost und West, die sich offenkundig nicht von alleine aneinander angleichen.
Ich kann ja die Opposition und insbesondere die Linke verstehen, dass ihr schon im hektischen Wahlkampfmodus seid.
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Nein, hektisch nicht! - Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Wir doch nicht!)
Aber wir als SPD regieren, und wir haben noch einiges vor. Wir haben einige sehr gute Inhalte in den Koalitionsvertrag hineingekämpft und wollen sie umsetzen. Dass wir das auch tun, haben wir mit der Rente mit 63 und mit der Mütterrente bewiesen.
(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und damit das Niveau geschwächt!)
Andere Themen wie die solidarische Lebensleistungsrente als ersten Schritt gegen Altersarmut, die Betriebsrenten
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war ja eher ein CDU-Konzept!)
und die Rentenangleichung zwischen Ost und West stehen uns noch bevor. Auch sie werden wir angehen.
(Beifall bei der SPD - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da bin ich ja mal gespannt!)
Zum Thema „Ost und West“ will ich ein paar Sätze mehr sagen. Zurückblickend auf die Zeit der friedlichen Revolution kann man erst einmal festhalten, dass die Rentenüberleitung eine riesengroße Leistung war. Zu DDR-Zeiten und in der Nachwendezeit hatten wir in der ehrmaligen DDR extrem niedrige Löhne. Diese sind dann sehr stark hochgewertet worden, damit überhaupt erst einmal Rentenpunkte auf den Rentenkonten der ehemaligen DDR-Bürger gelandet sind. Bei Rentenauszahlung werden sie mit dem Rentenwert multipliziert; so ergibt sich dann die Höhe der Rente. Der Rentenwert ist in Ostdeutschland niedriger als in Westdeutschland. Das Prinzip ist im Grunde immer noch dasselbe: Die Löhne werden hochgewertet. Ein Rentenpunkt ist in Ostdeutschland also leichter zu erwerben; aber der bei Auszahlung angewendete Rentenwert ist niedriger. Im Moment liegt er bei 94 Prozent des Westwertes.
Differenzen gibt es aber nicht nur bei Erwerbseinkommen, sondern auch bei Rentenpunkten, die etwa im Rahmen der Mütterrente erworben werden. Auch für sie wird weniger Rente ausbezahlt als in Westdeutschland.
Ich höre ganz oft die Frage: Ist denn meine Erziehungszeit in Ostdeutschland weniger wert als die Erziehungszeit in Westdeutschland?
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Berechtigte Frage!)
Auch ich bin ja nicht mehr ganz jung;
(Michaela Noll (CDU/CSU): Ach, das ist alles relativ!)
ich war zur Zeit der friedlichen Revolution neun Jahre alt. Aber auch ich persönlich frage mich: Wann kommen wir denn endlich zu einem einheitlichen Rentensystem? Wann vollenden wir die deutsche Einheit in dem Sinne, dass wir auch ein einheitliches Rentensystem in Ost und West haben und wirklich jeder Rentenpunkt gleich viel wert ist?
(Beifall bei der SPD - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt einen sehr guten grünen Vorschlag, wie man das machen kann!)
Es war ja so gedacht, dass irgendwann automatisch eine Angleichung stattfindet, wenn die Löhne in Ost und West gleich hoch sind.
(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es fehlt auch nicht mehr viel!)
Wenn wir uns die beiden Linien anschauen, dann müssen wir aber feststellen: Sie werden sich womöglich erst am Sankt-Nimmerleins-Tag kreuzen. Deswegen sagen wir ganz klar: Der letzte Schritt muss politisch gemacht werden. Wir haben die Angleichung der Rentensysteme in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Wir wollen und werden sie auch umsetzen. Das ist gut für viele Ostdeutsche und beseitigt viele Ungerechtigkeiten, die zwischen Ost und West noch bestehen. Das ist ein Schritt zur echten Vollendung der Einheit.
Für uns ist aber auch klar: In vielen Branchen sind die Löhne im Osten deutlich niedriger als in Westdeutschland. Ein Grund dafür ist, dass auch die Tarifbindung deutlich niedriger ist als in Westdeutschland. Daran müssen wir arbeiten. Auch hier wird entschieden, ob wir Rentengerechtigkeit in Deutschland hinbekommen.
(Beifall bei der SPD)
Einen ersten Schritt haben wir übrigens schon gemacht, und zwar durch die Einführung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro in Ost und West.
(Beifall bei der SPD)
Dass der Mindestlohn im Hinblick auf die Renten etwas bringt, zeigt sich an der fast 6-prozentigen Rentenerhöhung im Osten; sie ist ganz eindeutig ein Mindestlohneffekt. Auch weil die Höherwertung irgendwann wegfällt, müssen wir uns um die Niedrigverdiener kümmern. Wir dürfen aber nicht nur die Niedrigverdiener in Ostdeutschland im Blick haben. Es ist überall ungerecht, wenn jemand jahrzehntelang gearbeitet hat und dann weniger oder genauso viel Rente bekommt wie jemand, der gar nicht gearbeitet hat. Deswegen ist uns die solidarische Lebensleistungsrente so wichtig. Sie ist de facto die Höherwertung in Ost und West für Niedrigverdiener. Die solidarische Lebensleistungsrente ist für uns ein erster Schritt zur Armutsbekämpfung.
(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Minischritt!)
Wir als SPD haben das Ohr bei den Menschen, die hart arbeiten. In diesem Sinne werden wir das Rentensystem fortentwickeln. Dazu gehört für uns die Angleichung der Rentensysteme in Ost und West.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)