Die Aufforderung durch das Bundesverfassungsgericht hätte es eigentlich nicht gebraucht: Dass alle Menschen gleich sind, egal ob männlich, weiblich, dick, dünn, homo- oder heterosexuell, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Dies gilt auch für die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner - vernünftige Gegenargumente sind nicht auszumachen.

Sehr verehrte Frau Präsidentin!

Lieber Kollege Beck, dann wäre ich der Nächste, der vor Scham im Boden versinken müsste. Ich tue es aber nicht; denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass uns das Bundesverfassungsgericht wieder einmal gezeigt hat, wo es langgeht. Es sagt glasklar: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. – Dies gilt bei einer Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner und – noch viel wichtiger – für alle Kinder dieses Landes. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber eigentlich hätten wir selbst darauf kommen müssen. Ich weiß, dass der große Teil der Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch darauf gekommen ist. Leider haben wir dies noch nicht – ich sage das ganz be-wusst – über alle politischen Gegensätze hinweg selbst in die Hand genommen. Mein Wunsch ist, dass wir die Parteigrenzen außer Acht lassen und sagen: Wir müssen die Kinder und die Familien in den Mittelpunkt stellen. Lieber Kollege Beck, ich gehe davon aus, dass Sie in Koalitionsverhandlungen wahrscheinlich auch kein besseres Ergebnis erzielt hätten.

(Beifall bei der SPD)

Ja, wir freuen uns, wenn in Deutschland Kinder großgezogen werden, wenn sie geborgen, gefördert, umsorgt und geliebt sind, egal welche sexuelle Orientierung die Eltern haben. Wir wollen Familien, Solidarität und gemeinsames Einstehen für die Kinder, ganz egal in welcher Konstellation. Wir leben in einer offenen Gesellschaft, und wir stehen dazu. Wir, die SPD, stehen dafür ein, ohne Zögern, ohne Lavieren und ohne Angst. Aber ich weiß, dass dies in Deutschland und auch in diesem Hohen Haus keine hundertprozentige Zustimmung erfährt. Ich weiß, dass sich manche Kolleginnen und Kollegen unseres geschätzten Koalitionspartners noch immer schwertun, den Schritt in Richtung Gleichstellung so zu gehen, wie ich und vielleicht auch andere in diesem Hause ihn gerne gehen würden. Ich akzeptiere dies. Gerade deshalb möchte ich Sie gerne mitnehmen, Ihnen den Weg erleichtern und Ihnen dazu fünf Argumente an die Hand geben.

Erstens haben wir im Koalitionsvertrag bereits festgelegt, rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften schlechterstellen, zu beseitigen - das haben wir noch vor uns -, und wir haben - das haben wir heute vorliegen - den Gesetzentwurf zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vereinbart. Das machen wir jetzt.

Zweitens: Familie hier, Ehe da, Lebenspartnerschaft dort – das sind in unserer Gesellschaft keine Gegensätze mehr. Ich sage ganz deutlich: Familie ist da, wo Solidarität herrscht, wo Menschen füreinander einstehen, wo ein Kind in behüteten Verhältnissen aufwachsen kann, wo es sich gut entwickeln kann, dort, wo es daheim ist. Das hat nichts mit Mann und Frau, sondern das hat etwas mit Liebe zu tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens: Kinder in homosexuellen Ehen entwickeln sich psychisch ganz normal.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass sie es schwerer hätten als Dicke, Dünne, Kleine oder Große, von Diskriminierung ganz zu schweigen. Schließlich hat das das Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg bestätigt, und die müssen es wissen.

Viertens: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden in der Bevölkerung meist Homoehe genannt, nicht Partnerschaft, sondern Ehe. Selbst die Bild-Zeitung schreibt nur Homoehe. Damit ist klar, dass eingetragene Lebenspartner wie Ehepartner leben und zweifelsohne die Verantwortung für sich und für ihre Kinder und Angehörigen übernehmen wie Ehepartner und so, wie wir das in Deutschland wollen. Gut, dass der allgemeine Sprachgebrauch schon etwas weiter ist als die Gesetzgebung.

Fünftens: die Realität. Es gibt sie schon längst, die Stiefeltern, die Pflegeeltern, die Patchworkfamilien, die ihren Kindern Schutz und Geborgenheit geben. Das verdient Anerkennung. Unterschiede werden gelebt, öffentlich, unabhängig von jedem Schubladendenken. Warum sollten wir einen anderen Maßstab anlegen, warum soll es bei Sukzessivadoptionen Ausnahmen geben? Wenn irgendjemand die Gleichstellung bremsen möchte, dann ist es, glaube ich, nach dem Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts eh schon zu spät. Der Zug fährt schon. Das nächste Gesetz ist vor der Tür.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, aber er darf es nicht allein bleiben. Dazu sollten wir künftig keinen Wink unseres Bundesverfassungsgerichts mehr benötigen. Haben wir den Mut, die Augen für die Realität zu öffnen und die Fragen zu beantworten, die wir für unsere Gesellschaft beantworten müssen. In welcher Gesellschaft wollen wir leben? In was für einer Gesellschaft sollen unsere Kinder aufwachsen? Füreinander einstehen, sorgen, lieben und beschützen - was ist uns das wert? Glauben Sie mir: Wenn wir diese Fragen fern von parteipolitischem Kalkül und fern von unseren parteipolitischen Unterschieden sehen, dann steht am Ende nicht nur die Gleichstellung, sondern auch die Ehe für Schwule und Lesben.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bei der Präsidentin, dass sie mir ein paar Sekunden hinzugegeben hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)